Warnzeichen der hepatischen Enzephalopathie erkennen und angemessen therapieren

Dr. Dorothea Ranft

Patienten mit hepatischer Enzephalopathie können zum Verkehrsrisiko werden. Deswegen: Genau hinschauen! Patienten mit hepatischer Enzephalopathie können zum Verkehrsrisiko werden. Deswegen: Genau hinschauen! © iStock/Jan-Otto

Schon bei der Erstdiagnose einer Leberzirrhose sollten Sie nach Symptomen einer hepatischen Enzephalopathie fahnden. Denn selbst die minimale Form kann im Beruf oder Straßenverkehr zum unkalkulierbaren Risiko werden. Zur Therapie empfiehlt die Leitlinie Lactulose.

Fallen Ihnen bei Ihrem Zirrhosepatienten kognitive Einschränkungen oder Störungen der Motorik auf, sollten Sie an eine hepatische Enzephalopathie (HE) denken. Allerdings genügt die Beobachtung verdächtiger Symptome allein noch nicht für die Diagnose, betonen die Autoren der Leitlinie „Komplikationen der Leberzirrhose“. Zuvor müssen zahlreiche Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden, die sich ganz ähnlich präsentieren können.

Differenzialdiagnosen der HE

  • entgleister Diabetes
  • Elektrolytstörungen
  • Infektionen
  • Alkohol-, Drogen- oder Misch­intoxikation (z.B. Benzos, Neuroleptika)
  • neurologische Erkrankungen (z.B. Wernicke-Enzephalopathie)
  • strukturelle zerebrale Ursachen (z.B. Tumor, Blutung)
  • psychiatrische Erkrankungen

Der Schweregrad einer manifesten HE lässt sich anhand der West-Haven-Kriterien bestimmen.

West-Haven-Kriterien

  • Grad 0: Keine klinischen Symptome
  • Grad 1: Mentale Verlangsamung, Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, gestörte Feinmotorik (verändertes Schriftbild) etc.
  • Grad 2: Starke Müdigkeit, zeitlich desorientiert, verwaschene Sprache, flapping tremor
  • Grad 3: Starke Somnolenz oder Sopor, unzusammenhängende Sprache, zeitlich und örtlich desorientiert, Hyper- oder Hyporeflexie etc.
  • Grad 4: Koma, Muskelsteife, Muskeleigenreflexe erloschen

Fehlen klinische Symptome, können Hinweise von Angehörigen auf die HE-Spur führen. So sind Verkehrsunfälle oder Stürze oft erste Zeichen der minimalen Form (< Grad 1).

Viele kleine Mahlzeiten über den Tag verteilen

Zur Diagnose der minimalen HE sollen laut Leitlinie die kritische Flimmerfrequenzanalyse und/oder der Psychometric Hepatic Encephalopathy Score (PHES) eingesetzt werden. Letzterer basiert auf fünf Tests, die vollständig durchgeführt werden sollten. Bei HE-Episoden stellt sich als erstes die Frage nach behandelbaren Ursachen (z.B. Eiweißexzess, Infektion, Blutung). Eine wichtige Rolle spielt die Ernährung, wobei als Bezugsmaß nicht das reale Gewicht des Patienten gilt, sondern das Idealgewicht: Für die Energiezufuhr werden 30–35 kcal/kg Idealgewicht empfohlen, für die tägliche Eiweißzufuhr 1,2–1,5 g/kg Idealgewicht. Optimal sind häufige kleine Mahlzeiten mit einem zusätzlichen Imbiss vor dem Schlafengehen. Nüchternphasen über 4–6 Stunden sind zu vermeiden. Als Medikament der ersten Wahl zur Therapie der offensichtlichen HE-Episode (West-Haven-Grad > 1) empfiehlt die Leitlinie Lactulose. Sie sollte so dosiert werden, dass der Patient täglich zwei bis drei weiche Stühle absetzen kann. Wenn eine orale Zufuhr nicht möglich ist, kann das osmotisch wirksame Disaccharid auch als Einlauf verabreicht werden (300 ml Lactulose/700 ml Wasser). In Einzelfällen kommt eine Kombinationstherapie mit Rifaximin in Betracht. Als Monotherapie bei West-Haven-Grad ≥ 1 sollten Sie das schwer resorbierbare Antibiotikum nur einsetzen, wenn eine Laktose-Unverträglichkeit vorliegt. Die intravenöse Applikation von L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA) oder verzweigtkettigen Aminosäuren kommt zusätzlich oder alternativ infrage, wenn Patienten mit einer akuten Episode einer hepatischen Enzephalopathie auf Lactulose allein unzureichend angesprochen haben.

Nutzen von Probiotika bislang ungeklärt

Für die Wirksamkeit von oral appliziertem L-Ornithin-L-Aspartat sehen die Leitlinienautoren noch keine ausreichende Evidenz. Auch für eine Empfehlung von Probiotika zur Prophylaxe und Therapie genügt die Datenlage nach Einschätzung der Autoren derzeit noch nicht. Zirrhose-Patienten mit durchgemachter HE sollen eine Rezidivprophylaxe erhalten, als primär einzusetzendes Medikament empfiehlt die Leitlinie auch hier Lactulose. Wenn darunter ein Rezidiv auftritt, kann zur Sekundärprophylaxe additiv Rifaximin eingesetzt werden. Voraussetzung ist ein HE-Grad > 1 ohne speziellen Auslöser. Eine Monotherapie mit Rifaximin sollte nur erfolgen, wenn Lactulose nicht infrage kommt.

Ist der Alltag eingeschränkt, wird eine Therapie nötig

Patienten mit minimaler hepatischer Enzephalopathie sollten nicht allein auf der Basis von pathologischen psychometrischen Tests behandelt werden, betonen die Leitlinienautoren. Indiziert ist eine Therapie, wenn neben der gesicherten mHE eine reduzierte Lebensqualität vorliegt sowie bei objektiven Einschränkungen im Alltag oder beruflichen Risiken. Wenn eine Behandlung als notwendig erachtet wird, bevorzugen die Autoren als Medikation der ersten Wahl Lactulose. Für das Disaccharid konnte eine Metaanalyse eine Verbesserung psychometrischer Testergebnisse und eine verringerte Progression zur klinisch manifesten HE zeigen.

Quelle: S2k-Leitlinie „Komplikationen der Leberzirrhose“, AWMF-Register-Nr. 021-017

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