Gefährliche Stoffwechselentgleisungen durch SGLT2-Inhibitoren

Dr. Andrea Wülker

Am besten sollte gleichzeitig Insulin und Glukose gegeben werden, bis der Blutzucker leicht erhöht ist. Am besten sollte gleichzeitig Insulin und Glukose gegeben werden, bis der Blutzucker leicht erhöht ist. © nobeastsofierce – stock.adobe.com

Gliflozine bewirken viel Gutes, haben aber auch eine Schattenseite. Denn sie können potenziell lebensbedrohliche euglykäme Ketoazidosen auslösen.

Gliflozine wie Empagliflozin oder Dapagliflozin machen seit einiger Zeit eine steile Karriere in der Behandlung des Typ-2-Diabetes. Und nicht nur dort: Unabhängig von ihrer antidiabetischen Wirkung zeigten sie in Phase-3-Studien bei herz- und niereninsuffizienten Patienten überzeugende Effekte auf kardiovaskuläre Endpunkte. Somit finden die SGLT2*-Inhibitoren auch in der Kardiologie und Nephrologie zunehmend Beachtung, die Verordnungen dieser Sub­stanzgruppe steigen rasant an.

Gliflozine blockieren im proximalen Nierentubulus den natriumabhängigen Glukosetransporter SGLT2 und bewirken dadurch eine Glukosurie und Natriurese. Zudem induzieren sie eine hungerähnliche Ketogenese, wie Dr. ­Daniela Kampmeyer und Privatdozent Dr. Friedhelm Sayk von der Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein schreiben­.

Unter katabolen Bedingungen (s. Kasten) kann die Ketogenese in seltenen Fällen zu einer lebensbedrohlichen euglykämen Ketoazidose entgleisen. Die pathogenetischen Details dieser Komplikation sind nicht vollständig geklärt, doch Experten vermuten, dass eine vermehrte Rückresorption von Ketonkörpern aus dem Primärharn sowie eine erhöhte Glukagonausschüttung zu der deletären Stoffwechselentgleisung beitragen. 

Risikofaktoren für eine ­euglykäme Ketoazidose

Heikel sind Situationen, in denen die Kohlenhydratzufuhr vermindert ist:
  • kritische Erkrankungen mit ­Unterbrechung der Nahrungsaufnahme
  • größere Operationen, v.a. ­bariatrische Eingriffe
  • Koloskopie-Vorbereitung
  • ketogene Diäten (z.B. „Low Carb“)
Die Autoren empfehlen, SGLT2-Inhibitoren bei akuter Erkrankung und vor Operationen vorübergehend abzusetzen.

Klinisch ähnelt die euglykäme Ketoazidose der diabetischen Ketoazidose bei Typ-1-Diabetes: Betroffene Patienten klagen über Poly­urie, Polydipsie, Bauchschmerzen und Übelkeit. Hinzu kommen eine Kußmaul-Atmung mit typischem Acetongeruch sowie Bewusstseinstrübungen. Allerdings sind die Blutzuckerspiegel bei euglykämer Keto­azidose normal bis diskret erhöht und der Ketonnachweis im Urin kann falsch-negativ ausfallen, was dia­gnostisch fehlleiten kann. Die Autoren empfehlen, auch bei Euglyk­ämie und fehlender Ketonurie, aber stark ausgeprägter Glukosurie und der oben beschriebenen klinischen Symptomatik unbedingt an die Möglichkeit einer euglykämen Ketoazidose unter SGLT2-Hemmung zu denken. Die Therapie dieser Stoffwechsel­entgleisung besteht in der sofortigen Unterbrechung der Gliflozingabe. Der Blutzuckerspiegel sollte durch gleichzeitige Insulin- und Glukoseapplikation zunächst auf leicht erhöhten Werten gehalten werden, um die Bildung von Ketonkörpern zu bremsen; dabei müssen die Kaliumwerte überwacht werden. Zur Rehydratisierung eignen sich balancierte kristalloide Infusionen.

* sodium-glucose linked transporter 2

Quelle: Kampmeyer D, Sayk F. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 1265-1269; DOI: 10.1055/a-1332-3750

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