Mit der zweiten TKI-Generation zu mehr Therapiefreiheit

DGHO 2021 Dr. Miriam Sonnet

Der Referent plädierte dafür, immer die Patientenperspektive mit einzubeziehen. Der Referent plädierte dafür, immer die Patientenperspektive mit einzubeziehen. © iStock/Md Ariful Islam

Mit Nilotinib, Dasatinib oder Bosutinib in der Erstlinie hält ein Experte TFR-Raten von mehr als 40 % für denkbar. Trotzdem müssten die meisten CML-Patienten ihr Leben lang Medikamente nehmen. Deshalb bleibe das Toxizitätsmanagement zentral.

Die meisten Patienten mit neu diagnostizierter chronischer myeloischer Leukämie haben die Aussicht auf eine normale Lebenserwartung. Ein Ziel sei es, so vielen Erkrankten wie möglich die Perspektive auf eine therapiefreie Remission (TFR) zu bieten, sagte Professor Dr. Tim Henrik Brümmendorf vom Universitätsklinikum Aachen.

Kriterien für das Absetzen der Tyrosinkinase-Inhibitoren außerhalb von klinischen Studien hätten Kollegen um Professor Dr. Jorge Cortes 2019 in eine Ampelstrategie integriert, erinnerte der Referent. Demzufolge sei ein Einnahmestopp möglich, wenn Betroffene

  • mehr als acht Jahre lang mit TKI behandelt wurden,
  • mehr als zwei Jahre lang eine molekulare Remission (MR) von 4,5 aufwiesen,
  • sich stets in der chronischen Phase befanden und
  • das Ansprechen auf einen Erst­linien-TKI immer optimal war.

Allerdings schränkte Prof. Brümmendorf ein: „Man kann sicherlich infrage stellen, ob es zwingend immer über acht Jahre Therapie oder eine MR von 4,5 sein müssen.“ Auch eine Akzeleration ist seiner Ansicht nach kein absolutes Ausschlusskriterium für einen Absetzversuch – beispielsweise, wenn sie zum Zeitpunkt der Diagnose durch mindestens 20 % Basophile definiert wurde. Geprüft sei dies nicht in Studien, man könne es aber zumindest hinterfragen. Die Kriterien des European LeukemiaNet geben eine Schwelle von fünf Jahren als Mindesttherapiezeit an und differenzieren die vorausgesetzte Dauer der Remission nach deren Tiefe.

TFR-Rate könnte auf bis zu 45 % gesteigert werden

Den Anteil der CML-Patienten, die eine stabile TFR erreichen können, bezifferte eine Studie mit Imatinib auf 12 %.1 Der Wert ließe sich womöglich verbessern, wenn TKI der zweiten Generation schon in der ersten Linie eingesetzt würden, kommentierte Prof. Brümmendorf. Studien mit Nilotinib, Dasatinib und ganz aktuell Bosutinib deuten darauf hin, dass mehr Teilnehmer eine tiefe Remission (MR 4,5) erreichen als solche, die Imatinib erhalten hatten. Eine japanische Studie habe für Nilotinib und Dasatinib eine ähnlich gute Wirksamkeit ergeben.2

Basierend auf der aktuellen Datenlage könnten mit Imatinib bzw. Zweitgenerations-TKI TFR-Raten von 20 % bzw. 25 % erreicht werden, so der Referent. Womöglich ließen sich diese Zahlen noch auf etwa 25–30 % bzw. 40–45 % verbessern, schätzte Prof. Brümmendorf. Denn mittlerweile habe man bessere Erfahrungen im Umgang mit TKI und setze die Substanzen vor dem Absetzen länger als fünf Jahre ein. „Das bedeutet umgekehrt, dass die Mehrzahl der Patienten mit neu diagnostizierter CML trotzdem lebenslang die Medikamente einnehmen“, betonte der Referent.

BMI beeinflusst die Nebenwirkungen

Besonders wichtig sei daher die Verträglichkeit der TKI, wobei Toxizitäten von Störfaktoren beeinflusst werden können. Einer davon sei der BMI: So neigen Erkrankte mit hohem BMI zu mehr Lebertoxizitäten und Fatigue als Personen mit Normalgewicht. Dies trifft aber nicht auf alle Nebenwirkungen zu – die Ausnahme bilden beispielsweise hämatologische Toxizitäten, die bei Menschen mit niedrigem Gewicht ausgeprägter ausfallen. Zudem sei der Effekt vom verwendeten TKI abhängig. Auch gelte es zu beachten, dass sich die Kinetik der Nebenwirkungen zwischen verschiedenen Substanzen unterscheidet.

Der Referent plädierte zum Schluss dafür, immer die Patientenperspektive mit einzubeziehen. Denn viele Betroffene wünschten sich einen Therapiestopp gar nicht so sehr aus den Gründen, die Ärzte primär vor Augen hätten – wie bleibende Leberschäden. Stattdessen seien es oft die chronischen Symptome wie Fatigue, Muskelschmerzen oder Hautirritationen, die sie am meisten belasten.

Quellen:
1. Holyoake TL et al. Blood 2017; 129: 1595-1606; DOI: 10.1182/blood-2016-09-696013
2. Matsumura I et al. ASH Annual Meeting 2020; Abstract 45

Brümmendorf TH et al. DGHO-Jahrestagung 2021; Wissenschaftliches Symposium: CML – Neue klinische Daten
DGHO-Jahrestagung 2021

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Der Referent plädierte dafür, immer die Patientenperspektive mit einzubeziehen. Der Referent plädierte dafür, immer die Patientenperspektive mit einzubeziehen. © iStock/Md Ariful Islam