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Welche Medikamente man der zirrhotischen Leber zumuten kann
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Zunächst einmal braucht die Leber im zirrhotischen Stadium oft selbst Hilfe, Stichwort portale Hypertension. Großen Stellenwert haben hierbei Betablocker, wobei zwei um die Vormachtstellung konkurrieren: Propranolol und Carvedilol. Generell zeigt Carvedilol eine stärkere Drucksenkung in der Pfortader, berichtete Professor Dr. Alexander Zipprich von der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I in Halle (Saale).
Klinisch spiegelt sich das vor allem in der Primärprophylaxe wider. Denn bei klinisch stabiler Zirrhose verhindert diese Substanz die Dekompensation effektiver als Propranolol und sollte daher das Mittel der Wahl sein. Außerdem kann sie Studien zufolge die Mortalität bei Vorliegen eines milden Aszites senken. In der Sekundärprophylaxe dagegen unterscheiden sich beide Wirkstoffe nicht wesentlich voneinander.
Kranke Leber und Diabetes: Mit dieser unseligen Kombination beschäftigte sich Professor Dr. Jörg Bojunga von der Medizinischen Klinik 1 am Universitätsklinikum Frankfurt. Die Prävalenz des Diabetes liegt bei Zirrhotikern mit 37 % fünfmal so hoch wie bei hepatisch Gesunden. Die Crux: Die meisten Antidiabetika besitzen in diesen Fällen keine Zulassung, davon abgesehen verursachen sie bei Zirrhosepatienten mehr Nebenwirkungen und die Hypoglykämiegefahr ist höher.
Als primäres Therapieziel nannte der Referent nicht den optimalen HbA1c, sondern die Verhütung von Symptomen, d.h. Unterzuckerung, Dehydratation und kognitive Verschlechterung. „Ein normaler Blutzucker ändert nichts an der Prognose der Zirrhose“.
Nach Ansicht von Professor Bojunga können im Stadium Child A (s. Tabelle) praktisch alle oralen Antidiabetika zum Einsatz kommen, auch wenn es sich teilweise um einen Off-Label-Gebrauch handelt. Wie sonst auch ist Metformin – außer bei schwerer Niereninsuffizienz oder Alkoholkrankheit – das First-Line-Medikament. Ab Child B empfahl Prof. Bojunga die Überwachung der Therapie in Zentren. DPP4-Inhibitoren und GLP1-Analoga kann man sicher anwenden, SGLT2-Hemmer ebenso, ggf. unter Dosisanpassung. Wenn Insulin nötig wird, sollten einfache Regime dominieren.
Die Child-Pugh-Kriterien | |||
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Parameter | 1 Punkt | 2 Punkte | 3 Punkte |
Serumalbumin in g/dl | > 3,5 | 2,8–3,5 | < 2,8 |
Bilirubin in mg/dl | <2,0 | 2,0–3,0 | > 3,0 |
Bilirubin bei PBC* und PSC** in mg/dl | < 4,0 | 4–10 | >10,0 |
Quick (%) bzw. INR | > 70/< 1,70 | 40–70/1,71– 2,20 | < 40/> 2,20 |
Aszites in der Sonographie | keiner | mäßig | massiv |
Grad der Enzephalopathie | keine | I-II | III-IV |
5–6 Punkte: Child A, 7–9 Punkte: Child B, 10–15 Punkte: Child C * primär biliäre Zirrhose, ** primär sklerosierende Cholangitis |
Pfortaderthrombosen vorbeugen
Statine scheinen bei Zirrhose unbedenklich, konstatierte Professor Dr. Tom Lüdde von der Medizinischen Klinik III der Uniklinik RWTH Aachen. Die Nebenwirkungsrate liegt bei bestehenden Lebererkrankungen kaum höher als bei Gesunden. Allerdings gibt es nur wenige Untersuchungen zur Pharmakokinetik im Fall der fortgeschrittenen Zirrhose. Viele Assoziationsstudien deuten darauf hin, dass die Fettsenker sogar einen günstigen Effekt auf die Prognose der Zirrhose haben könnten. Sichere Aussagen dazu lassen sich aber noch nicht treffen.
Die Antikoagulation war das Thema von Professor Dr. Christian Lange, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinikum Essen. Zirrhotiker weisen grundsätzlich ein erhöhtes Risiko thromboembolischer Komplikationen auf. Und Pfortaderthrombosen können schwere Komplikationen wie Darmischämien auslösen. Außerdem erhöhen sie die Letalitat bei Lebertransplantationen.
Bei stationären Aufenthalten ist eine prophylaktische Antikoagulation in jedem Fall sinnvoll. Prof. Lange sprach sich aber auch im ambulanten Bereich dafür aus, um Pfortaderthrombosen vorzubeugen. Eine Studie mit Enoxaparin (4000 IE/Tag) vs. Placebo an Patienten mit Child-B- und -C-Erkrankung zeigte nach 48 Wochen nicht nur ein deutlich niedrigeres Risiko für den Gefäßverschluss, sondern auch für Dekompensation. Zudem lag das Überleben deutlich höher. Blutungen traten kaum auf.
Sonderfall primär biliäre Zirrhose
Anti-Faktor-Xa-Aktivität ist unzuverlässig
Eine klare Indikation zur Vollantikoagulation besteht bei sehr hohem Risiko (≥ 10 %/Jahr), gekennzeichnet durch- kurz zurückliegende tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolien (1–3 Monate)
- künstliche Mitralklappen
- Vorhofflimmern mit hohem Risikoscore
Quelle: Kongressbericht, Viszeralmedizin 2019
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