Insomnie: Senioren wieder zur erholsamen Nachtruhe verhelfen

Dr. Anja Braunwarth

Die Aktivitäten am Tag haben großen Einfluss auf die Nachtruhe. Die Aktivitäten am Tag haben großen Einfluss auf die Nachtruhe. © iStock/monkeybusinessimages

Ältere schlafen meist gut ein, aber schlecht durch. Einer der Gründe ist der sinkende Melatoninspiegel. Die Sub­stitution des Hormons kann den nötigen Schlaf zurückbringen.

Eine chronische Insomnie liegt vor, wenn jemand über drei Monate hinweg mindestens dreimal pro Woche über Schlafstörungen klagt. Die Prävalenz nimmt mit dem Alter zu. Unter den über 70-Jährigen leiden etwa 35 % der Männer und 40 % der Frauen darunter, berichtete Diplom-Psychologe Werner Cassel vom Schlafmedizinischen Zentrum am Universitätsklinikum Marburg.

Exemplarisch stellte er den Fall einer 73-jährigen Lehrerin im Ruhestand vor. Sie habe noch nie richtig gut geschlafen, seit sieben Jahren sei das immer schlimmer geworden. Sie schlummere zwar nach 10–30 Minuten ein, wache aber zwei- bis dreimal pro Nacht auf und liege dann bis zu zwei Stunden wach. Insgesamt ruhe sie zwischen 22 und 7 Uhr.

Erste Maßnahme: mehr Bewegung an der frischen Luft

Es gab bei der Frau keinen Hinweis auf Depressionen, dysthyme Verstimmungen oder ein Restless-Legs-Syndrom, der Partner berichtete kein Schnarchen. Wegen einer arteriellen Hypertonie nahm sie Bisoprolol.

Bei ihren Angaben zum Tagesablauf fiel auf, dass sich die Patientin wenig an der frischen Luft bewegte und mit neun Stunden doch recht lange ruhte. Erste Maßnahme war daher eine verhaltensmedizinische Beratung zu Licht- und Aktivitätsmanagement und einer gelassenen Haltung zum Schlaf. Außerdem wurde ihr empfohlen, die Zeit im Bett zu verkürzen. Klar war aber, dass die alte Dame zusätzlich eine medikamentöse Behandlung brauchte. Aber welche? Das Plenum favorisierte in der TED-Abstimmung Baldrian, Werner ­Cassel aber sprach sich für retardiertes Melatonin aus.

Denn mit dem Alter sinkt der nächtliche Melatoninspiegel ab, unter anderem durch eine Verkalkung der Epiphyse. Etwa ab dem 70. Lebensjahr liegen die Spiegel dann tags und nachts auf ähnlich niedrigem Niveau.

Das rasende Gehirn mal kurz ausschalten

Im vorliegenden Fall kam noch dazu, dass Betablocker die Melatoninausschüttung unterdrücken. Retardiertes Melatonin ahmt die natürliche Sekretion des Hormons nach und bessert die Schlafqualität, ohne direkt in die Regulierung einzugreifen. Es handelt sich also nicht um ein Hypnotikum, sondern um ein Chronotherapeutikum. „Wir nehmen damit praktisch Dunkelheit zu uns“, erklärte der Referent.

Die pensionierte Lehrerin sprach gut auf die Therapie an – bis ihr Mann starb und sie schwere akute Schlafstörungen erlebte. In solchen Krisen reicht Melatonin nicht aus, und Antidepressiva brauchen zu lange, ehe sie anschlagen. Hier sollte man vorübergehend Benzodiazepine verordnen. Nur sie sind in der Lage, den Schlaf akut anzustoßen. „Wir helfen den Patienten damit, das rasende Gehirn mal für kurze Zeit auszuschalten“, erläuterte Cassel.

Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

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