Ketoazidosen bei Typ-1-Diabetes verhindern

Dr. Elke Ruchalla

Beim Typ-1-Diabetes gibt es einige Risikofaktoren, auf die es zu achten gilt, um eine Ketoazidose zu verhindern. Beim Typ-1-Diabetes gibt es einige Risikofaktoren, auf die es zu achten gilt, um eine Ketoazidose zu verhindern. © iStock/Tycson1

Die diabetische Ketoazidose kann tödlich­ enden. Um sie zu verhindern, muss man die Risikofaktoren kennen und wissen, auf welche man Einfluss nehmen kann und auf welche nicht. Manche hat man mit einer Diabetestherapie vielleicht zusätzlich geschaffen.

Ein gründlicher Blick in die Literatur lässt erahnen, bei welchen Typ-1-Diabetikern eine Keto­azidose eher auftritt. Das Team um den Psychologen Dr. Dominic Ehrmann vom Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim hat eine Reihe von beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Faktoren ermittelt. Zu Letzteren gehören­:

  • Geschlecht – Mädchen sind häufiger betroffen, bei Erwachsenen scheint sich das Risiko beider Geschlechter wieder anzugleichen.
  • Alter – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis etwa 25 Jahre machen einen überproportional hohen Anteil der Betroffenen aus.
  • Schwangerschaft – vor allem die Ketoazidose-Diagnose gestaltet sich schwierig, denn Übelkeit und Erbrechen führt man bei Schwangeren nicht unbedingt auf einen entgleisten Diabetes zurück.
  • schlechte soziale/wirtschaftliche Verhältnisse – je nachteiliger sie sind, desto öfter kommt es zur Ketoazidose. Bei ethnischen Minderheiten treten Azidosen ebenfalls häufiger auf, wobei sich beide Faktoren oft nur schlecht voneinander abgrenzen lassen.

Da man diese Punkte nicht ändern kann, sollte man sie im Hinterkopf behalten und bei auffälligen Symptomen in diesem Personenkreis verstärkt auf die Anzeichen der Ketoazidose achten, wie Übelkeit, Erbrechen, Polyurie und exzessiven Durst. Einfluss nehmen lässt sich derweil auf:

  • schlecht eingestellten Diabetes: Hyperglykämien, vorherige Ketoazidosen sowie höhere HbA1c-Werte steigern die Gefahr, dass eine Ketoazidose auftritt, und zwar in allen Altersgruppen.
  • Therapie mit SGLT*-Hemmern (s. Kasten)
  • psychiatrische Begleiterkrankungen, vor allem Depressionen, Schizophrenien und Essstörungen. Patienten sollte man daher auf subklinische Anzeichen solcher Krankheiten screenen.
  • Ereignisse, durch die der gesamte Körper aus dem Takt gerät: Infektionen, Operationen, Unfälle oder einfach eine Dehydrierung. Auch Zusatzdiagnosen wie diabetische Nephropathie oder Epilepsie bringen Fachleute mit der metabolischen Entgleisung in Zusammenhang. Möglicherweise spielen auch Checkpoint-Inhibitoren, wie Ipilimumab oder Nivolumab, eine Rolle. Erhält der Patient eine solche Therapie, sollte man den Diabetes besonders engmaschig überwachen bzw. die Insulindosis entsprechend anpassen.
  • „Drogen“ im weitesten Sinne: Bei starkem Alkoholkonsum scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen. Bei Kokain und Cannabis dagegen sind sich die Experten einig, die Azidosegefahr steigt darunter deutlich.
  • Diabetes-Betreuung in wenig erfahrenen Zentren oder zu lange Intervalle zwischen Kontrollterminen, vor allem wenn eine Insulinpumpe im Einsatz ist.

Ein Problem gegen ein anderes eingetauscht

SGLT*-Inhibitoren sind zur begleitenden Therapie des Typ-1-Diabetes zugelassen. Sie senken neben dem HbA1c auch das Körpergewicht, erhöhten allerdings in klinischen Studien auch die Gefahr einer Ketoazidose. Je nach Substanz und Dosis stieg das Risiko auf mehr als das Vierfache. Im wirklichen Leben könnte es noch höher liegen, warnen die Autoren. Untersucht wurden u.a.:
  • Sotagliflozin
  • Dapagliflozin
  • Empagliflozin
Wegen der metabolischen Vorteile sollte man die Substanzen aber nicht gleich abschreiben, sondern Patienten entsprechend über Symptome aufklären. Da die Hyperglykämie wegen der verstärkten Zuckerausscheidung oft fehlt oder nur gering ausfällt, ist es ratsam, dass Betroffene bei entsprechendem Verdacht direkt einen Ketontest machen.

Optimalerweise kann man mehrere Faktoren mit einer Intervention positiv beeinflussen, schreiben die Autoren, das Zauberwort heißt „ausführliches strukturiertes Diabetes-Schulungsprogramm“. In einem solchen lassen sich auch Probleme berücksichtigen, die mit nicht-modifizierbaren Risikofaktoren in Verbindung stehen, da Inhalte spezifisch auf bestimmte Gruppen ausgerichtet werden können. Etwa, wenn sich Teenager in der Pubertät zunehmend von zu Hause abnabeln wollen und nach mehr Freiheiten verlangen. Vor allem bei Mädchen steht zusätzlich der Faktor Körperwahrnehmung oft im Vordergrund, weswegen sie Insulin-Injektionen auch mal absichtlich weglassen. Auch telemedizinische Ansätze haben in diesem Bereich einen Platz, sei es nun über die App auf dem Smartphone oder eine 24h-Notfallhotline, die Patienten bei Auftreten von ketoazidosetypischen Symptomen anrufen können. In manchen Fällen ist allerdings ein intensiverer interdisziplinärer Ansatz angesagt. Das kann die individuelle Betreuung, z.B. durch einen spezialisierten Pädiater oder Coach, ebenso sein wie eine systemische Psychotherapie, die die gesamte Familie mit einbezieht.

* Sodium-dependent Glucose Transporter

Quelle: Ehrmann D et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8: 436-446; DOI: 10.1016/S2213-8587(20)30042-5

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Beim Typ-1-Diabetes gibt es einige Risikofaktoren, auf die es zu achten gilt, um eine Ketoazidose zu verhindern. Beim Typ-1-Diabetes gibt es einige Risikofaktoren, auf die es zu achten gilt, um eine Ketoazidose zu verhindern. © iStock/Tycson1