
Neue Therapieoptionen bei Hämophilie

Die i.v. Substitution von Faktorkonzentraten steht seit langer Zeit im Mittelpunkt der Therapie von Hämophilie A und B. Heute ist der Anspruch, alle Blutungen, einschließlich derer bei körperlicher Aktivität, zu vermeiden und Gelenkschäden zu verhindern. Inzwischen ist die Langzeitprophylaxe Standard geworden und der Bedarfstherapie überlegen, schreiben Dr. Maria Mancuso vom Centre for Thrombosis and Hemorrhagic Diseases in Mailand und Kollegen in einem Review.
Da die Standardprodukte eine relativ kurze Halbwertszeit aufweisen, sind bei Hämophilie A drei bis vier und bei Hämophilie B zwei bis drei Injektionen pro Woche nötig, um die erforderliche Konzentration zu erreichen. Dies bedeutet eine erhebliche Belastung für die Patienten. In der letzten Dekade wurden daher neue rekombinant hergestellte FVIII- oder FIX-Produkte mit verlängerter Halbwertszeit entwickelt, die seltener gespritzt werden müssen. Die terminale Halbwertszeit von FIX konnte dabei um das Drei- bis Fünffache verlängert werden. So lässt sich auch mit Injektionen alle ein bis zwei Wochen ein FIX-Spiegel > 5 % erhalten. Die Halbwertszeit von FVIII wurde dagegen nur um 40–80 % verlängert. Diese Produkte müssen die Patienten meist alle drei bis fünf Tage spritzen.
Gerinnungsfaktor-Nachahmer induzieren keine Hemmkörper
Das Hauptproblem der Substitution von Gerinnungsfaktoren ist die Bildung von Hemmkörpern bei 25 % bis 40 % der Patienten. In diesen Fällen braucht man zusätzlich Bypass-Präparate. Diese Produkte haben jedoch einige Nachteile. So ist die Gabe beispielsweise mit einem erhöhten Thromboserisiko assoziiert.
Neue Moleküle, die nicht den Faktor selbst ersetzen, sondern dessen Funktion nachahmen, haben sich in der Prophylaxe als effektiv erwiesen. Da sie keine Faktorproteine enthalten, können sie weder durch Hemmkörper neutralisiert werden noch selbst eine Immunantwort gegen FVIII oder FIX induzieren. Weitere Vorteile sind, dass sie subkutan verabreicht werden, eine lange Halbwertszeit aufweisen und damit einen stabileren hämostatischen Effekt haben. Zu diesen Molekülen gehört der bispezifische Antikörper Emicizumab, der die Funktion von FVIII imitiert, indem er aktivierten FIX mit FX verbindet.
Die Hämostasekorrektur, die z.B. mit Emicizumab zu erreichen ist, macht aus einer schweren Hämophilie immerhin eine milde. Durchbruchblutungen können noch auftreten. Wenn dies der Fall ist oder ein chirurgischer Eingriff ansteht, muss zusätzlich FXIII oder ein Bypass-Präparat eingesetzt werden – was wiederum das Thromboserisiko erhöht. Es ist noch nicht final geklärt, ob sich mit Emicizumab eine hämophile Arthropathie verhindern lässt. Dazu kommt: Es fehlt ein Laborparameter zur Überwachung.
Der Trend geht zur subkutanen Substitutionstherapie
Deshalb sind Produkte zur Substitutionstherapie immer noch interessant. Manche werden derzeit neu entwickelt, z.B. BIVV001, ein FVIII-Fusionsprotein, das mit der Bindungsdomäne für den von-Willebrand-Faktor (vWF) gekoppelt ist. SubQ-8 ist ein rekombinanter FVIII, der zusammen mit einem vWF-Fragment subkutan verabreicht wird. Mit Dalcinonacog alfa befindet sich ein FIX-Produkt zur subkutanen Applikation in Entwicklung, welches deutlich potenter als der native FIX ist.
Hämophilie A und B eignen sich gut für eine Gentherapie. Das Hauptprinzip ist der lebergerichtete Transfer von Kopien der entsprechenden Gene mittels adenoviraler Vektoren. Dadurch wird eine lang anhaltende Produktion von Gerinnungsfaktoren ermöglicht, die eine reguläre Prophylaxe verzichtbar macht, erklären die Kollegen. Bevor man das Verfahren in der Praxis einsetzen kann, müssen aber noch einige Fragen, z.B. zur Sicherheit, geklärt werden.
Quelle: Mancuso ME et al. Lancet 2021; 397: 630-640; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32722-7
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