Tripletherapie bei VHF-Patienten unter NOAK wohl überflüssig

Dr. Andrea Wülker

Vor der perkutanen Koronarintervention ist offenbar keine Tripletherapie nötig. Vor der perkutanen Koronarintervention ist offenbar keine Tripletherapie nötig. © andrey_orlov – stock.adobe.com

Viele Patienten mit Vorhofflimmern nehmen zur Schlaganfallprävention ein orales Antikoagulans ein. Entwickeln sie ein akutes Koronarsyndrom oder unterziehen sie sich einer perkutanen Intervention, wäre zusätzlich eine duale Plättchenhemmung indiziert. Aber in diesen Fällen hilft weniger wohl genauso gut – und das bei geringerem Risiko.

Eine duale Antiplättchen-Therapie (DAPT) ist nach Koronar­interventionen der Standard. Als empfehlenswerte Partner für ASS gelten bei elektiven Interventionen und chronischer koronarer Herzkrankheit der P2Y12-Hemmer Clopidogrel und bei akutem Koronarsyndrom die wirkungsstärkeren Vertreter der Substanzklasse, Tica­grelor oder Prasugrel, so Professor Dr. Harald Darius­, Vivantes-Klinikum­ Neukölln, Berlin.

Die Dauer der Therapie hängt einerseits von der klinischen Situation und andererseits vom ischämischen bzw. Blutungsrisiko des jeweiligen Patienten ab. Meist variiert die Dauer einer DAPT zwischen vier Wochen und zwölf Monaten. Problematisch ist, dass unter einer längerfristigen dualen Plättchenhemmung Blutungskomplikationen zunehmen. Steht der Patient z.B. aufgrund von Vorhofflimmern (VHF) zusätzlich unter einer oralen Antikoagulation, steigt das Blutungsrisiko noch deutlicher an. Zur oralen Antikoagulation werden heute vor allem NOAK eingesetzt, da sie weniger Nebenwirkungen verursachen als Vitamin-K-Antagonisten.

Das Blutungsrisiko lässt sich senken

Die doppelte Plättchenhemmung bei gleichzeitiger Gabe eines oralen Antikoagulans, auch als Triple-Therapie (TT) bezeichnet, ist mit einem besonders hohen Blutungsrisiko assoziiert. Nachdem retrospektive Registerdaten gezeigt hatten, dass sich die Blutungsrate über einen Behandlungsansatz aus oraler Antikoagulation plus nur einem Thrombozytenaggregationshemmer senken lässt, wurden vier prospektive, kontrollierte und randomisierte Studien zu diesem Thema bei VHF-Patienten mit NOAK durchgeführt:

  • PIONEER-AF PCI (Rivaroxaban)
  • REDUAL-PCI (Dabigatran)
  • AUGUSTUS (Apixaban)
  • ENTRUST-AF PCI (Edoxaban)

Alle vier Studien hatten einen primären Sicherheitsendpunkt, der Fokus lag auf den Blutungskomplikationen. Hinsichtlich der Wahl des NOAK zeigten Apixaban und Dabigatran die beste Reduktion der Blutungskomplikationen und zwar in den zur Schlaganfallprävention zugelassenen Dosierungen.

Die Frage, ob die duale antithrombotische Therapie gegenüber der TT hinsichtlich der ischämischen Endpunkte (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Herzinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall oder Stentthrombose) nicht unterlegen ist, konnte keine dieser vier Studien eindeutig beantworten, da die Teilnehmerzahl zu gering war. Inzwischen liegen allerdings Metaanalysen vor, die außer den vier oben genannten Studien teilweise weitere Daten zur TT mit Vitamin-K-Antagonisten berücksichtigten.

Der Schwerpunkt der Metaanalysen liegt auf den klinisch-ischämischen Ereignissen. Die bisher veröffentlichten Daten ergeben ein einheitliches Bild ohne Hinweise auf eine signifikante Zunahme ischämischer­ Ereignisse unter einer Zweifach- statt Dreifachtherapie.

Was sagt die Leitlinie?

Die Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur koronaren Revaskularisation enthält folgende Hinweise:
  • Die empfohlene Dauer der TT bei VHF-Patienten mit akutem Koronarsyndrom von zwölf Monaten sollte in Abhängigkeit vom individuellen Blutungsrisiko und jenem für ischämische Ereignisse auf drei Monate reduziert werden.
  • Besteht ein sehr hohes Blutungsrisiko, sollte keine TT erfolgen.
Zum Vorgehen nach perkutaner Koronarintervention bei VHF-Patienten rät die Leitlinie,
  • die TT-Phase möglichst kurz zu wählen,
  • NOAK gegenüber Vitamin-K-Antagonisten als Antikoagulanzien zu bevorzugen,
  • als P2Y12-Inhibitor Clopidogrel zu verwenden.
Bei sehr hohem Blutungsrisiko kann aber auch gemäß der Leitlinie auf eine Phase der TT verzichtet werden, d.h. postinterventionell nur orales Antikoagulans plus Clopidogrel.

Verkürzen der Tripletherapie hält der Experte für kritisch

Daraus lässt sich ableiten, dass für die allermeisten VHF-Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom bzw. der perkutanen Koronarintervention unter den heutigen Bedingungen der interventionellen Therapie keine generelle Notwendigkeit einer TT zur Prävention ischämischer Ereignisse besteht, fasst Prof. Darius zusammen. Die zeitliche Reduzierung der TT von VHF-Patienen nach akutem Koronarsyndrom (siehe Kasten), um das Risiko zu senken, sieht er aufgrund der Tatsache, dass die meisten Blutungsereignisse bereits zu Therapiebeginn auftreten, kritisch.

Quelle: Darius H. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 978-986; DOI: 10.1055/a-0955-3257

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