Niedrige Hämoglobinwerte prädisponieren für chemotherapieinduzierte Neuropathien

Ulrike Viegener

Fast ein Viertel der Teilnehmer hatte vor Beginn der Chemotherapie einen zu geringen Hämoglobinwert. Fast ein Viertel der Teilnehmer hatte vor Beginn der Chemotherapie einen zu geringen Hämoglobinwert. © iStock/ustas7777777

Nach einer Chemotherapie leiden Tumorpatienten oft noch über Monate an neuropathischen Beschwerden. Unabhängig von den zuvor verwendeten Zytostatika scheinen eine Reihe individueller Faktoren den Grad der Symptome zu bestimmen – besonders der Hämo­globinwert vor der Behandlung.

Schmerzen in Fingern und Zehen oder ein vermindertes Tastempfinden können das Leben von Patienten nach einer Chemotherapie nachhaltig beeinträchtigen. Solche Neuropathien treten häufig während der Behandlung auf, besonders unter Taxanen und Platinwirkstoffen. Vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung von Tumorpatienten untersuchten australische Wissenschaftler verschiedene Faktoren, die die Schwere der Symptome beeinflussen könnten. In früheren Studien fanden sich Verbindungen u.a. zu Blutparametern, einer vorbestehenden Anämie und metabolischen Erkrankungen wie Adipositas und einem Typ-2-Dia­betes.

Die Forschergruppe um Dr. David­ Mizrahi,­ Prince of Wales Clinical School der University of New South Wales Sydney, wertete Daten von insgesamt 333 Krebspatienten im medianen Alter von 58 Jahren aus. Sie waren mehrheitlich wegen eines Mamma-, Ovarial- oder kolorektalen Karzinoms der Stadien I–IV behandelt worden. Zum Einsatz kam in 228 Fällen Paclitaxel, 105 Personen hatten Oxaliplatin erhalten.

Um die assoziierten Neuropathien zu erfassen, führten die Kollegen drei bis zwölf Monate nach dem letzten Zyklus umfangreiche Untersuchungen durch, darunter Tests zur Feinmotorik und zu sensomotorischen Funktionen der Patienten. Blutproben der Teilnehmer 30 Tage vor der Chemotherapie wurden mit Proben nach der Behandlung verglichen.

BMI, Alter und Geschlecht beeinflussen Symptomschwere

Erwartungsgemäß hatten 238 Patienten (71,5 %) neuropathische Symptome entwickelt, zwei von drei Personen unter Paclitaxel und 88 % im Oxaliplatinarm. Diese traten median acht Monate nach dem letzten Chemozyklus auf. Je knapp ein Drittel der Teilnehmer wies eine Neuropathie vom Schweregrad 1 oder 2 auf (asymptomatisch bzw. geringe Beeinträchtigung), zwölf Personen den Schweregrad 3 (3,7 %; starke Beschwerden).

In beiden Studiengruppen konnten die Wissenschaftler die Schwere der Neuropathie mit den Hämoglobinwerten vor Start der Chemotherapie in Verbindung setzen (β = -0,47). Verglichen mit Teilnehmern, deren Hämoglobin im Referenzbereich lag, zeigten Patienten mit niedrigeren Werten deutlich ausgeprägtere Beschwerden. Darüber hinaus waren zunehmendes Alter, ein höherer BMI (je β = 0,08) sowie weibliches Geschlecht (β = -1,08) signifikant mit einer größeren Sym­ptomschwere assoziiert.

Der Einfluss der einzelnen Parameter fiel in beiden Studienarmen zwar etwa gleich aus. Für vergleichsweise starke oxaliplatininduzierte Neuropathien schien aber auch ein initial höherer Albuminwert zu prädisponieren (β = 1,89). Dass dies unter Paclitaxel nicht der Fall war, könnte laut den Autoren mit den unterschiedlichen neurotoxischen Wirkmechanismen der beiden Zytostatika zusammenhängen.

Quelle: Mizrahi D et al. JAMA Netw Open 2021; 4: e2036695; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.36695

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Fast ein Viertel der Teilnehmer hatte vor Beginn der Chemotherapie einen zu geringen Hämoglobinwert. Fast ein Viertel der Teilnehmer hatte vor Beginn der Chemotherapie einen zu geringen Hämoglobinwert. © iStock/ustas7777777