Syphilis: Infektionsketten lassen sich nur mit frühzeitiger Therapie unterbrechen

Dr. Dorothea Ranft

Rechtes Bild: Schleimhautveränderungen im Mund eines Patienten zu Beginn des Sekundärstadiums der Syphilis. Rechtes Bild: Schleimhautveränderungen im Mund eines Patienten zu Beginn des Sekundärstadiums der Syphilis. © iStock/Hailshadow; Science Photo Library/CDC

Um ein falsch-negatives Ergebnis zu vermeiden, sollte man bei Verdacht auf eine sehr frühe Syphilis mindestens zwei Tests durchführen. Besonders Gefährdete profitieren von einem regelmäßigen Screening.

Als Frühsyphilis wird die primäre und sekundäre Syphilis innerhalb des ersten Jahres nach der Infektion bezeichnet. Später auftretende Krankheitsphasen (Sekundär- und Tertiärstadium) bzw. die latente Erkrankung unklarer Dauer firmieren unter dem Oberbegriff der Spätsyphilis. Die Inkubationszeit bis zum Auftreten des Primäraffekts beträgt im Schnitt drei Wochen (10 Tage bis 3 Monate). Bis zum Tertiärstadium vergehen mitunter zehn Jahre, heißt es in der aktualisierten Leitlinie der Deutschen STI*-Gesellschaft.

Zwischen Therapiebedarf und Seronarbe differenzieren

Zur Abklärung eines Verdachtsfalls bzw. zum Ausschluss einer Syphilis empfiehlt sich zunächst ein erregerspezifischer Suchtest, dafür eignen sich besonders TPPA und TPHA**. Ist der polyvalente Immunoassay reaktiv oder das Ergebnis zweifelhaft, folgt ein Bestätigungstest mit einem anderen Antigenkonzept (z.B. FTA-Abs-Test**).

Der positive Ausfall beider Tests sichert die Infektion. Es muss jedoch noch zwischen Seronarbe und behandlungsbedürftiger Lues differenziert werden. Dazu dient die quantitative Bestimmung von Aktivitätsparametern wie Cardiolipin-Antikörper (VDRL-Test**) oder treponemenspezifisches IgM. Ein Lipoidantikörper-Titer > 1:4 und/oder ein positiver IgM-Befund signalisieren bei unbehandelten Patienten Therapiebedarf. VDRL/RPR-Titer (≤ 1:4) in Kombination mit einem negativen IgM-Befund kennzeichnen dagegen eine zurückliegende, wahrscheinlich bereits behandelte Infektion (anamnestisch kontrollieren).

Und in der Schwangerschaft?

Die Therapie in der Gravidität entspricht dem oben genannten Vorgehen (Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio. I.E. i.m. einmal bzw. dreimal). Bei einer Penicillinallergie rät die Leitlinie zu einer Desensibilisierung, Ceftriaxon sollte aufgrund der schwachen Datenlage (Kreuzreaktion?) nur ausnahmsweise eingesetzt werden. Tetrazykline sind kontraindiziert, Makrolide weder plazentagängig noch ausreichend wirksam.

Eine sehr frühe Syphilis kann wegen des diagnostischen Fensters leicht übersehen werden. Deswegen rät die Leitlinie beim Verdacht auf eine sehr frühe Primärsyphilis, gleichzeitig mit dem polyvalenten Suchtest einen spezifischen IgM-Assay durchzuführen. Bestehen die Hinweise auf eine Lues trotz negativem IgM-Test (und negativem Suchtest) fort, sollte man beide Untersuchungen nach zwei Wochen wiederholen. Außerdem raten die Autoren beim frühen Primäraffekt neben der Serologie zum direkten Treponemen-Nachweis mittels PCR. Syphilis-Schnelltests eignen sich als niederschwelliges Angebot zur raschen Abklärung einer möglichen Infektion in schwer erreichbaren Zielgruppen. Sie sind aber in Ländern mit flächendeckendem Labornetz wie Deutschland keine Alternative zur konventionellen Syphilisdiagnostik, betonen die Experten. Außerdem schließt ein negatives Ergebnis – vor allem bei der Verwendung von Vollblut – eine behandlungsbedürftige Lues nicht aus. Männer, die Sex mit Männern haben, infizieren sich besonders häufig. In Abhängigkeit von der Anzahl der Sexualpartner rät die Leitline, sie alle drei bis zwölf Monate regelmäßig auf Syphilis, aber auch auf andere sexuell übertragbare Krankheiten wie Chlamydien, Gonorrhö, Hepatitis C und HIV zu screenen.

Besonderheiten bei HIV-Infizierten

  • Der Primäraffekt manifestiert sich bei HIV-Infizierten oft mit mehreren Ulzera (Abklatschphänomen). Außerdem leiden die Betroffenen häufiger an Fieber, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit. Orale oder anale Ulzera bzw. eine Pharyngitis sollten immer an eine Syphilis denken lassen. Auch bei okulären Beschwerden, vor allem einer Panuveitis, ist diese auszuschließen.
  • Eine früher durchgemachte Lues kann reaktiviert werden. Zudem droht eine Syphilis maligna (Hautulzera und -nekrosen, Fieber).
  • Basisdiagnostik und Therapie erfolgen i.d.R. wie bei HIV-Negativen (sorgfältige Verlaufskontrolle). Bei schwerer Immundefizienz (< 200 CD4-Zellen/μl) wird auch ohne Symptome eine Liquoruntersuchung empfohlen. HIV-Patienten sollten alle drei bis sechs Monate auf Syphilis getestet werden. Umgekehrt gilt: Jeden Lues- Patienten auf HIV untersuchen.

Patienten mit Treponemen-Bakteriämie können zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung eine Neurosyphilis entwickeln. Deshalb sollte diese mittels Liquordiagnostik ausgeschlossen werden, wenn neurologische, psychiatrische, okuläre und/oder otogene Symptome auftreten. Die Therapie der Lues richtet sich unter anderem nach der Dauer der Erkrankung. Bei der Frühsyphilis genügt eine einmalige intramuskuläre Injektion von 2,4 Mio. I.E. Benzathin-Benzylpenicillin (je 1,2 Mio. I.E. gluteal links bzw. rechts). Patienten mit Penicillinallergie erhalten stattdessen Doxycyclin oral (2 x 100 mg/d über 14 Tage), wobei die Kontraindikationen Schwangerschaft und Alter unter acht Jahren zu beachten sind. Als Alternative zu Benzathin-Benzylpenicillin kommt Ceftriaxon als Kurzinfusion in Betracht (2 g/d über zehn Tage). Patienten mit erregerreicher Sekundärsyphilis entwickeln nach der ersten Antibiotikagabe häufig eine Herxheimer-Jarisch-Reaktion. Zur Prophylaxe dient die orale oder intravenöse Applikation von 1 mg/kgKG Prednisolonäquivalent eine halbe bis eine Stunde vor der antiinfektiven Behandlung. Die Spätsyphilis verlangt ein verlängertes Vorgehen: Betroffene sollen dreimalig mit 2,4 Mio. I.E. behandelt werden – und zwar an den Tagen 1, 8 und 15. Patienten mit Penicillinallergie erhalten stattdessen orales Doxycyclin zweimal 100 mg/d über 28 Tage. Als Ersatz für Penicillin bietet sich Ceftriaxon an (2 g/d als Kurzinfusion über 14 Tage). Die Therapie der Neurosyphilis erfordert treponemozide Antibiotikaspiegel im Liquorraum. Erreichen lassen sich diese beispielsweise mit der intravenösen Applikation von Penicillin G in kristalloider Lösung über zwei Wochen. Bei der Tagesdosis hat man die Wahl zwischen viermal 6 Mio., fünfmal 5 Mio. oder dreimal 10 Mio. I.E. Alternativ kann man bei syphilitischem ZNS-Befall (vermutet oder nachgewiesen) einmal täglich 2 g/d Ceftriaxon über 14 Tage intravenös verabreichen. Als Mittel der 2. Wahl mit dem Vorteil der oralen Gabe kommt Doxycyclin (2 x 200 mg/d für 28 Tage) infrage. Wenn beim V.a. Neurosyphilis keine Lumbalpunktion möglich ist, sollte der Patient behandelt werden wie bei einer nachgewiesenen.

Den Erfolg nach drei, sechs und zwölf Monaten kontrollieren

Unter der Therapie steigen die Antikörpertiter manchmal deutlich an. Deswegen rät die Leitlinie, als Ausgangswert für die serologische Verlaufskontrolle drei bis vier Wochen nach Therapiebeginn einen rasch ansprechenden Aktivitätsparameter zu messen (z.B. Lipoidantikörper, IgM). Nach drei, sechs und zwölf Monaten kontrolliert man den Erfolg (möglichst im gleichen Labor und mit der gleichen Methode).

Postexpositionsprophylaxe nutzen!

Eine unspezifische Doxycyclin-Prophylaxe vor oder nach Risikokontakt (ohne nachgewiesene Syphilis) ist ersten Studien zufolge möglicherweise effektiv. Wegen des Schadenspotenzials (Resistenzentwicklung, Nebenwirkungen) sehen die Leitlinienautoren dieseMaßnahme jedoch sehr kritisch. Bei relevantemErregerkontakt (Partner mit belegter Infektion) sollte eine Postexpositionsprophylaxe jedoch angeboten werden (i.m.-Injektion von 2,4 Mio. I.E. Benzathin-Penicillin).

Bei einem Titerabfall um mindes­tens zwei Verdünnungsstufen gilt die Behandlung als adäquat durchgeführt, weitere Verlaufstests können dann entfallen. Ein Sonderfall ist die Neurosyphilis, hier sollte die Wirkung der Therapie nach etwa sechs Monaten mit einer Liquorpunktion überprüft werden. 

* Sexually Transmitted Infections
** TPPA: Treponema pallidum-Partikelagglutinationstest, TPHA: Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest, FTA-Abs-Test: Fluoreszenz-Treponema-Absorbtionstest, VDRL: Veneral-Disease-Research-Laboratory-Test, RPR: Rapid-Plasma-Reagin-Test

Quelle: S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Syphilis“, AWMF-Register Nr. 059/002, www.awmf.org

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Rechtes Bild: Schleimhautveränderungen im Mund eines Patienten zu Beginn des Sekundärstadiums der Syphilis. Rechtes Bild: Schleimhautveränderungen im Mund eines Patienten zu Beginn des Sekundärstadiums der Syphilis. © iStock/Hailshadow; Science Photo Library/CDC