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Wann gehören Hämorrhoiden auf den OP-Tisch?
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Hätte Napoleon ohne Hämorrhoidalthrombose die Schlacht bei Waterloo gewonnen? Zumindest zu Pferde schien ihn das anale Unglück laut Erzählungen extrem auszubremsen. Hämorrhoidenleiden haben zwar eine lange Historie, verlässliche epidemiologische Daten fehlen allerdings, schreibt das Autorenteam der neuen Leitlinie um Dr. Andreas K. Joos vom Deutschen End- und Dickdarmzentrum Mannheim.
Zum einen doktern viele Betroffene selbst daran herum, zum anderen bekommen einige Erkrankungen des Analbereichs dieses Label fälschlicherweise aufgedrückt. Beispielsweise sind die gehäuften Beschwerden von Schwangeren eher auf perianale Venenthrombosen zurückzuführen. Experten schätzen die Zahl der Behandlungsfälle in Deutschland jährlich auf 3,3 Millionen – knapp 70 % der Erwachsenen sollen einmal im Leben betroffen sein.
Übergewicht begünstigt die Entstehung
Als Auslöser werden AV-Shunts oder eine Hypervaskularisation vermutet, die Schäden am fixierenden Gewebe verursachen. Keinesfalls handelt es sich um Varizen, betonen die Autoren. Adipositas, Reizdarmsyndrom und Entleerungsstörungen begünstigen die Entstehung, welchen Einfluss eine Obstipation auf die Pathogenese hat, ist dagegen unklar.
Hämorrhoidale Beschwerden sind uncharakteristisch und korrelieren nicht zwingend mit dem Ausmaß der Veränderungen im Plexus. Als häufigstes Symptom nennt die Leitlinie eine transanale, hellrote Blutung (einmalig, rezidivierend oder kontinuierlich), die meist bei oder nach der Defäkation auftritt
Die vier Grade der Hämorrhoiden | |
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I | vergrößerter Plexus hämorrhoidalis superior nur proktoskopisch sichtbar |
II | Prolaps bei Defäkation, spontane Retraktion |
III | Prolaps bei Defäkation, keine spontane Retraktion, manuell reponibel |
IV | permanent fixierter, irreponibler Prolaps |
Prolabieren die Hämorrhoiden, beeinträchtigt das u.U. die Feinkontinenz, was zu schleimiger/fäkulenter Sekretion, Nässen und Stuhlschmieren führen kann. Aufgrund der resultierenden Hautirritation klagen viele Patienten daher über Juckreiz und Brennen. Schmerzen zählen dagegen nicht zum klassischen Symptombild, weil die Konvolute außerhalb des sensiblen Rektums liegen. Weh tut es erst, wenn parallel Fissuren oder Abszesse auftreten. Zu einem (schmerzhaften) inkarzeriert-thrombosierten Prolaps kommt es nur selten.
Diagnostisch genügt die proktologische Basisuntersuchung mit Anamnese, Inspektion, digital-rektaler Austastung und Proktoskopie. In den Stadien I–II bilden sich Hämorrhoiden manchmal auch spontan zurück. Ein höhergradiger Prolaps muss therapiert werden, um eine Progression zu verhindern.
Die Basisbehandlung besteht aus den Kapiteln Ernährung, Stuhlregulierung und Defäkationsverhalten und wird bei primär asymptomatischen (beschwerdefreien) Hämorrhoiden empfohlen. Ernährung und Stuhl lassen sich durch ballaststoffreiche Kost und z.B. ergänzend mit Flohsamenschalen günstig beeinflussen. Zusätzlich sollten die Patienten lernen, nichts zu erzwingen sowie lange Sitzungen und Pressen zu vermeiden.
Werden die Hämorrhoiden symptomatisch, d.h. treten Beschwerden auf, können diese über „Hämorrhoidalia“ reduziert werden. Sie enthalten Lokalanästhetika oder Steroide und sind als Cremes, Salben, Zäpfchen oder Analtampons verfügbar. Man schreibt zwar auch Flavonoiden (z.B. Diosmin, Hesperidin) positive Effekte zu, in Deutschland sind sie aber nicht zugelassen.
Hämorrhoiden I.–II. Grades lassen sich sklerotisieren. Das Verödungsmittel – vorzugsweise Polidocanol in alkoholischer Lösung – wird entweder in die zuführenden Arterien der Gefäßpolster (suprahämorrhoidal) oder direkt in sie hinein (intrahämorrhoidal) gespritzt. Die Injektion ist schmerzfrei und die Erfolgsraten schwanken zwischen 58 und 100 %. Zwar drohen in rund 80 % der Fälle Rezidive, aber die Behandlung lässt sich problemlos wiederholen. Komplikationen – meist leichte Blutungen – treten bei 0–36 % der Behandelten auf.
Für Hämorrhoiden II.–III. Grades eignet sich die Gummibandligatur besser, bei der man das krankhaft veränderte Gewebe mit einem kleinen Gummiring abschnürt. Es fällt einige Tage später ab, die Wunde verheilt und schrumpft. Wichtigste Nebenwirkungen sind Schmerzen (ca. 45 %) und Blutungen (2 %). Deren Risiko erhöht sich mit der Zahl der Ligaturen, daher werden nicht mehr als zwei pro Sitzung empfohlen. Zwischen zwei Eingriffen sollte man aber mehrere Wochen pausieren.
Die Infiltration mit Lokalanästhetika beugt postinterventionellen Schmerzen vor (siehe Kasten). Die Rezidivraten variieren je nach Studie zwischen 2–20 %, viele Publikationen geben aber eine primäre Erfolgsquote von über 90 % an. In Studien schnitt langfristig die operative Versorgung bei Hämorrhoiden II.–III. Grades besser ab – allerdings um den Preis größerer Schmerzen und häufigerer Komplikationen.
Schmerzen nach der OP eindämmen
Radiofrequenzablation wird nicht empfohlen
Eine OP halten die Autoren grundsätzlich für angezeigt, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen. Ab Grad III kann auch primär operiert werden. Zur Zurückhaltung rät die Leitlinie dagegen, wenn chronisch entzündliche Darmerkrankungen, erhöhte Blutungsneigung, Immunschwäche, schwere Stoffwechselstörungen oder eine Schwangerschaft bekannt sind. Welche Technik für die Resektion angewandt wird, hängt u.a. davon ab, ob ein segmentäres oder zirkuläres Hämorrhoidalleiden vorliegt. Alternative Therapien wie dopplergesteuerte Arterienligatur, Analdilatation, Radiofrequenzablation, Laser- oder Kryotherapie werden von der Leitlinie nicht empfohlen. Lediglich Infrarot kann bei niedrigen Graden zur Behandlung von Blutungen erwogen werden.Quelle: S3-Leitlinie Hämorrhoidalleiden, AWMF-Register Nr. 081/007, www.awmf.org
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