Antibiose bei Zirrhose: potenzieller Lebensretter mit schweren Nebenwirkungen

Dr. Anja Braunwarth

Zirrhosepatienten mit Aszites können durch Antibiotika zu 30–80 % vor einer spontanen bakteriellen Peritonitis bewahrt werden. Zirrhosepatienten mit Aszites können durch Antibiotika zu 30–80 % vor einer spontanen bakteriellen Peritonitis bewahrt werden. © wikimedia/Drahreg01; wikipedia/James Heilman

Antiinfektiva schützen Zirrhotiker vor der spontanen bakteriellen Peritonitis. Aber ist die Prophylaxe auch sinnvoll? Darüber diskutieren zwei Experten.

Ein flammendes Plädoyer für Antibiotika bei Risikozirrhotikern zur Prävention einer spontanen bakteriellen Peritonitis (SBP) hielt Privatdozent Dr. Tony­ Bruns von der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am Universitätsklinikum Jena. In der größten Gefahr schweben Patienten, die schon einmal eine SBP hatten, erklärte der Kollege. Das Rezidivrisiko innerhalb eines Jahres liegt einer Studie zufolge bei 68 %. Mit antibiotischer Prophylaxe sinkt es auf 20 %. Viele weitere Studien zeigten zudem einen erheblichen Abfall der Mortalität in diesem Kollektiv unter der Medikation.

Eine weitere wichtige Gruppe sind Zirrhotiker mit gastrointestinaler Blutung. Bei ihnen mindern die Keimkiller die SBP-Gefahr um 65 % und die Mortalität um 21 %. Und schließlich geht es noch um Patienten mit Aszites. Haben sie einen Proteinwert im Exsudat < 15 g/l und einen weiteren Risikofaktor (z.B. Nierenfunktionsstörung, Leberinsuffizienz), können Antibiotika zu 30–80 % eine SBP verhindern. Einem Einwand seiner Gegenrednerin kam Dr. Bruns direkt zuvor: Der existierende Rote-Hand-Brief zu den vorwiegend eingesetzten Chinolonen bezüglich der Gefahr von Aortenaneurysmen/-dissektionen wurde aktualisiert. In laufenden und abgeschlossenen Studien fanden sich diesbezüglich keine neuen Signale. Das Fazit des Kollegen lautete daher: Die Antibiotikaprophylaxe ist leitliniengerecht, wirtschaftlich sinnvoll, reduziert Infektionen und rettet Leben.

Privatdozentin Dr. Beate­ Appenrodt­ von der Inneren Medizin am St. Elisabeth-Krankenhaus Köln-Hohenlind mochte die positiven Aspekte der Antiinfektiva gar nicht in Abrede stellen. Für sie sind vor allem multiresistente Bakterien das große Problem. Inzwischen trotzen bis zu 45 % der Keime Cephalosporinen der dritten Generation. Außerdem gibt es bei diesen Präparaten eine „Enterokokkenlücke“, die für die SBP durchaus Bedeutung hat. In einer französischen Beobachtungsstudie mit 190 Zirrhosepatienten lag der Anteil an Enterokokken in den Kulturen insgesamt bei 24 %, unter Chinolonprophylaxe waren es 48 %. Davon abgesehen sollte man laut Dr. Appenrodt auch die Nebenwirkungen wie Hepatotoxzität, Nierenversagen oder QT-Verlängerungen nicht ignorieren.

Die Gastroenterologin musste aber zugeben, dass es an echten Alternativen noch mangelt. Da ein Vitamin-D-Mangel das Risiko der SBP bei Leberkranken erhöht, scheint es auf jeden Fall sinnvoll, ein mögliches Defizit auszugleichen. Eine weitere Option: Farnesoid-X-Rezeptor-Agonisten wie Obeticholsäure. Sie wirken an der bakteriellen Translokation mit und sind in der Lage, die bakterielle Besiedlung bei Zirrhose zu reduzieren. Auch Betablocker könnten einen Platz in der Prävention einnehmen. Die Substanzen senken nicht nur den portalen Druck, sondern modulieren über den Sympathikus das Immunsystem des Darms.

Vermeiden sollte man unter Umständen Protonenpumpenhemmer, denn sie fördern Bakterienwachstum und bakterielle Translokation. Falls die Prophylaxe bereits läuft, lohnt es gelegentlich, über den Abbruch nachzudenken. Laut Dr. Appenrodt kann man das bei deutlicher Besserung der Leberfunktion, z.B. durch Alkoholkarenz oder erfolgreiche antivirale Therapie, und Resolution eines Aszites in Erwägung ziehen.

Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

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Zirrhosepatienten mit Aszites können durch Antibiotika zu 30–80 % vor einer spontanen bakteriellen Peritonitis bewahrt werden. Zirrhosepatienten mit Aszites können durch Antibiotika zu 30–80 % vor einer spontanen bakteriellen Peritonitis bewahrt werden. © wikimedia/Drahreg01; wikipedia/James Heilman
Zirrhosepatient mit Aszites Zirrhosepatient mit Aszites © wikipedia/James Heilman