Ketoazidose vermeiden: SGLT2-Inhibitoren vor Koloskopie absetzen

Dr. Judith Lorenz

Wenn Patienten ihre Ketonspiegel messen, könnten sie die SGLT2i bis zum Tag der Koloskopie nehmen. Wenn Patienten ihre Ketonspiegel messen, könnten sie die SGLT2i bis zum Tag der Koloskopie nehmen. © iStock/romaset

Menschen mit Typ-2-Diabetes, die mit Inhibitoren des Natrium-Glukose-Kotransporters 2 (SGLT2i) behandelt werden, sollten diese vor einer Darmspiegelung absetzen. Denn aufgrund der periprozeduralen metabolischen Besonderheiten kann es auch bei unauffälligen Blutzuckerwerten zu einer schweren Stoffwechselentgleisung kommen.

SGLT2i senken den Blutzucker effektiv und schützen vor kardiovaskulären sowie nephropathischen Komplikationen. Allerdings können sie in seltenen Fällen zu diabetischen Ketoazidosen führen, die mit erhöhten Blutzuckerwerten einhergehen oder sich als euglykämische diabetische Ketoazidose (EDKA) manifestieren (Glukosekonzentration maximal 250 mg/dl). Als Auslöser gelten Fastenperioden, Diätumstellungen, akute Erkrankungen, chirurgischer Stress, Insulinmangel sowie ein inadäquates periinterventionelles Medikationsmanagement.

Insbesondere eine Darmspiegelung scheint eine EDKA zu begünstigen, berichtet die australische Wissenschaftlerin Dr. Emily J. Meyer vom Queen Elizabeth Hospital im aus­tralischen Adelaide. Gemeinsam mit ihrem Team schildert sie die Fälle von acht Menschen mit Typ-2-Dia­betes zwischen 45 und 75 Jahren, die im Rahmen einer Koloskopie eine EDKA entwickelt hatten. Alle Patienten erhielten einen SGLT2i (Dapagliflozin bzw. Empagliflozin) sowie Metformin und weitere Antidiabetika inklusive Insulin. Sieben Patienten hatten den SGLT2i bis zum Tag vor der Darmspiegelung angewendet, einer hatte das Präparat sogar noch am Morgen des Eingriffs eingenommen.

EDKA-Manifestation meist vor dem Eingriff

Bei einem Patienten beobachteten die Forscher eine leichte, bei zweien eine schwere EDKA. In zwei Fällen verlief die Stoffwechselentgleisung asymptomatisch. Bei sieben Patienten fiel die EDKA noch vor dem Eingriff auf: In drei dieser Fälle konnte die Koloskopie dennoch durchgeführt werden, in den übrigen vier musste sie verschoben werden. Bei einem Patienten wurde die Ketoazidose erst nach der Intervention entdeckt. Zur EDKA-Therapie erhielten alle Patienten oral Kohlenhydrate, fünf erhielten Insulin plus Glukose intravenös und zwei Insulin subkutan. Alle erholten sich von der Komplikation, in vier Fällen konnte anschließend die SGLT2i-Therapie fortgesetzt werden.

Tipps für die Praxis

Die Autoren empfehlen folgendes Vorgehen: SGLT2i sollten mindestens zwei Tage vor einer Koloskopie abgesetzt werden, bei komplexen Hochrisikokonstellationen gegebenenfalls bereits vor Beginn der Diätumstellung. Während der Abführmaßnahmen sollten die Patienten ausreichend Flüssigkeit und Energie zu sich nehmen. Ein früher Eingriffstermin vermeidet längere Nüchternperioden. Patienten, die ihren SGLT2i nicht rechtzeitig abgesetzt haben oder verdächtige Symptome aufweisen, sollten eine Ketonbestimmung aus Kapillarblut sowie gegebenenfalls eine Blutgasanalyse erhalten, um eine Ketoazidose von einer ungefährlichen Ketose abzugrenzen. Bei einer Azidose muss eine intravenöse Insulin/Glukose-Therapie eingeleitet und der Eingriff gegebenenfalls verschoben werden. Patienten ohne Azidose benötigen ein diabetologisches Konsil, können den endoskopischen Eingriff aber absolvieren. Als alternative Strategie zur Vermeidung von Hyperglykämien schlagen die Forscher vor, die SGLT2i-Behandlung bis zum Tag der Darmvorbereitung fortzusetzen, sofern der Patient in der Lage ist, seinen Ketonspiegel regelmäßig selbst zu messen.

Unabhängig von Alter, Diabetesdauer, glykämischer Kontrolle und weiteren Diabetestherapien muss bei der Therapie mit SGLT2i im Rahmen einer Koloskopie mit einer EDKA gerechnet werden, sofern die Medikation nicht rechtzeitig abgesetzt wird, so die Autoren. Ihrer Einschätzung nach löst nicht der Eingriff selbst, sondern die vorangegangene Darmvorbereitung – vermutlich infolge von Flüssigkeits- und Elektrolytverschiebungen – die Stoffwechselentgleisung aus. Auch Diätumstellung und längere Nahrungskarenz tragen vermutlich dazu bei.

Quelle: Meyer EJ et al. Diabetes Care 2020; 43: e181-e184; DOI: 10.2337/dc20-1244

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