Weltenbummler richtig ausstatten

Lisa Hartmann

Das pharmazeutische Rundum-sorglos-Paket sollte individuell zusammengestellt werden. Das pharmazeutische Rundum-sorglos-Paket sollte individuell zusammengestellt werden. © Goffkein – stock.adobe.com

Die Reiseapotheke ist schon vor Jahrhunderten ein wichtiger Urlaubsbegleiter gewesen. Aber ist in unserer globalisierten Welt das Extra-Täschchen im Gepäck noch nötig? Welche Arzneimittel man dem Patienten empfehlen sollte, variiert je nach Urlaubsart und -ziel.

Laut WHO sind weltweit etwa 10 % der Medikamente gefälscht oder liegen unter dem Qualitätsstandard. Betroffen sind insbesondere hochpreisige oder absatzstarke Präparate wie Antimalaria­mittel, Antibiotika oder Analgetika. Deren Fälschungsanteil liegt bei bis zu 40 %. Vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen kommt es öfter zu Betrug. Daher sollte man nicht nur chronisch Kranken, sondern auch seinen gesunden Patienten zur Mitnahme einer Reise­apotheke raten. Und was muss rein? Das kommt ganz auf den Trip an, erklärt Dr. Stefan Sieh, niedergelassener Internist aus Frankfurt.

Die allgemeine Grundausstattung sollte sich an häufig auftretenden (Reise-)Krankheiten orientieren. Dabei ist es wichtig, auch auf mögliche Wechselwirkungen mit regelmäßig eingenommenen Medikamenten zu achten. Ein Fragebogen mit den wichtigsten Informationen zur Reise und möglichen Vorerkrankungen des Patienten kann dabei helfen, schnell einen umfassenden Eindruck zu bekommen.

Rechtliches

Im Schengen-Raum dürfen Medikamente zum Eigenbedarf für zwölf Monate mitgeführt werden. Ausnahme sind Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, hier gilt innerhalb der Schengen-Zone ein Zeitraum von 30 Tagen (inkl. Antragsformular). Außerhalb sollte das mit der jeweiligen diplomatischen Vertretung geregelt werden. Wer seinem Patienten zu einem Injektionsset rät, sollte ihm ggf. auch eine entsprechende ärztliche Bescheinigung mitgeben, in der explizit auf den persönlichen Gebrauch und den nicht vorhandenen kommerziellen Wert hingewiesen wird.

Schmerz und Fieber

Um bei Infekten und Schmerzen (symptomatisch) behandeln zu können, sollte die Reiseapotheke in jedem Fall Paracetamol (500 mg) oder Ibuprofen (800 mg) beinhalten. ASS wird dagegen eher nicht empfohlen, u.a. weil man sich mancherorts mit hämorrhagischem Fieber anstecken kann.

Reisediarrhö

Für die Selbstbehandlung von Reise­diarrhö sollten Urlauber ebenfalls gerüstet sein. Dabei müssen sie zwei Fälle unterscheiden: 

  • leichte Diarrhö mit der Möglichkeit, sich für ein paar Tage zu erholen: Hier reichen für gewöhnlich Ruhe, genügend Flüssigkeit und Elektrolyte. Bei der Symptomlinderung helfen Racecadotril (1.000 mg) oder Tannin­albuminat. Loperamid (2 mg) wird hingegen nur empfohlen, sofern keine invasiven bakteriellen Enteritiden vorliegen, da sich diese bei fehlender Darmmotilität weiter ausbreiten können. 
  • schwerer Verlauf bzw. leichte Diarrhö bei straffem Reiseprogramm (z.B. Trekking): Auf schwerere Verläufe sollte man neben der Rehydrierung mit Antibiotika reagieren. Dabei rät Dr. Sieh zunächst zu einer Einmaldosis Azithromycin (500 mg oder 1.000 mg). Rifaximin und Rifamycin (zweimal 400 mg für drei Tage) können ebenfalls eingesetzt werden, helfen aber nicht bei Dys­enterie. Nicht geeignet sind Gyrasehemmer aufgrund ihrer starken Nebenwirkungen und der weitverbreiteten Resistenzen. Die Therapie kann mit Loperamid oder Racecadotril ergänzt werden.

Übelkeit

Im Falle einer Diarrhö mit Übelkeit wäre der Patient mit Metoclopramid (10-mg-Tablette) gut versorgt. Das gilt allerdings nur, wenn keine Malariaprophylaxe mit Atovaquon erfolgt, da MCP dessen Plasma­konzentration um 50 % verringert. Eine Alternative zu MCP bietet Dimenhydrinat (50 mg) – am bes­ten in Tablettenform, um ein Schmelzen der Zäpfchen bei hohen Temperaturen zu vermeiden. Es wirkt gegen  Übelkeit, Emesis und Reisekrankheit, verringert aber die Schweißsekretion. Gegen Reise-/Seekrankheit können die Patienten auch Scopolamin-Pflaster (1,5 mg) mitführen. Sowohl Dimenhydrinat (ab 50 mg) als auch Scopolamin vermindern aber das Reaktionsvermögen (Cave: Tauchurlaube).

Übliche Wehwehchen

Butylscopol­amin (10 mg) hilft den Patienten bei Bauchkrämpfen – inklusive Periodenschmerzen. Bei hartnäckigen Verstopfungen ist Bisacodyl oder Natriumpicosulfat eine Option. Der an die jeweilige Region und den persönlichen Hauttyp an­gepasste Mücken- und Sonnenschutz darf in ausreichender Menge im Koffer ebenfalls nicht fehlen.

Infektionen

In einigen Gegenden kann es sinnvoll sein, Antibiotika griffbereit zu haben. Dr. Sieh empfiehlt Azithromycin (500 mg), da es gegen viele Erreger, die beispielsweise Weichteilinfektionen, eitrige Atemwegsinfekte und Geschlechtskrankheiten auslösen, wirkt. Allerdings verlängert es die QT-Zeit und sollte daher nicht zusammen mit Medikamenten genommen werden, die einen ähnlichen Effekt haben. Bei Harnwegs­infekten eignen sich Fosfomycin (einmalig 3.000 mg), Trimethoprim (zweimal 150 mg für drei bis fünf Tage) oder Nitrofurantoin (zwei- bis dreimal 100 mg für fünf bis sieben Tage).

Verschreibung auf grünem oder blauem Rezept

Fieberthermometer, Wundversorgung (Pinzette, Auflagen, Salben etc.), Injektionsset (je nach Region, siehe Kasten), kühlende oder hydrokortisonhaltige Cremes (bei Insektenstichen) sowie SARS-­CoV-­2-­Antigen-­Tests ergänzen die Reiseapotheke. Sind spezielle Aktivitäten geplant, kann die Grundausrüstung erweitert werden (siehe Tabelle). Alle Medikamente werden auf einem grünen oder gegebenenfalls blauen Rezept verschrieben. 
 

Zusätzliche Medikamente bei sportlichen Aktivitäten

Aktivität

Indikation

Medikation

Tauchen


 

Seekrankheit

Dimenhydrinat in niedriger Dosierung (20 mg Kaugummi)
Ingwerkapseln
Cinnarizin (75 mg; ohne Dimenhydrinat nur in der Schweiz erhältlich)

Reinigung und Infektionsprophylaxe am Ohr

Tropfen mit Essigsäure, Dexpanthenol und Isopropanol

Ohreninfektion

Ciprofloxacin (2 mg Ohrentropfen); ggf. Fluocinolon

Trekking


 

Muskelkrämpfe

Magnesium (Brausetabletten)

Wunden und Blasen

Wundreinigung, Wundsalben (Dexpanthenol) und Blasenpflaster, generell Hautpflege, z.B. mit Urea-Salbe

Fußpilz (v.a. bei Diabetikern)

Clotrimazol 2-%-Creme

Bergsteigen/ -wandern
 

Höhenkopfschmerz

Ibuprofen (600 mg)

Höhenhusten

Noscapin-Tropfen

Prophylaxe und Behandlung der Höhenkrankheit, frühes Lungenödem

Acetazolamid (250 mg, 2–4 Tabl./d), im Notfall (nur für Erfahrene, wenn Absteigen nicht möglich!): Nifedipin (20 mg, 1 Tabl./6 h), Dexamethason (8 mg, 1 Tabl./8 h)

Quelle: 23. Forum Reisen und Gesundheit

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Das pharmazeutische Rundum-sorglos-Paket sollte individuell zusammengestellt werden. Das pharmazeutische Rundum-sorglos-Paket sollte individuell zusammengestellt werden. © Goffkein – stock.adobe.com