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Nutzen von Methadon in der Tumortherapie ist fraglich

Vor fünf Jahren postulierte die Ulmer Krebsforscherin Dr. rer. nat. Claudia Friesen aufgrund ihrer Zellkulturdaten, dass Methadon, wenn es an Opioid-Rezeptoren auf der Oberfläche von Krebszellen andockt, das Eindringen von Chemotherapeutika in die Zellen erleichtert. In einem 2017 publizierten Interview äußerte sie die Überzeugung, dass D/L-Methadon praktisch allen Krebspatienten helfen könnte. Vor allem diejenigen, die schlecht auf Standardtherapien ansprechen oder eine sehr ungünstige Prognose aufweisen, profitieren laut Dr. Friesen.
Das Interesse an Methadon gemessen an Google-Suchen nahm dann im Jahr 2017 plötzlich relativ steil zu, nachdem auch noch in einer RTL-Sendung ein Loblied auf diese Therapie gesungen wurde und der Moderator sogar die Frage in den Raum stellte, ob diese Entdeckung nicht nobelpreiswürdig sei.
Viele Wissenschaftler und Mediziner betrachten das Ganze kritisch, darunter Privatdozent Dr. Ulrich Schuler vom Universitäts PalliativCentrum Dresden. Die Datenlage, die einen Nutzen von Methadon in der Tumortherapie über die Analgesie hinaus stützt, sei sehr dünn, so der Onkologe.
Kein signifikanter Überlebensvorteil
In einer US-amerikanischen Fallkontroll-Studie wechselte eine Gruppe von Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen unter Chemotherapie und/oder zielgerichteter oder Strahlentherapie zu Methadon. Die Kontrollgruppe behielt ein anderes Opioid bei. Der Wechsel brachte keinen signifikanten Überlebensvorteil im Verlauf von gut sechs Jahren.
Trotz begründeter Zweifel hat Dr. Schuler Methadon bei einigen seiner Krebspatienten eine Chance gegeben. Die gewonnenen Erfahrungen konnten die Skepsis nicht mindern. Zitat der Ehefrau eines Betroffenen: „Seit er das Zeugs nimmt, liegt er nur noch auf dem Sofa und schläft. Unsere letzten Monate hätte ich mir anders vorgestellt“. Einige Patienten blendeten das Tumorgeschehen unter Einfluss von Methadon auch komplett aus, sodass wichtige Gespräche mit Angehörigen nicht stattfanden. Mehrfach war zu beobachten, dass wichtige Therapieentscheidungen negativ beeinflusst wurden. Und manche Kranke wollten die Methadon-Therapie enttäuscht vom ausbleibenden Erfolg dann sogar in Situationen beenden, in denen sie deren analgetischen Effekt durchaus nötig hatten.
Dr. Schuler riet, daran zu denken, dass Patienten, die auf eine Verschreibung von Methadon pochen, oft nicht selbst die treibende Kraft seien. Manche würden auch von Angehörigen dazu gedrängt und möchten diese nicht durch Ablehnung verletzen. Er hat in solchen Fällen gute Erfahrungen damit gemacht, allen Beteiligten die richtigen Suchbegriffe (fokussiert auf Nebenwirkungen) an die Hand zu geben, mit denen sie im Internet seriöse Informationen bekommen oder auch die Möglichkeit, sich in Chatgruppen anzumelden. Seitdem sei das Verlangen nach Methadon deutlich abgeebbt.
Patientenwille kann aufs juristische Glatteis führen
Eingesetzt werden sollte die Substanz als Antitumormittel derzeit nur im Rahmen von Studien, riet der Referent. Wenn man es als Arzt mit einem Nutzer von Methadon zu tun bekommt, sollte man das Medikament aber niemals schnell absetzen oder umstellen. Es empfiehlt sich dann, das Risiko des Patienten zu evaluieren – mittels EKG (QT-Zeit), Elektrolytbestimmung, Vigilanztest und Medikamenten-Anamnese (Interaktionen). Wird hier eine Gefahr erkennbar, begebe man sich durch eine aktive Weiterverschreibung nur aufgrund des Patientenwillens juristisch aufs Glatteis, warnte Dr. Schuler.
Kongressbericht: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (Online-Veranstaltung)
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