Schlafstörungen bei neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen behandeln

Dr. Daniela Erhard

Fast jeder Dritte leidet mehrmals wöchentlich unter Schlafstörungen. Fast jeder Dritte leidet mehrmals wöchentlich unter Schlafstörungen. © iStock/stefanamer

Erholsamer Schlaf ist wichtig für Körper und Psyche. Doch viele Personen mit neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen träumen nur von ihm. Was kann den Betroffenen helfen?

Sicher gibt es kaum einen Menschen, der nicht schon einmal schlecht ein- oder durchgeschlafen hat. Je nach Umfrage geben weit über die Hälfte der Befragten an, solche Probleme nur zu gut zu kennen. Fast jeder Dritte leidet sogar mehrmals wöchentlich unter Schlafstörungen. Diesen Beschwerden muss man auf den Grund gehen, denn sie können Symptom anderer, noch schwerwiegenderer Erkrankungen sein, mahnt Professor Dr. Geert­ Mayer­, Leiter des Schlafzentrums an der Hephata Klinik Schwalmstadt.

Kommen Patienten mit Insomnien in die Praxis, rät er neben einer ausführlichen Anamnese zu Schlaftagebüchern und speziellen Fragebogen, um die Ursachen zu erfassen. Eine Aktigraphie kann über Bett- und Schlafenszeiten Aufschluss geben. Wer über extreme Tagesschläfrigkeit klagt, sollte ebenfalls ein Schlaf-Wach-Protokoll führen, mindestens eine Woche lang – denn vielleicht hat er tatsächlich einfach zu wenig geschlafen. Nur bei begründetem Verdacht kommt die Polysomnographie zum Einsatz. Sie ist unverzichtbar, um organische Ursachen wie ein Restless-Legs-Syndrom (RLS), eine Schlafapnoe und andere schlaf­bezogene Atmungs­störungen auszuschließen.

Von Duloxetin, Quetiapin und Clozapin wird abgeraten

Vor allem im Rahmen neurologischer und neurodegenerativer Erkrankungen treten Schlafstörungen gehäuft auf. Sie können den motorischen Symptomen sogar um Jahre vorausgehen, merkt Prof. Mayer an. Jedoch eignet sich nicht jede Therapie für alle Erkrankungen gleichermaßen. So profitieren Parkinsonpatienten z.B. von einem Mix aus Medikamenten, kognitiver Verhaltenstherapie und schlafhygienischen Maßnahmen. Lang wirksame Dopaminagonisten können dosisabhängig die subjektive Schlafqualität verbessern, Insomnien lassen sich mit schlaffördernden Psychopharmaka und Melatonin behandeln. Zudem bieten Echtlicht (1000–7500 Lux für 30–90 min), Benzodiazepinrezeptor­agonisten, sedierende Antidepressiva und Akupunktur weitere Therapiemöglichkeiten. Von Duloxetin, Quetiapin und Clozapin rät der Schlafmediziner ab, da ihre Wirksamkeit nicht ausreichend belegt sei.

Für betroffene MS-Patienten empfiehlt er ebenfalls eine kognitive Verhaltenstherapie. Daneben können Melatonin (5 mg) sowie bei gleichzeitiger Depression schlaffördernde Antidepressiva helfen. Mit der Pharmakotherapie bei Demenzpatienten sollte man zurückhaltender vorgehen. Auf Benzodiazepine, deren Rezeptoragonisten und Antidepressiva ist in jedem Fall zu verzichten, da sie Delirien verursachen können. Stattdessen verlängern Bewegung und Echtlicht (2500 Lux) die Schlafdauer, ebenso Trazodon 850 mg. Suvorexant als Off-Label-Therapie verbessert die Schlafqualität, ohne tagsüber zu stark zu sedieren.

Selbst nach leichten Schädelhirntraumata leidet mehr als die Hälfte der Patienten an Schlaf-Wach-Störungen. Insomnien beeinträchtigen die Neuroplastizität, den Heilungsverlauf, die Kognition sowie das nächtliche Schmerzempfinden und erhöhen das Risiko für psych­iatrische Komorbiditäten. Therapie der Wahl sind schlaffördernde Medikamente und eine kognitive Verhaltenstherapie.

Epilepsiepatienten leiden häufig unter Atemproblemen oder RLS. Allerdings­ stören auch einige Anti­epileptika den Schlaf, v.a. die der älteren Generation. Dann sollte man auf ein schlafförderndes Präparat umsteigen. Retardiertes Melatonin kann helfen, schneller einzuschlafen. Allerdings wurde dies nur bei Kindern geprüft.

Nach Schlaganfällen treten nicht nur Insomnien häufig auf. Etwa ein Drittel aller Betroffenen leidet noch über ein halbes Jahr später unter Tagesschläfrigkeit – was natürlich Kognition und Lebensqualität beeinträchtigt. In solchen Fällen rät Dr. Mayer zu Medikamenten wie Bromocriptin, Modafinil, Methylphenidat und Levodopa. Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen leiden erwartungsgemäß häufig unter Atmungsproblemen, die den Schlaf beeinträchtigen. Ihnen kann Modafinil helfen, am Tag wach zu bleiben.

Nach gesteigertem sexuellem und Essverlangen fragen

Nur selten ist eine Hypersomnie zentral verursacht. So zum Beispiel die Narkolepsie mit vorzeitigen REM-Schlaf-Episoden. Beim Typ 2 ist sie nur durch extreme Müdigkeit gekennzeichnet, beim Typ 1 zusätzlich durch Kataplexien. Mit Modafinil, Solriamfetol, Methylphenidat, Venlafaxin (off label), Pitolisant und Natriumoxybat stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, die je nach Substanz die Tagesschläfrigkeit reduzieren, die Kataplexie verhindern und/oder den Nachtschlaf verbessern. Ähnlich der Narkolepsie Typ 2 äußert sich die idiopathische Hypersomnie, nur dass der REM-Schlaf unauffällig bleibt.

Treten neben der Hypersomnie auch ein unbändiges Ess- und gesteigertes sexuelles Verlangen sowie kognitive und psychische Störungen auf, liegt als Diagnose das Kleine-Levin-Syndrom nahe. Therapeutisch eignet sich Lithium, um Frequenz und Dauer der hypersomnischen Phasen zu verringern. Wachmacher können dagegen die Persönlichkeitsveränderungen akzentuieren.

Quelle: Mayer G. Hessisches Ärzteblatt 2020; 81: 543-546

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Fast jeder Dritte leidet mehrmals wöchentlich unter Schlafstörungen. Fast jeder Dritte leidet mehrmals wöchentlich unter Schlafstörungen. © iStock/stefanamer