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Spinalkanalstenose: Operative Dekompression ist konservativen Maßnahmen offenbar überlegen

Definitionsgemäß spricht man von einer Spinalkanalstenose (SKS), wenn ein angeborener oder erworbener Engpass Nerven und Gefäßen den Platz streitig macht. Die größte klinische Relevanz besitzt die degenerative Form – die z.B. auf dem Boden von Bandscheibenprotrusionen oder ligamentären Veränderungen entsteht. Mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 5 von 100 000 Einwohnern tritt die lumbale Stenose viermal häufiger auf als die zervikale, heißt es in der neuen Leitlinie „Spezifischer Kreuzschmerz“.
Je nach Lage der Einengung unterscheidet man zwischen zentralen, lateralen und foraminalen Stenosen. Die zentrale SKS verursacht üblicherweise belastungsabhängige Rückenschmerzen, die vor allem beim Gehen und Stehen auftreten und ein- oder beidseitig in die Beine ausstrahlen. Begleitet werden diese Beschwerden durch Hyp- und Parästhesien und ein Schwäche- und Schweregefühl in den Beinen mit reduzierter Gehstrecke.
Die Symptome verstärken sich beim Bergabgehen wegen der Lordosierung der LWS. Entsprechend können sich die Patienten mit einer Entlordosierung (vorgeneigtes Gehen oder Sitzen) Erleichterung verschaffen. Sie legen deshalb längere Strecken oft per Fahrrad zurück. Denn damit haben sie – im Gegensatz zur vaskulären Claudicatio (pAVK) – selbst bei stundenlanger Belastung kaum Beschwerden. Längeres Stehen dagegen führt wegen der Lordosierung zu keiner Erleichterung, heißt es in der Leitlinie, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) verabschiedet wurde. Entsprechend zeigen sich bei der klinischen Untersuchung eine Schmerzzunahme in der Extension und eine Abnahme in der Flexion. In Ruhe sind die Beschwerden meist nur gering ausgeprägt oder gar nicht vorhanden.
MRT sollte Anamnese und Klinik ergänzen
Aufgrund der Heterogenität der Symptome kann die Spinalkanalstenose nicht allein anhand von Anamnese und der Klinik gestellt werden, betonen die Leitlinienautoren. Sie empfehlen bei Verdacht auf Claudicatio spinalis eine Abklärung mittels MRT-Diagnostik. Konventionelle Röntgenbilder haben nur eine begrenzte Aussagekraft. Aufnahmen im Stehen eignen sich jedoch, um degenerative Ursachen oder eine im Liegen spontan reponierende Spondylolisthese zu detektieren.
Zu beachten sind zudem zahlreiche Differenzialdiagnosen – bei Patienten mit Claudicatio in erster Linie die pAVK, selten auch das Bauchaortenaneurysma. Polyneuropathien, Multiple Sklerose und Myopathien können ebenfalls ähnliche Symptome auslösen.
Therapeutisch empfehlen die Experten trotz der relativ geringen Evidenz für einen Langzeiterfolg primär einen konservativen Behandlungsversuch. Voraussetzung ist, dass – wie in den weitaus meisten Fällen – weder ein relevantes neurologisches Defizit noch immobilisierende Schmerzen unter begleitender Erfolgskontrolle vorliegen. Gerade in den Anfangsstadien der SKS dominieren haltungs- und bewegungsabhängige Beinbeschwerden, fast 90 % der Patienten klagen außerdem über tief sitzende Kreuzschmerzen. Allerdings ist die Evidenzlage laut einer Cochrane-Analyse bzgl. der medikamentösen Therapie mit Calcitonin, Methylgabalin, Prostaglandin bzw. Gabapentin (sehr) gering.
Ähnlich sieht die Datenlage bei epiduralen Injektionen aus. Sie wirken am ehesten bei kurzem Verlauf von maximal sechs Monaten. Bei Patienten mit haltungs- und belastungsabhängigen Beinschmerzen scheint eine entlordosierende Krankengymnastik Erfolg versprechend. Auch aufrichtende Orthesen zeigen einen gewissen Effekt, der jedoch nicht lange anhält.
Eine operative Dekompression sollte erwogen werden, wenn konservative Maßnahmen dem Patienten keine befriedigende Lebensqualität verschaffen. Methode der Wahl ist die facettengelenkschonende Dekompression. Studien zufolge ist die operative Entlastung der konservativen Therapie überlegen. Der Eingriff wirkt auch bei multisegmentalen Stenosen und sein Effekt hält länger als acht Jahre an. Für die Laminektomie sollten bevorzugt mittellinienstruktursparende Verfahren eingesetzt werden wegen des geringeren Risikos für postoperative Rückenschmerzen und Instabilität, heißt es in der Leitlinie.
Ein klassischer Fall von Spinalkanalstenose
- Patient in höherem Alter
- belastungsabhängige Beinbeschwerden
- Verschlechterung im Stehen und Gehen
- Symptome beim Flektieren bzw. Verschlechterung bei Extension
Postoperative Physio bessert Bein- und Rückenschmerz
Fusionstechniken sollten nicht routinemäßig zum Einsatz kommen. Sie sind eine zusätzliche Option zur Dekompression, wenn klinische oder radiologische Instabilitätszeichen vorliegen. Interspinöse Spreizer können vermutlich für eine indirekte Dekompression von Spinalkanal und Foramina sorgen, indem sie die dorsalen hypertrophierten Bänder und den Bandscheibenfaserring straffen. Von einem routinemäßigen Einsatz bei konservativ therapierefraktären Patienten raten die Autoren allerdings ab. Erwägen sollte man die Applikation in Lokalanästhesie bei hohem Narkoserisiko und ausgeprägten Beschwerden. Was die postoperative Rehabilitation anbetrifft, gibt es zwar noch keine allgemein akzeptierten, evidenzbasierten Empfehlungen. Aber in Studien konnte gezeigt werden, dass Physiotherapie das funktionelle Ergebnis verbessert, insbesondere Bein- und Rückenschmerzen.Quelle: S2k-Leitlinie Spezifischer Kreuzschmerz, AWMF- Register-Nr. 033-051, www.awmf.org
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