Mit Inkretinmimetika gegen Alzheimer und Parkinson

Manuela Arand

In insulinresis­tenten Arealen häufen sich Amyloid­ablagerungen. In insulinresis­tenten Arealen häufen sich Amyloid­ablagerungen. © Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com

Insulin wirkt auf vielfältige Weise auch im Hirn. Dia­betes, Insulinmangel und -resistenz beeinträchtigen Kognition und Motorik. Forscher hoffen, mit Inkretinmimetika gegensteuern zu können, vielleicht sogar bei Alzheimer und Parkinson.

Insulin entfaltet seine zentralnervöse Wirkung primär am limbischen System, erklärte Professor Dr. ­Hubert Preißl, Institut für Dia­betesforschung und metabolische Erkrankungen (IDM), Universität Tübingen. Dadurch steigert es Gedächtnis und Stimmung, verbessert periphere Insulinsensitivität und postprandiale Thermogenese, reduziert Nahrungsaufnahme, Glukoneogenese und Lipolyse.

Zusammenhang der Insulin­resistenz mit Alzheimer

Mit intranasal appliziertem Insulin lässt sich die Antwort des für emotionale Bewertung und Impulskontrolle zuständigen präfrontalen Kortex auf Nahrungsmittelreize deutlich senken. Funktionale MRT-Untersuchungen ergaben Überlappungen zwischen Hirnarealen mit Insulinresistenz und Zonen, in denen sich bei der Alzheimerdemenz bevorzugt Amyloid ablagert.

Insulin wirkt in allen Geweben als Wachstumsfaktor, auch im Gehirn, gab Professor Dr. Christian ­Hölscher, Henan University of Chinese Medicine, Zhengzhou, zu bedenken. Es schützt Neuronen vor oxidativem Stress, fördert zelluläre Reparaturmechanismen, Dendritenwachstum und Neurogenese, inhibiert Apoptose. Naturgemäß werden untergegangene Neuronen im erwachsenen Gehirn jedoch nicht mehr ersetzt, sodass Schäden über die Zeit akkumulieren.

Weniger Amyloidablagerungen durch Antidiabetika

Zurzeit richtet sich die Hoffnung darauf, mit GLP1-Rezeptoragonisten die Insulinwirkung im ZNS verstärken zu können. Prof. Hölschers Arbeitsgruppe hat in ersten Versuchen am transgenen Mausmodell der Alzheimerkrankheit zeigen können, dass mit Lixisenatid oder Liraglutid behandelte Tiere Objekterkennungsaufgaben besser bewältigten und weniger Amyloid im Hirn ablagerten als Artgenossen, die nur Kochsalzlösung erhalten hatten. Auch die Zahl aktivierter Mikrogliazellen im Hirn nahm ab, ein Zeichen für den Rückgang der Inflammation. Vergleichbare Resultate erzielten die Forscher mit einem Mausmodell der Parkinsonkrankheit, wobei sich hier auch die Motorik verbesserte.

Schon vor fünf Jahren ist eine offene Pilotstudie am University College London mit Exenatid bei 45 Patienten mit Morbus Parkinson – alle mit L-Dopa behandelt – erfolgreich abgeschlossen worden. Nicht nur dass die motorischen und kognitiven Symptome während der einjährigen Studienlaufzeit deutlich zurückgingen, der Effekt hielt auch im Jahr nach der Studie an, als die Patienten keinen GLP1-Rezeptoragonisten mehr bekamen. Die Wirkung auf die Kognition war sogar noch eindrucksvoller als die auf die Motorik, betonte Prof. Hölscher.

Die Penetranz durch die Bluthirnschranke verbessern

Kritiker monierten zwar die fehlende Placebokontrolle, aber das ist inzwischen in einer zweiten Studie nachgeholt worden (62 Teilnehmer, sieben Monate Therapie plus drei Monate Follow-up). „Das ist nicht nur ein symptomatischer Effekt wie bei L-Dopa, GLP1-Analoga wirken neuroprotektiv“, betonte der Neurowissenschaftler. Weitere Studien mit anderen GLP1-Rezeptoragonisten laufen.

Ein Knackpunkt ist, die Penetranz durch die Bluthirnschranke zu verbessern. Das versucht Prof. Hölscher gerade mit einem von ihm entwickelten dualen Inkretinmimetikum, das als GLP1- und GIP-Analogon wirkt und zurzeit unter dem Kürzel DA5-CH firmiert. DA5-CH gelangt tatsächlich besonders effektiv ins Gehirn und zeigte im Parkinsonmodell ausgeprägte neuroprotektive und symptombessernde Wirkung. Phase-1-Studien beginnen in Kürze, Phase-2-Studien sind bereits in Planung. Einen weiteren dualen Agonisten, DA4-JC, will Prof. Hölscher für die Therapie der Alzheimer­demenz weiterentwickeln.

Kongressbericht: EASD 2019

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


In insulinresis­tenten Arealen häufen sich Amyloid­ablagerungen. In insulinresis­tenten Arealen häufen sich Amyloid­ablagerungen. © Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com