Medikamente gegen chronische Hepatitis absetzen – zwischen Leberversagen und Spontanheilung

Friederike Klein

Nach dem Absetzen der Medikamente lag die Virenkonzentration bei > 21 Mio. IU/ml, später waren sie nicht mehr nachweisbar. Nach dem Absetzen der Medikamente lag die Virenkonzentration bei > 21 Mio. IU/ml, später waren sie nicht mehr nachweisbar. © CDC/Dr. Erskine Palmer

Patienten mit chronischer Hepatitis B, die ihre Medikation eigenmächtig absetzen, spielen mit ihrem Leben. Denn sie erhöhen u.a. ihr Risiko für ein Leberversagen. Doch es besteht auch die Möglichkeit einer Spontanheilung, wie das Beispiel einer Seniorin zeigt.

Eine 66-Jährige hatte vor sechs Monaten eigenmächtig die antivirale Therapie ihrer chronischen Hepatitis B abgesetzt und stellte sich mit einem Ikterus und allgemeiner Schwäche beim Hepatologen vor. Die Beschwerden entwickelten sich nach einem Infekt der oberen Atemwege vor zwei Wochen. Erstmals war die Hepatitis B vor zehn Jahren aufgefallen, als ein niedrigmalignes B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom der Frau mit einer rituximabbasierten Chemotherapie behandelt werden sollte. Es bestand ein serologischer Hinweis auf eine vorangegangene Infektion mit Hepatitis-B-Viren (HBV), schreiben die Gastroenterologen Dr. Florian­ Bert vom Fachärztezentrum am Krankenhaus Nordwest und Professor Dr. Siegbert­ Rossol­, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt.

Sechs Monate nach der Chemo-Immuntherapie reaktivierte sich die HBV-Infektion mit massiv erhöhten Transaminasen, akutem Leberversagen und höhergradiger Fibrose in der Leberbiopsie. Unter der Therapie mit Lamivudin (100  mg einmal täglich) normalisierten sich die Leberwerte und die Viruslast fiel unter die Nachweisgrenze. Das Hepatitis-B-surface-Antigen (HBsAg) persistierte als Ausdruck der nun chronischen HBV. Fünf Jahre später wurde die Therapie wegen einer Lamivudinresistenz auf Tenofovirdisoproxil (245  mg einmal täglich) umgestellt. Die Fibrose nahm bis auf Grad 1 in der Elastografie ab.

Dreieinhalb Jahre lang ging alles gut. Nachdem die Patientin dann die Medikation absetzte, blühte sechs Monate später die Hepatitis B auf: Bei der aktuellen Vorstellung waren Lebertransaminasen und Bilirubin bei normalen Thrombozyten- und Gerinnungswerten erhöht. Entsprechend der chronischen Hepatitis B fanden sich HBsAg und eine massiv erhöhte Virenzahl (> 21 Mio. IU/ml). Im Ultraschall zeigte sich ein inhomogenes Leberbinnenecho­muster mit Verdacht auf inkompletten fibrotischen Umbau, ansonsten war der Oberbauchstatus unauffällig. Die Leberelastographie ergab einen Fibrosierungsgrad 2, wahrscheinlich durch die reaktivierte Hepatitis.

Absetzen nur unter Kontrolle eines erfahrenen Arztes!

Die sofort wieder begonnene antivirale Medikation führte innerhalb von 16 Tagen zum Abfall der Transaminasen und der Viruslast, die klinischen Symptome verbesserten sich. 22 Wochen später war der HBsAg-Befund erstmals negativ bei fehlendem Virus- und positivem Anti-HBs-Nachweis. Gemäß Leitlinien konnte wegen der Serokonversion die Behandlung beendet werden. Die Kontrolluntersuchungen bestätigen seitdem diesen Befund.

Es gibt weitere Fallberichte, bei denen durch das Absetzen der antiviralen Therapie die Erkrankung zuerst exazerbiert und danach spontan ausheilt. Die Autoren betonen jedoch, dass es bislang keine guten Prädiktoren gibt, bei wem das der Fall ist. Schließlich droht auch immer akutes Leberversagen. Ein solcher Versuch ist daher als experimentell anzusehen und sollte nur unter Kontrolle eines hepatologisch erfahrenen Arztes und nur bei nicht-zirrhotischen Patienten erwogen werden.

Quelle: Bert F, Rossol S. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 552-554; DOI: 10.1055/a-1120-3930

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Nach dem Absetzen der Medikamente lag die Virenkonzentration bei > 21 Mio. IU/ml, später waren sie nicht mehr nachweisbar. Nach dem Absetzen der Medikamente lag die Virenkonzentration bei > 21 Mio. IU/ml, später waren sie nicht mehr nachweisbar. © CDC/Dr. Erskine Palmer