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Neue Leitlinie zur Trigeminusneuralgie: 3T-MRT bleibt diagnostischer Goldstandard

Zunächst definierte die Leitliniengruppe – 13 Experten aus sieben Ländern und ein Patientenvertreter – zehn Kernfragen, berichtete Erstautor Professor Dr. Lars Bendtsen, Rigshospitalet-Glostrup der Universität Kopenhagen. Wo die Literatur Evidenz lieferte, wurde sie verwertet, wo nicht, gab die Gruppe die Antwort anhand dessen, was sie als „gute klinische Praxis“ ansah.
Welche klinischen Charakteristika eignen sich, Patienten mit sekundärer Trigeminusneuralgie (TN) sicher zu identifizieren?
Die sekundäre TN ist meist Folge einer Multiplen Sklerose – dann oft bilateral präsent – oder eines Tumors, erklärte Prof. Bendtsen. Die Patienten sind im Schnitt signifikant jünger und haben häufiger sensorische Ausfälle im Trigeminusgebiet. Aber diese Parameter bieten wie auch die übrige Klinik nicht genug Trennschärfe, um eine sekundäre TN zu diagnostizieren oder auszuschließen. Deshalb gehören alle TN-Patienten ins MRT.
Welche Labortests sind notwendig?
Um es kurz zu sagen: keine. Die Trigeminusneuralgie ist per se eine klinische Diagnose, die anhand der charakteristischen schweren kurzen Schmerzattacken („wie ein Stromschlag“) zu stellen ist. Das Labor hilft nicht weiter. Ist kein MRT möglich, helfen die Trigeminusreflexe zwischen primärer und sekundärer TN zu differenzieren. Evozierte Potenziale decken afferente Trigeminusschäden bei neuropathischen Gesichtsschmerzen auf.
Welche Rolle spielen neurovaskuläre Kompressionsphänomene (NVC) bei primärer Trigeminusneuralgie?
Eine schwierig zu beantwortende Frage, da NVC eine häufige Variante der normalen Neuroanatomie darstellen. Ohne morphologische Veränderungen am Nerv haben sie nicht unbedingt Krankheitswert. Der Nachweis ist also nicht gleichzusetzen mit der Bestätigung einer TN, sondern dient primär dazu, zu entscheiden, ob und wann der Patient zur mikrochirurgischen vaskulären Dekompression vorgestellt wird.
Welche Bildgebung ist angezeigt?
Goldstandard für den Nachweis der NVC ist das hochauflösende 3T-MRT, am besten in drei 3D-Sequenzen – T2-gewichtet, Time-of-flight (TOF) und T1-gewichtet mit Gadolinium. Der Neuroradiologe sollte die Bilder auswerten, ohne dass er weiß, auf welcher Seite der Schmerz lokalisiert ist. „Das machen wir ja sonst nicht, aber mit der Verblindung vermeiden wir den Bias“, erklärte Prof. Bendtsen. In den Befund gehört auch hinein, ob die NVC morphologische Veränderungen im Sinne einer Atrophie oder Kompression verursacht hat.
Wie sind akute Exazerbationen zu managen?
Opioide bringen in der Regel nichts. Um den Akutschmerz in den Griff zu bekommen, kann die intravenöse Gabe von Fosphenytoin und Lidocain erforderlich sein, das aber unter stationären Bedingungen, um die Herzfunktion zu monitoren. Wichtig ist, die Gelegenheit zu nutzen, die Antikonvulsiva ordentlich aufzutitrieren – TN-Patienten brauchen oft hohe Dosen.
Welche Pharmaka haben langfristig Wirksamkeit gezeigt?
Bei der Langzeittherapie gibt es wenig Neues. Erste Wahl bleiben Carbamazepin und Oxcarbazepin, ergänzt oder ersetzt ggf. durch Lamotrigin, Pregabalin oder Gabapentin. Wichtig: Die Medikation sollte immer wieder überprüft und angepasst werden. „Lassen Sie Patienten nicht einfach auf Hochdosis-Antikonvulsiva, denken Sie an die Nebenwirkungen!“, betonte Prof. Bendtsen.
Eine neue Option ist Botulinumtoxin, das in mehreren kleinen Studien erfolgreich erprobt wurde. Es sollte aber ausgewählten Patienten vorbehalten bleiben, bis größere Studien die optimale Anwendung geklärt haben.
Ein neuer, sehr spezifischer Natriumkanalblocker (CNV1014802) – das erste gezielt für die TN entwickelte Medikament – geht gerade in Phase III der klinischen Prüfung. Erste Resultate deuten an, dass er deutlich nebenwirkungsärmer sein wird als die bisher eingesetzten Pharmaka.
Wann sollte man eine operative Therapie anbieten?
Wichtig ist, die Patienten früh über die Möglichkeit der operativen Therapie zu informieren. Doch zunächst sollte konservativ therapiert und die neurochirurgischen Optionen sollten erst erwogen werden, wenn die Schmerzen so nicht unter Kontrolle zu bringen sind.
Welche chirurgische Technik bietet die besten Langzeitergebnisse bei geringstmöglicher Komplikationsrate?
Bevorzugte Technik bei klassischer Trigeminusneuralgie ist die mikrochirurgische Dekompression vor den neuroablativen Verfahren. Zeigt das MRT keinen neurovaskulären Kontakt, bringen Gammaknife, Thermokoagulation & Co. bessere Resultate.
Wie ist die sekundäre Trigeminusneuralgie zu managen?
Obwohl Patienten mit sekundärer TN auf die Pharmakotherapie schlechter ansprechen als diejenigen mit primärer TN, folgt die Behandlung denselben Strategien. Chirurgisch kommen die Verödung des Ganglion Gasseri oder die Dekompression infrage.
Welche weitere Unterstützung kann man Patienten mit TN anbieten?
Die Evidenz zu dieser Frage beläuft sich auf null. Zu empfehlen sind psychologische Unterstützung und Betreuung durch qualifizierte Helfer. Wo immer es Selbsthilfegruppen gibt, sollte man die Patienten darauf hinweisen. „Diese Gruppen leisten extrem wertvolle Arbeit“, so Prof, Bendtsen.
Quelle:
Bendtsen L et al. Eur J Neurol 2019; 26: 831-849; DOI: 10.1111/ene.13950
Kongressbericht: 5th Congress of the European Academy of Neurology
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