Medikation vor der Operation

Dr. Dorothea Ranft

Wer regelmäßig Medikamente nimmt, sollte sich vor einer OP erkundigen, ob es manche davon vorübergehend zu pausieren gilt. Wer regelmäßig Medikamente nimmt, sollte sich vor einer OP erkundigen, ob es manche davon vorübergehend zu pausieren gilt. © iStock/Lightspruch

Viele Operationskandidaten nehmen wegen gastrointestinaler Begleiterkrankungen Medikamente ein. Da stellt sich die Frage, was riskanter ist: absetzen oder fortführen. Experten haben die aktuelle Studienlage zu den wichtigsten Wirkstoffgruppen zusammengefasst.

Für Protonenpumpenhemmer wurden bisher keine spezifischen perioperative Risiken beschrieben. Deshalb rät das Autorenteam um Dr. Kurt Pfeifer­ vom Medical College of Wisconsin in Milwaukee, die Behandlung bei chirurgischen Eingriffen unverändert fortzusetzen. Die gleiche Empfehlung sprechen die Autoren für H2-Rezeptorantagonisten aus. Denn ein Absetzen könnte infolge der unzureichend behandelten Grundkrankheit zu postoperativen Komplikationen führen.

Bei Hepatitispatienten ggf. Ende der Therapie abwarten

Die Einnahme von Antazida sollte am Tag der OP unterbrochen werden. Eine Ausnahme bilden vermehrt aspirationsgefährdete Patienten. Sie dürfen am Morgen vor dem Eingriff nicht-partikuläre Wirkstoffe wie Natriumzitrat und Magnesiumtrisilikat einnehmen. Denn die Erhöhung des pH-Werts mindert das Komplikationsrisiko, falls etwas in die Lunge gerät.

Die antiemetische Therapie kann ohne Pause fortgesetzt werden. Allerdings muss man unter Antagonisten für Dopamin oder den 5-Hydroxytryptamin-Rezeptor-3 (5-HT3) mit einer verlängerten QT-Zeit rechnen. Aprepitant kann das Risiko für eine opioidbedingte Atemdepression steigern und die Wirkung oraler Kontrazeptiva verringern.

Bei Patienten mit chronischer Hepatitis ist zunächst zu klären, ob die Operation bis zum Ende der antiviralen Therapie verschoben werden kann. Die Einnahme von Entecavir, Tenofovir, Lamivudin und Adefovir sollte nicht unterbrochen werden. Interferone hingegen sind wegen möglicher Komplikationen ein bis zwei Wochen vor dem Eingriff abzusetzen. Auf Ribavirin ist während der präoperativen Nahrungskarenz zu verzichten, weil das Nukleosid-Analogon mit einer Mahlzeit eingenommen werden muss.

Zur Behandlung der Hepatitis C werden heute meist Substanzen und Kombinationen eingesetzt, die eine dauerhafte Eradikation des Virus ermöglichen. Sofosbuvir und Ledipasvir/Sofosbuvir dürfen ohne Unterbrechung weiter genommen werden. Für viele andere Wirkstoffkombinationen wird eine Pause am Tag des Eingriffs empfohlen.

Auch für Ursodesoxycholsäure und Pankreasenzyme wird eine Karenz am OP-Morgen sinnvoll – bei dem gallensäurelösenden Wirkstoff, weil die Einnahme ohne Nahrung Erbrechen auslösen könnte. Pankreasenzyme werden während der Fastenphase schlichtweg nicht benötigt.

Antidiarrhoika wie Loperamid und Atropin dürfen präoperativ eingenommen werden, weil der Vorteil für die Lebensqualität potenzielle Risiken überwiegt. Am Morgen vor dem Eingriff ist eine Pause angesagt wegen des Opioidagonismus bzw. der anticholinergen Neben­wirkungen.

Mittel, die den intestinalen Transit beschleunigen, wie Linaclotid und Prucaloprid können ohne Unterbrechung angewendet werden. Bei klassischen Laxanzien wie Polyethylenglykol, Bisacodyl und Senna plädieren die Autoren für einen Verzicht am Morgen des Eingriffs – nicht zuletzt, um eine Defäkation im Operationssaal zu verhindern.

Abspecken oder operieren

Die Einnahme von Orlistat sollte am OP-Morgen pausieren, denn der Lipasehemmer wirkt nur im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme. Auch die tägliche Injektion des GLP1-Rezeptoragonisten Liraglutid kann bis zum Vortag der Intervention fortgeführt werden. Bei einem erhöhten Risiko für Nausea, Erbrechen und intestinale Dysfunktion (z.B. Bauchchirurgie) ist eine 24-stündige Unterbrechung zu erwägen.

Für TNF-α-Blocker ist die Datenlage widersprüchlich

Eine immunmodulatorische Therapie zur Prävention einer Transplantatabstoßung muss ohne Pause fortgesetzt werden, so die Autoren. Bei anderen Indikationen sollte individuell in Abhängigkeit vom Patienten und der Art der OP entschieden werden. Eine Behandlung mit Methotrexat oder Purinanaloga, z.B. wegen CED, sollte nicht unterbrochen werden. Denn bisher gibt es keine Hinweise auf vermehrte perioperative Komplikationen. Für TNF-α-Blocker ist die Datenlage widersprüchlich. Die meisten Arbeiten deuten darauf hin, dass postoperative Komplikationen nur in Kombination mit anderen Immunmodulatoren vermehrt auftreten. Eine aktuelle Studie ermittelte keine erhöhte Infektionsgefahr unter fortgesetzter Therapie. Solange deren Ergebnisse noch nicht publiziert sind, raten die Autoren jedoch zu einer präoperativen Pause von mindes­tens einem Dosisintervall. Das bedeutet: Wenn der TNF-Inhibitor alle vier Wochen appliziert wird, kann der Eingriff fünf Wochen nach der letzten Dosis durchgeführt werden. Therapierefraktäre CED-Patienten können mit den Antikörpern Ustekinumab, Vedolizumab und Natalizumab behandelt werden. Auch bei ihnen ist i.d.R. ein Abstand von mindestens einem Dosisintervall einzuhalten. Vor nicht-gastro­intestinalen Operationen kann eine Behandlung mit Vedolizumab eventuell auch ohne Unterbrechung fortgeführt werden. Der Januskinase-­Hemmer Tofacitinib muss sieben Tage von dem Eingriff abgesetzt ­werden.

Quelle: Pfeifer KJ et al. Mayo Clin Proc 2021; DOI: 10.1016/j.mayocp.2021.08.008

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Wer regelmäßig Medikamente nimmt, sollte sich vor einer OP erkundigen, ob es manche davon vorübergehend zu pausieren gilt. Wer regelmäßig Medikamente nimmt, sollte sich vor einer OP erkundigen, ob es manche davon vorübergehend zu pausieren gilt. © iStock/Lightspruch