Richtig Antikoagulieren ist das A und O

Dr. Anne Benckendorff

Häufig sind die tiefen Venen oder Arterien der unteren Extremitäten betroffen. Häufig sind die tiefen Venen oder Arterien der unteren Extremitäten betroffen. © fotoliaxrender – stock.adobe.com

Beim Antiphospholipidsyndrom drohen Fehlgeburten, Thrombosen und im schlimmsten Fall ein 
tödliches Multiorganversagen. Mit einer maßgeschneiderten Prophylaxe kann man den Komplikationen vorbeugen. Vorfahrt bei der nötigen Antikoagulation haben Vitamin-K-Antagonisten und Heparin. 

Etwa einer von 2.000 Menschen erkrankt an einem Antiphospholipid-Syndrom (APS), typischerweise im Erwachsenenalter vor dem 50. Lebensjahr. Gemäß aktuellen Klassifikationskriterien ist das APS charakterisiert durch mindestens eine klinische Episode einer Thrombose oder einer Schwangerschaftskomplikation ohne andere Erklärung in Verbindung mit dem dauerhaften Nachweis von mindes­tens einem der drei Antiphospholipid-Autoantikörper. 

Dabei können die Thrombosen arteriell oder venös auftreten. Häufig sind die tiefen Venen oder Arterien der unteren Extremitäten betroffen. Grundsätzlich ist jedoch der Befall aller Gefäße aller Organsysteme möglich, betonen Dr. Jason Knight von der University of Michigan in Ann Arbor und Kollegen.

Schwangerschaftskomplikationen im Sinne der Klassifikations­kriterien umfassen mindestens drei Spontanaborte vor der 10. Schwangerschaftswoche, den Tod des Fötus ab der 10. Schwangerschaftswoche oder eine Frühgeburt vor der 34. SSW aufgrund einer Eklampsie, Präeklampsie oder Plazenta­­insuf­fizienz.
 

Gefährliche Autoantikörper

Drei Arten von Autoantikörpern werden unterschieden, nämlich anti-Cardiolipin-Antikörper, anti-Beta-2-Glykoprotein-1-Antikörper (aβ2GPI) sowie Lupus-Antiko­agulans. Wichtig für die Diagnose ist, dass die Antikörper nicht nur während eines akuten Ereignisses, sondern auch später – in der Regel nach zwölf Wochen – nachweisbar sind. Das höchste Risiko für thrombotische Ereignisse und Schwangerschaftskomplikationen haben Betroffene mit dauerhaftem Nachweis von Lupus-Antikoagulans oder allen drei Antikörpern.

Antikörperbindung löst eine Kaskade von Reaktionen aus

Die Bindung der in den Gefäßen zirkulierenden Autoantikörper an ihre Zielstrukturen (Phospholipide und phospholipidbindende Proteine in der Zelloberfläche) führt zu einer Reihe von prothrombotischen und proinflammatorischen Reaktionen. Laut den Autoren gehören dazu die inadäquate Aktivierung der Gerinnungskaskade, der Endothelzellen und der Blutplättchen, welche in der Folge vermehrt miteinander inter­agieren. Außerdem kommt es zu einer Komplementaktivierung sowie einer Anregung von Monozyten und Neutrophilen, die wiederum Neutrophil Extracellular Traps (NETs) ausbilden. Von diesen ist bekannt, dass sie die Bildung von Thrombosen ebenfalls begünstigen. In seltenen Fällen kann ein sogenanntes katastrophales Antiphospholipidsyndrom auftreten. Hierbei entwickeln sich in multiplen Gefäßbetten gleichzeitig rasch Thrombosen und in der Folge ein Multiorganversagen. 

Eine mögliche Primärprävention mit Azetylsalicylsäure sollte bei asymptomatischen Patienten mit Nachweis von Phospholipid-Auto­antikörpern vom individuellen Risikoprofil abhängig gemacht werden, so die Autoren. Die EULAR empfiehlt eine niedrig dosierte Prophylaxe für Personen mit hohem Risiko, d.h. dauerhaftem Nachweis von Lupus-Antikoagulans oder allen drei Antikörpern.

Für die Behandlung und Sekundärprävention des Antiphospholipidsyndroms sind Vitamin-K-Antagonisten das Mittel der Wahl. Allerdings gibt es noch keinen Konsens, wie intensiv die Antikoagulation sein soll und welcher INR-Wert anzustreben ist, schränken die Autoren ein. Manche Ärzte setzen zur Sekundärprävention von arteriellen Thrombosen auch eine Kombination aus Vitamin-K-Antagonisten und ASS ein. 

Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) werden bei Betroffenen mit arteriellen Thrombosen in der Vorgeschichte nicht empfohlen. Ob sie bei bestimmten Patientengruppe mit venösen Thrombosen von Nutzen sein könnten, ist unklar. Die Autoren raten darüber hinaus vom Einsatz von DOAK bei Patienten ab, die für alle drei 
Antikörper positiv sind – unabhängig davon, wo sich die Thrombose ereignet hat. Ob und bei welchen Patienten die Antiko­agulation wieder abgesetzt werden kann, ist noch unklar. 

Ein katastrophales Antiphospholipid-Syndrom wird mit einer Dreifach-Therapie aus Antikoagulation (meist unfraktioniertem Heparin), Kortikosteroiden und Plasma­pherese oder intravenöse Immunglobuline behandelt. 

Nach Fehlgeburten ASS und Heparin kombinieren

Bei schwangeren Frauen mit Nachweis von Lupus-Antikoagulans oder mindestens zwei Antiphospholipid-Antikörpern, aber ohne bisherige thrombotische Ereignisse oder Schwangerschaftskomplikationen wird eine Prophylaxe mit niedrig dosiertem ASS empfohlen. Haben Frauen bereits wiederholt frühe Fehlgeburten erlitten, setzt man meistens niedrig dosiertes ASS in Kombination mit Low-Dose-Heparin ein. Dasselbe gilt für Frauen mit Komplikationen ab dem zweiten Trimester, aber ohne Thrombose in der Vorgeschichte. Schwangere mit APS plus einer Thrombose in der Vorgeschichte sollen gemäß der aktuellen Empfehlungen eine Kombination aus niedrig dosiertem ASS und einer therapeutischen Dosis niedermolekularen Heparins erhalten. 

Darüber hinaus wird bei Patienten mit Hochrisiko-Antikörper-Profilen, Durchbruch-Thrombose-Ereignissen oder anderen Manifestationen, die trotz Antikoagulation fortschreiten, regelmäßig Hydroxychloroquin eingesetzt; mitunter werden in dieser Indikation auch Statine verschrieben. Grundsätzlich sollten bei allen Betroffenen kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Dys­lipidämie oder Adipositas möglichst korrigiert werden.

Quele: Knight JS et al. BMJ 2023; 380: e069717; DOI: 10.1136/bmj-2021-069717

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Häufig sind die tiefen Venen oder Arterien der unteren Extremitäten betroffen. Häufig sind die tiefen Venen oder Arterien der unteren Extremitäten betroffen. © fotoliaxrender – stock.adobe.com
Beim APS können Thrombosen in allen Gefäßen auftreten. Häufig betroffen sind die tiefen Beinvenen.
Beim APS können Thrombosen in allen Gefäßen auftreten. Häufig betroffen sind die tiefen Beinvenen. © Science Photo Library/Downer, Nigel