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Übergewicht lastet schwer auf den Nerven

Komponenten des metabolischen Syndroms, insbesondere die Insulinresistenz, zeigen eine enge Assoziation mit einer Abnahme der kognitiven Funktion – auch wenn ein kausaler Zusammenhang schwer zu beweisen ist, schreibt eine amerikanische Forschergruppe. Aus Tierexperimenten weiß man, dass ein übermäßiger Fettanteil in der Nahrung die Kontrollfunktion des Hypothalamus über die Energie-Homöostase stört.
Freie Fettsäuren stören Signalwege
Dadurch wird die Entwicklung einer Dyslipidämie begünstigt. Der Kalorienüberschuss erhöht auch die Konzentration zirkulierender Triglyzeride und freier Fettsäuren. Die Triglyzeride können durch Lipoproteinlipasen in vaskulärem Endothel, Neuronen und Glia zu freien Fettsäuren aufgespalten werden. Dadurch nimmt die Konzentration freier Fettsäuren lokal weiter zu. Deren lipotoxische Wirkung und Akkumulation im Gewebe stört die intrazelluläre Signalübertragung und den lokalen Stoffwechsel. Daraus kann sich eine neurologische Dysfunktion entwickeln.
Metaanalysen haben eine enge Assoziation zwischen Adipositas und verschiedenen Demenzerkrankungen gefunden. Wer im mittleren Lebensalter übergewichtig ist, hat ein höheres Risiko, später dement zu werden. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass ein hoher BMI unabhängig vom Alter mit Defiziten in Aufmerksamkeit, exekutiver Funktion, Lernen und Gedächtnis verbunden ist. Übergewichtige Männer scheinen übrigens mehr dazu zu neigen, kognitive Defizite zu entwickeln als beleibte Frauen. Dies lässt sich evtl. durch einen Schutzeffekt der Östrogene erklären.
Auch eine Hirnatrophie in Frontallappen und Hippokampus, zwei für Lernen und Gedächtnis essenzielle Strukturen, scheint mit einem höheren BMI assoziiert zu sein. Tierexperimente zeigen, dass eine fettreiche Ernährung Struktur und Funktion des Hippokampus verändert und zu einer Abnahme von Neurogenesemarkern, synaptischer Plastizität und neuronalen Wachstumsmarkern führt.
Ungleichgewicht im vegetativen System
Im autonomen Nervensystem bewirkt die Adipositas ein Ungleichgewicht von Sympathikus und Parasympathikus. Der erhöhte Sympathikotonus stimuliert die Lipolyse und vermindert die Perfusion, was ebenfalls zu einer neurologischen Dysfunktion beiträgt. Die Adipositas hat sich auch als unabhängiger Risikofaktor für eine periphere Polyneuropathie erwiesen. Sensorische Nervenendigungen sind für toxische Effekte besonders anfällig, da sie nicht durch die Blut-Nerven-Barriere geschützt werden. Wie im ZNS führt der Anstieg freier Fettsäuren auch an den peripheren Nervenendigungen zu einer Entzündungsreaktion, später zu axonaler Degeneration und Polyneuropathie – unabhängig von der Entwicklung eines Diabetes.
Erfreulicherweise sind diese Veränderungen am zentralen und peripheren Nervensystem unter einer Gewichtsreduktion reversibel. Dies zeigte z.B. eine kontrollierte Studie an älteren Patienten mit mildem kognitiven Defizit und einem durchschnittlichen BMI von 35,5 kg/m2. Nach einem Jahr Kalorienrestriktion hatten sich verbales Gedächtnis, flüssige Sprache, exekutive Funktion und globale Kognition gebessert. Andere Arbeiten fanden, dass sich dies auch in bildgebenden Untersuchungen niederschlägt: Der Schwund an grauer Substanz frontal, parietal und im Zingulum verläuft langsamer oder das Volumen der grauen Substanz nimmt sogar zu.
Lebensstiländerung bessert die nervale Dysfunktion
Eine Lebensstilmodifikation lindert bei Übergewichtigen auch die Polyneuropathie, wie Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit und sensorische Testungen vor Beginn und nach zwölf Monaten ergaben. Die kutane Nervendichte nimmt ebenfalls zu. Im autonomen Nervensystem reduziert sich das Ungleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Bariatrisch-chirurgische Eingriffe haben ebenfalls günstige Auswirkungen auf das zentrale und periphere Nervensystem gezeigt.
Quelle: O'Brien PD et al. Lancet Neurol 2017; 16: 465-477
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