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Synkopen bei Kindern und Jugendlichen richtig abklären

Vor dem zehnten Lebensjahr treten Synkopen fast nur aufgrund kardiogener Ursachen oder in Form von blassen oder zyanotischen Affektkrämpfen auf. Letztere lassen sich auf eine sympathikovagale Fehlregulation zurückführen und manifestieren sich typischerweise im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Betroffen sind etwa 2–5 % aller Kinder, heißt es in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK).
Fehlende Prodromi sind eher ein schlechtes Zeichen
Häufiger sind Synkopen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bis zum Alter von 21 Jahren erleiden knapp 40 % – überwiegend Mädchen und junge Frauen – zumindest einmal einen derartigen Bewusstseinsverlust. Meist ist der Kollaps orthostatisch bedingt, doch mit einer kardialen Ursache muss man stets rechnen, betonen die Leitlinienautoren um Professor Dr. Sven Dittrich von der Kinder- und Jugendklinik der Universität Erlangen.
Zunächst gilt es zu klären, ob es sich tatsächlich um eine Synkope gehandelt hat. Erkennbar ist das an vier klinischen Kriterien: rasches Einsetzen der Bewusstlosigkeit, Verlust des Muskeltonus, kurze Dauer und spontane, vollständige Erholung. Wichtige Hinweise auf die Ursache liefert die Basisdiagnostik. Sie umfasst neben Anamnese und klinischer Untersuchung die Erhebung der Vitalparameter, Ruheblutdruckmessung und 12-Kanal-EKG. Bei benignen Synkopen finden sich im Allgemeinen typische Auslöser wie langes Stehen, Blutentnahme und Flüssigkeitsmangel. Oft berichten die Patienten charakteristische Prodromi wie Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen, Schweißausbruch etc.
Nicht übersehen werden dürfen die Warnsignale für kardiogene Synkopen. Verdächtig ist etwa die Manifestation vor dem zehnten Geburtstag. Auch hier gibt es typische Trigger wie Schreck oder laute Geräusche, Schmerzreize, emotionale Erregung und Kontakt mit kaltem Wasser. Ein besonders hohes Risiko für den plötzlichen Herztod signalisieren fehlende Prodromi, plötzlich aufgetretene Palpitationen, bisher unbekannte Brustschmerzen, Atemnot und Synkopen bei körperlicher Belastung. Auch Patienten mit vorbekannten Vitien, Rhythmusstörungen, akuter Herzerkrankung oder familiärer Belastung müssen überwacht und die Befunde abgeklärt werden.
Bei der körperlichen Untersuchung können Blässe, Exsikkose und Dyspnoe auf kardiale Probleme hinweisen. Ebenfalls Verdacht schöpfen sollte man bei wechselnder Bewusstseinslage, pathologischen Herzgeräuschen, Pulsdefizit und verringerter Sauerstoffsättigung. Auffällige Befunde im EKG wie AV-Block oder verlängerte QTc-Zeit fordern eine kinderkardiologische Abklärung. Gleiches gilt, wenn sich eine kardiogene Synkope nicht ausschließen lässt. Legt die Basisdiagnostik hingegen eine benigne Ursache nahe, darf man auf weitere Untersuchungen verzichten.
Bei Zeichen einer strukturellen Herzerkrankung oder unzureichenden Verdachtsmomenten für eine Reflex- oder orthostatische Synkope empfehlen die Leitlinienautoren die Echokardiographie. Orthostasetests haben bei den jungen Patienten eine geringere Bedeutung als im Erwachsenenalter. Denn im Kinder- und Jugendalter ist eine orthostatische Hypotonie selten, und die Ergebnisse lassen sich bei ihnen nur schlecht reproduzieren. Kipptischuntersuchungen zeigen oft falsch-positive Resultate. Die Ergometrie eignet sich zur Provokation arrhythmogener Synkopen. Herzkatheter, CT und MRT erlauben den Nachweis von Koronaranomalien und Ischämien.
Zu beachten ist, dass zahlreiche andere Zustände den Kollaps imitieren können, darunter metabolische Entgleisungen, transitorische ischämische Attacken und psychogene Pseudosynkopen (s. Tabelle). Häufigste Differenzialdiagnose ist der epileptische Anfall, der sich nur mittels EEG sicher nachweisen lässt. Erschwerend kommt hinzu, dass Aura, Kloni, Inkontinenz und Zungenbiss auch beim Kreislaufkollaps vorkommen. Motorische Entladungen am Ende der Synkope sprechen für eine Reflexsynkope. Treten sie zu Beginn des Kollaps auf, weist das eher auf einen epileptischen Anfall oder auf eine kardiogene Ursache hin. Auch häufige Rezidive und ein Auftreten im Säuglingsalter sind mehr Zeichen eines Krampfanfalls. Bei entsprechendem Verdacht raten die Experten zur kinderneurologischen Abklärung.
Imitatoren der kreislaufbedingten Synkope | |
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epileptischer Anfall | z.B. klonische Zuckungen, tonische Streckbewegungen, lateraler Zungenbiss, periorbitale petechiale Hautblutungen, länger anhaltende Bewusstseinsstörung |
Migräne, TIA, ZNS-Veränderung | z.B. klonische Zuckungen, tonische Streckbewegungen, lateraler Zungenbiss, periorbitale petechiale Hautblutungen, länger anhaltende Bewusstseinsstörung |
Hyperventilation | Kribbelparästhesien |
Narkolepsie, Kataplexie | nicht zu unterdrückende Schlafattacken am Tag, schlaffe Paralyse ohne Bewusstseinstrübung |
psychogene Pseudosynkope, dissoziative Anfälle | Zukneifen der Augen, normale Pupillenreaktion, ausfahrende zielgerichtete Bewegungen, Dauer meist > 2 min, meist keine Prodromi, Stresssituation |
Eine kausale Therapie gibt es für reflexbedingte beziehungsweise orthostatische Synkopen nicht, dafür aber einige Möglichkeiten der Prophylaxe. Viel trinken verbessert den Volumenstatus, Ausdauersport und Wechselduschen konditionieren die Gefäße. Zudem sollen Betroffene ausreichend schlafen, gut frühstücken und auf kalorienreiche Mahlzeiten verzichten. Bei drohendem Blackout helfen „Rettungsmanöver“ wie Hinsetzen, Beinmuskelpumpe aktivieren und isometrischer Händezug.
Sport- und Reisetauglichkeit individuell bewerten
Für Patienten mit schwerem, rezidivierendem Verlauf kommt eventuell ein zeitlich begrenzter, medikamentöser Therapieversuch mit Fludrocortison oder Midodrin in Betracht. Dihydroergotaminhaltige Arzneimittel und Etilefrin werden nicht mehr empfohlen. Sport, Reisen und Schulbesuch sind bei benignen Synkopen uneingeschränkt möglich, bei kardialer Genese muss individuell entschieden werden.
Quelle: S2k-Leitlinie „Synkope im Kindes- und Jugendalter“, AWMF-Register-Nr. 023/004, www.awmf.org
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