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Phase-3-Studie belegt endogene Faktor-VIII-Bildung und Vermeidung von Blutungen

Die Hämophilie wird ausgelöst durch pathologische Varianten des Gens, das für den Faktor VIII kodiert. Die Prognose der Betroffenen verbesserte sich zwar durch prophylaktische exogene Faktor-VIII-Regime oder Emicizumab, allerdings lassen sich damit Blutungen nicht vollständig verhindern.
Die Gentherapie mit Valoctocogen Roxaparvovec nutzt ein adeno-assoziiertes Virus als Vektor, der die kodierende Sequenz für einen gegen B-Domänen deletierten FVIII enthält, die nach Infusion in eine periphere Vene exprimiert wird. Positive Ergebnisse kommen aus einer Phase-1/2-Studie, in der die Gentherapie zu einer anhaltenden FVIII-Produktion und einer Reduktion von Blutungen und FVIII-Verbrauch über bis zu fünf Jahre führte.1
Wissenschaftler:innen um Prof. Dr. Margaret Ozelo, University of Campinas, Sao Paulo, prüften in der multizentrischen Phase-3-Studie GENEr8-1 die Behandlung bei 134 Männern mit schwerer Hämophilie A (FVIII-Restaktivität ≤ 1 IU/dl).2 Die Teilnehmer hatten vor Studieneinschluss bereits mindestens ein Jahr lang eine Prophylaxe mit FVIII-Konzentraten erhalten und keine Hemmkörper gegen FVIII entwickelt.
FVIII-Aktivität stiegt im Median um knapp 23 IU/dl
Sie bekamen eine einmalige Infusion mit Valoctocogen Roxaparvovec in einer Dosis von 6 x 10¹³ Vektorgenomen/kg KG. Die FVIII-Prophylaxe wurde zunächst vier Wochen lang weitergeführt und die Konzentrate danach nur noch bei Bedarf eingesetzt. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 60,2 Wochen.
Die Effektivität der Gentherapie wurde in der modifizierten Intent-to-treat-Propulation (mITT) der 132 HIV-negativen Teilnehmer bestimmt. Die FVIII-Aktivität, ermittelt im chromogenen Assay, stieg zwischen Studienwoche 49 und 52 im Schnitt um 41,9 IU/dl und median um 22,9 IU/dl. In diesem Zeitraum wiesen 50 Männer (37,9 %) eine FVIII-Aktivität von mindestens 40 IU/dl auf, die als nicht-hämophil zu bezeichnen ist. Bei weiteren 66 Teilnehmern (50 %) betrug sie zwischen fünf und 40 IU/dl, was einer leichten Hämophilie A entspricht. 16 Patienten (12,1 %) hatten eine FVIII-Aktivität unter 5 IU/dl und bei zwölf Personen lag sie unter 3 IU/dl.
Der Bedarf an FVIII-Konzentraten konnte deutlich gesenkt werden: Das zeigt die Auswertung von 112 Teilnehmern, die aus der prospektiven nicht-interventionellen Untersuchung 270-902 zu FVIII-Einsatz und Blutungshäufigkeit in die Phase-3-Studie übernommen worden waren. In diesem Rollover-Kollektiv reduzierte sich der jährliche FVIII-Bedarf innerhalb von vier Wochen signifikant um 98,6 % – von zuvor im Schnitt 3961,2 IU/kg pro Jahr auf im Mittel nur noch 56,9 IU/kg und median 0 IU/kg (p<0,001).
Auch die Häufigkeit behandelter Blutungsepisoden verringerte sich deutlich: Initial betrug die annualisierte Rate im Schnitt 4,8 und median 2,8. Sie sank bis Woche 4 auf 0,8 bzw. 0. Das Ergebnis entsprach einer signifikanten Reduktion behandlungspflichtiger Blutungen um 83,8 % (p<0,001) und erfüllte damit die vorab definierten Kriterien für die Überlegenheit der Gentherapie im Vergleich zur FVIII-Prophylaxe.
Die Nebenwirkungen der Gentherapie
Häufigste unerwünschte Ereignisse waren ein Anstieg der Alaninaminotransferase (85,8 %) und Aspartataminotransferase (35,1 %) sowie Kopfschmerzen (38,1 %) und Übelkeit (37,3 %). Die Nebenwirkungen erreichten überwiegend nur Grad 1 oder 2; 22 Teilnehmer (16,4 %) litten unter schweren Toxizitäten, die sich jedoch immer zurückbildeten und in keinem Fall zum Studienabbruch führten. Der Anstieg der Leberenzyme ließ sich meist erfolgreich durch Glukokortikoide managen. Die Entwicklung von Hemmkörpern gegen FVIII und Thromboembolien wurden nicht beobachtet.
Möglicherweise wiederholte Infusionen notwendig
Auf Basis der Ergebnisse beurteilten die Studienautor:innen das Nutzen-Risiko-Profil von Valoctocogen Roxapaparvovec als günstig. Die Gentherapie ermöglicht eine kontinuierliche endogene FVIII-Produktion, sodass Betroffene auf die regelmäßige Prophylaxe verzichten können. Allerdings scheint die Expression des transferierten Gens mit der Zeit abzunehmen. Es muss daher noch geklärt werden, ob wiederholte Infusionen nötig sind, um eine anhaltende Wirksamkeit sicherzustellen.
1. Pasi KJ et al. Haemophilia 2021; 27: 947-956; DOI: 10.1111/hae.14391
2. Ozelo MC et al. N Engl J Med 2022; 386: 1013-1025; DOI: 10.1056/NEJMoa2113708
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