Malignes Potenzial erblicher Tumoren

Dr. Dorothea Ranft

Adrenale Phäochromozytome sorgen durch die Katecholaminproduktion oft für eine Hypertonie. Adrenale Phäochromozytome sorgen durch die Katecholaminproduktion oft für eine Hypertonie. © Science Photo Library/Science Source

Phäochromozytome und Paragangliome sind die häufigsten erblichen Tumoren. Da es bisher keine Kriterien gibt, um das Metastasierungsrisiko abzuschätzen, muss man immer von einem malignen Potenzial ausgehen.

Phäochromozytome entwickeln sich im Nebennierenmark, Paragangliome in den sympathischen bzw. parasympathischen Ganglien. Beiden gemeinsam ist das maligne Potenzial. Etwa ein Drittel der Patienten mit Phäochromozytom und Paragangliom (PPGL) weist eine autosomal-dominant vererbte Keimbahnmutation auf, weitere 35–40 % entstehen durch somatische Genveränderungen.

Unterteilt nach den auslösenden Mutationen

Allerdings entwickeln längst nicht alle Träger einen Tumor, die Penetranz liegt unter 50 %, erklären Dr. Hanna Remde von der Universitätsklinik Würzburg und Prof. Dr. Svenja Nölting vom Universitätsspital Zürich. Abhängig von den auslösenden Mutationen werden drei Gruppen der PPGL unterschieden:

  • Cluster 1 entsteht durch eine Aktivierung von Pseudohypoxie-Signalwegen, die Tumoren entwickeln sich meist außerhalb der Nebenniere und bergen das höchste Metastasierungsrisiko.
  • Cluster 2 geht mit einer Aktivierung von Tyrosinkinase-Signalwegen einher, die Tumoren bilden sich überwiegend adrenal und streuen nur selten.
  • Cluster 3 ist mit Veränderungen im Wnt-/Hedgehog-Signalweg assoziiert und bisher nur wenig erforscht.

Insgesamt metastasieren rund 35–40 % der Paragangliome und etwa 10–15 % der Phäochromozytome. Bislang gibt noch kein Kriterium, anhand dessen sich eine Absiedelung zuverlässig vorhersagen ließe. Man weiß aber, dass junges Alter, geringere Tumorgröße und fehlende Metastasen zum Zeitpunkt der Erstdia­gnose mit einer besseren Prognose assoziiert sind. Deswegen empfehlen die Autorinnen, alle Träger verdächtiger Mutationen frühzeitig und regelmäßig auf PPGL zu untersuchen. Umgekehrt ist bei allen Patienten mit einem solchen Tumor nach einer Keimbahnmutation zu fahnden – auch zum Schutz potenziell betroffener Verwandter.

Die klinischen Zeichen der PPGL werden durch die vermehrte Freisetzung von Katecholaminen ausgelöst. Ein neuer Symptomscore erleichtert die Einschätzung von Patienten, die ausschließlich klinische Zeichen aufweisen. Bei hohen Werten sollte ein PPGL ausgeschlossen werden. Neben den im Score aufgeführten Beschwerden können orthostatische Hypotonie, Todesangst, und Sehstörungen auftreten. Cluster-1-assoziierte PPGL sind eher mit geringer Symptomlast und permanenter Hypertonie verbunden, Cluster-2-assoziierte führen häufiger zu Blutdruckspitzen, Angst und Tremor. Allerdings ist zu beachten, dass die Symptome bei kleinen Tumoren oder nur geringfügiger Hormonsekretion auch fehlen können.

Score zur Risikoabschätzung
Zeichen
Punkte
blasse Haut+ 1
Hyperhidrose+ 1
Palpitationen+ 1
Tremor+ 1
Nausea+ 1
Herzfrequenz ≥ 85+ 1
BMI < 25 kg/m2+ 1
BMI ≥ 30 kg/m2– 1
Bei einem Wert von ≥ 3 Punkten ist die Wahrscheinlichkeit für ein PPGL sechsmal höher als bei < 3 Punkten.

Zum labordiagnostischen Nachweis eignet sich die Bestimmung von Metanephrin (MN), Normetanephrin (NMN) und 3-Methoxythyr­amin. Die Blutentnahme muss nüchtern und im Liegen nach mindestens 20 Minuten Liegezeit erfolgen. Ein adrenerges Muster spricht für Clus­ter 2, ein noradrenerger oder dop­aminerger Phänotyp für Cluster­ 1. Übersteigen die MN- und/oder NMN-Werte das Doppelte der oberen Normgrenze, empfehlen die Autorinnen eine bildgebende Diagnostik (CT oder MRT). Auch asymptomatische Träger bestimmter Keimbahnmutationen (SDHx, VHL) ohne anamnestisch bekannten Tumor sollten regelmäßig radiologisch abgeklärt werden. Gleiches gilt für Personen mit Keimbahnveränderung und durchgemachtem PPGL. Eine präoperative Bildgebung ist bei Metastasen, multifokalem Auftreten, Phäochromozytomen = 5 cm und Paragangliomen indiziert. Als Primärtherapie der Wahl für lokalisierte Tumoren gilt die operative Resektion, die inzwischen meist minimalinvasiv erfolgt. Sporadische und Cluster-2-assoziierte Phäochromozytome lassen sich vielfach nebennierenerhaltend entfernen. Zur Prophylaxe intraope­rativer Komplikationen aufgrund massiver Katecholaminfreisetzung wird eine Alpharezeptorblockade mit Phenoxybenzamin in den 10–14 Tagen vor dem Eingriff empfohlen.

Lebenslange Nachsorge

Regelmäßige Kontrollen sind erforderlich, wenn eines der Kriterien vorliegt:
  • Keimbahnmutation
  • Zustand nach Paragangliom
  • multiple bzw. rezidivierende Tumoren
  • noradrenerger oder dopaminerger Phänotyp
  • Alter bei Erstdiagnose < 20 Jahre
  • Tumordurchmesser = 5 cm

Chemotherapie bei rasch progredienten Formen

Metastasierte PPGL werden in der Erstlinie mit Radionukliden oder zytostatisch nach CVD-Schema (Cyclophosphamid, Vincristin und Dacarbazin oder Temozolomid) behandelt. Die Chemo eignet sich vor allem für Patienten mit rasch progredienter Erkrankung. Bei unzureichendem Ansprechen kommen Tyrosinkinase-Inhibitoren oder eine Immuntherapie mit Pembrolizumab infrage. Sämtliche Patienten benötigen nach der Resektion eine mindestens zehnjährige Nachbeobachtung, je nach Risiko auch ein lebenslanges Follow-up. Dazu gehört neben der klinischen Untersuchung eine meist jährliche Bestimmung der Metanephrine, eventuell auch eine bildgebende Kontrolle.

Quelle: Remde H, Nölting S. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 1520-1526; DOI: 10.1055/a-1240-9835

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Adrenale Phäochromozytome sorgen durch die Katecholaminproduktion oft für eine Hypertonie. Adrenale Phäochromozytome sorgen durch die Katecholaminproduktion oft für eine Hypertonie. © Science Photo Library/Science Source