Trigeminusneuralgie – Mikrovaskuläre Dekompression kann „Selbstmordkrankheit“ heilen

Dr. Judith Lorenz

Links ist der durch ein Gefäß komprimierte Trigeminusnerv zu erkennen, in der Mitte wird das Gefäß durch einen Dissektor abgehalten, rechts sieht man das Teflonpolster zwischen Nerv und Gefäß. Links ist der durch ein Gefäß komprimierte Trigeminusnerv zu erkennen, in der Mitte wird das Gefäß durch einen Dissektor abgehalten, rechts sieht man das Teflonpolster zwischen Nerv und Gefäß. © Hamburger Ärzteverlag

„Selbstmordkrankheit“ – dieser Name sagt alles. Patienten mit Trigeminusneuralgie leiden an unerträglichen Schmerzen. Aber es gibt Hoffnung für die Betroffenen: Medikamente und chirurgische Eingriffe können die Lebensqualität zurückbringen.

Für die typische Trigeminusneur­algie ist der einseitige, blitzartig einschießende Schmerz im Versorgungsgebiet eines oder mehrerer Trigeminusäste charakteristisch, erklärt Professor Dr. Uwe Kehler von der Abteilung für Neurochir­urgie der Asklepios Klinik Altona, Hamburg. Die wenige Sekunden anhaltenden Attacken können in Serie auftreten und lassen sich durch Berührungen, Kauen oder Sprechen triggern. Außer einer gelegentlichen Hypästhesie im Versorgungsgebiet des betroffenen Nervenasts treten keine weiteren neurologischen Symptome auf.

Bluthochdruck ist ein Risikofaktor

Pathophysiologisch liegt der Erkrankung eine Druckschädigung des Trigeminusnerven durch ein Gefäß – meist die A. cerebelli superior – im Kleinhirnbrückenwinkel zugrunde. In Folge einer Atrophie der Myelinscheiden verlieren die Nervenfasern ihre Isolierung, sodass Berührungsreize auf die schmerzleitenden Fasern überspringen können. Üblicherweise tritt die Trigeminusneuralgie erst ab der vierten Lebensdekade auf. Ein langjähriger arterieller Hypertonus ist ein Risikofaktor.

Die Diagnose kann mittels sorgfältiger Schmerzanamnese gestellt werden. Eine Magnetresonanztomographie liefert zusätzlich den Nachweis des Gefäß-Nerv-Konflikts und ist in differenzialdiagnostischer Hinsicht von Bedeutung: Raumforderungen im Kleinhirnbrückenwinkel sowie entzündliche und demye­linisierende Erkrankungen lassen sich auf diese Weise ausschließen.

Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der Schmerzen ist Carbamazepin. Alternativ können Oxcarbazepin, Lamotrigin, Gabapentin, Pregabalin oder Phenytoin verordnet werden. Nach initial meist gutem Ansprechen stellt sich jedoch im weiteren Verlauf bei vielen Patienten eine Therapieresistenz ein. Auch starke Nebenwirkungen sowie Interaktionen mit anderen Medikamenten können den Einsatz der Antikonvulsiva limitieren. In diesem Fall, so Prof. Kehler, sind invasive Maßnahmen indiziert.

Die mikrovaskuläre Dekompression nach Jannetta stellt dabei die einzige kausale Behandlungsmöglichkeit dar. Hierbei wird über eine kleine retroaurikuläre Trepanation der präpontine Trigeminusabschnitt mikrochirurgisch dargestellt und ein Teflonpolster zwischen Nerv und Gefäß eingebracht. 80 % der Patienten sind nach dem Eingriff vollkommen schmerzfrei, weitere 15 % berichten eine Schmerzlinderung.

Die kontrollierte Thermoläsion des Ganglions Gasseri ist ein destruierendes Verfahren. Ziel ist die selektive Ausschaltung der Schmerzfasern durch eine kurze Hitzeeinwirkung. Hierzu wird eine Thermosonde über einen perkutanen Zugangsweg lateral des Mundwinkels unter Röntgensicht bis zur Trigeminuswurzel vorgeschoben und wiederholt auf 65 bis 70 °C erhitzt. Meist werden jedoch außer den schmerzleitenden auch sensible Nervenfasern zerstört, sodass es nach dem Eingriff häufig zu Gefühlsstörungen kommt.

Verschiedene Verfahren erlauben individuelle Therapie

Bei der stereotaktischen Bestrahlung setzt die Schmerzlinderung oft erst mit Verspätung ein. Aufgrund der unbefriedigenden Behandlungsergebnisse kommt sie lediglich für Patienten mit Kontraindikationen für die beschriebenen Verfahren infrage.

Bei fachgerechter und zügiger Dia- gnosestellung, so das Fazit des Autors, kann Patienten mit typischer Trigeminusneuralgie schnell geholfen werden: Verschiedene medikamentöse und interventionelle Behandlungsmöglichkeiten erlauben eine individuelle Therapie. Sofern es der klinische Zustand des Patienten zulässt, so Prof. Kehler, sollte der mikrovaskulären Dekompression der Vorzug gegeben werden. Denn diese Technik ermöglicht im optimalen Fall eine nachhaltige Heilung der Trigeminusneuralgie ohne Sensibilitätsstörungen. 

Quelle: Kehler U Hamburger Ärztebl 2017; 71: 32-34, © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg

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Links ist der durch ein Gefäß komprimierte Trigeminusnerv zu erkennen, in der Mitte wird das Gefäß durch einen Dissektor abgehalten, rechts sieht man das Teflonpolster zwischen Nerv und Gefäß. Links ist der durch ein Gefäß komprimierte Trigeminusnerv zu erkennen, in der Mitte wird das Gefäß durch einen Dissektor abgehalten, rechts sieht man das Teflonpolster zwischen Nerv und Gefäß. © Hamburger Ärzteverlag
Das MRT zeigt den Gefäß-Nerven-Konflikt am linken Trigeminus in der typischen präpontinen Region (Pfeil), rechts der ungestörte Trigeminus (*). Das MRT zeigt den Gefäß-Nerven-Konflikt am linken Trigeminus in der typischen präpontinen Region (Pfeil), rechts der ungestörte Trigeminus (*). © Hamburger Ärzteverlag