Wenn der Urlaub in die Hose geht

Ulrike Viegener

Das höchste Risiko, an einer Reisediarrhö zu erkranken, besteht in Mittel­amerika, Südostasien und Afrika. Das höchste Risiko, an einer Reisediarrhö zu erkranken, besteht in Mittel­amerika, Südostasien und Afrika. © iStock/RealPeopleGroup

Klimawechsel, Jetlag und mangelnde Nahrungsmittelhygiene führen bei Reisen in ferne Gefilde häufig zu Diarrhö­. Urlauber sollten im Vorfeld darüber aufgeklärt werden, was in solchen Fällen zu tun und was zu unterlassen ist.

Es erwischt etwa 10–50 % aller Fernreisenden. Das höchste Risiko, an einer Reisediarrhö zu erkranken, besteht in Mittel­amerika, Südostasien und Afrika. Die Erkrankung geht mit plötzlich einsetzenden wässrigen Durchfällen, Bauchkrämpfen und allgemeinem Krankheitsgefühl einher. Sie verläuft in der Regel selbstlimitierend und ohne Komplikationen. Nach drei bis fünf Tagen ist der Spuk meist vorbei.

Antibiotika sind in der Regel nicht indiziert

Das A und O bei Reisediarrhö ist eine ausreichende Flüssigkeitssubstitution, schreiben Dr. ­Carolin Manthey­ und Dr. ­Jakob ­Malsy vom Uniklinikum Hamburg-­Eppendorf. Bei nur leichter Erkrankung reicht es meist aus, in wechselnder Folge reichlich zucker- und salzhaltige Getränke zu trinken (z.B. Fruchtsäfte und Gemüsebrühe). Nimmt das Ganze einen schweren Verlauf mit reduzierter Urinausscheidung, ist von einer massiven Volumen­depletion auszugehen. In diesen Fällen empfehlen die Autoren eine orale Rehydratationslösung, die sich Betroffene auf Reisen mit einfachen Mitteln selbst herstellen können (siehe Kasten). Sie sollte angewendet werden, bis sich die Urinfrequenz normalisiert hat.

Orale Rehydratationslösung

  • 1 Liter abgekochtes Wasser, alternativ Früchte- oder Kräutertee
  • 7 Teelöffel Traubenzucker, alternativ Haushaltszucker
  • 1 Teelöffel Salz

Antibiotika sind bei einer Reisediarrhö in der großen Mehrzahl der Fälle nicht indiziert. Bei schwerer Symptomatik – blutige, eitrige oder schleimige Durchfälle plus Fieber – gilt die kalkulierte Einnahme jedoch als angemessen vor dem Hintergrund, dass Bakterien die häufigsten Erreger der Reisediarrhö sind. Der Verlauf lässt sich durch die Medikation abmildern und verkürzen. Noch diskutiert wird zudem, inwieweit eine Antibiose das Risiko für postinfektiöse Komplikationen (Reizdarm-Syndrom, Guillain-Barré-Syndrom, reaktive Arthritis) reduzieren kann. Eine solide Datenbasis existiert für diese Hypothese aktuell nicht. Andererseits ist die Anwendung von Antibiotika nicht ohne Risiko, auch wenn sie nach ärztlicher Verordnung erfolgt. So kann sich unter der Einnahme ein hämolytisch-urämisches Syndrom entwickeln, falls die Reisediarrhö durch enterohämorrhagische E. coli (EHEC) verursacht wurde. Bei Infektionen mit nicht-typhoidalen Salmonellen sind unter Antibiose protrahierte Verläufe beschrieben. Ein weiteres Argument, warum Antibiotika bei Durchfällen auf Reisen keinesfalls eine Routinemedikation darstellen, sind Resistenzen. Reisende sollten für diese Problematik sensibilisiert werden, mahnen die Autoren. Gegen Fluorchinolone resistente Erreger sind inzwischen in vielen beliebten Urlaubsdestinationen verbreitet, darunter Süd­ostasien, Indien, Mexiko und Guatemala. Campylobacter-Stämme – in Süd- und Südostasien häufigste Auslöser der Reisediarrhö – sind in einigen Regionen zu 90 % resistent. Aber auch Shigellen, Salmonellen und Enterobactericeae haben in relevantem Ausmaß Resistenzen gegen Fluorchinolone entwickelt. Doch die zunehmenden Resis­tenzraten sind nur ein Grund, weshalb Fluorchinolone bei Reisediarrhö nicht mehr als Antibiotika der ersten Wahl gelten. Der zweite Grund ist ihr Nebenwirkungsspektrum, das unter anderem Enthesiopathien, Blutzuckerentgleisungen, Leberschäden und Herzklappeninsuffizienz umfasst. Aktuelles Antibiotikum der Wahl ist bei schwerer Reisediarrhö das gut verträgliche Azithromycin. Üblicherweise genügt die Einmalgabe von 1000 mg, bei unzureichender Wirkung wird die Behandlung für zwei weitere Tage mit jeweils 500 mg/d fortgeführt. Eine Antibiotikaprophylaxe kommt eventuell für Risikopersonen infrage, bei denen im Fall einer Reise­diarrhö mit Komplikatio­nen zu rechnen ist. Dazu zählen Herz-Kreislauf- und Nierenpatienten sowie Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Bei persistierender Diarrhö Motilitätshemmer absetzen

Zur symptomatischen Therapie (v.a. vor anstehenden Bus- und Flug­reisen) stehen die motilitätshemmenden Wirkstoffe Loperamid­, Racecadotril, und Diphenoxylat zur Verfügung. Wichtig ist bei diesen Medikamenten die strikte Einhaltung der Anwendungsschemata – auch mit Blick auf die Verträglichkeit. Auf diesen Punkt sollten Patienten ausdrücklich hingewiesen werden. Zudem müssen sie wissen, dass auch bei einer Therapie mit Motilitätshemmern eine konsequente Flüssigkeitssubstitution erforderlich ist. Bei persistierenden Durchfällen und/oder zunehmenden abdominellen Schmerzen müssen Motilitätshemmer abgesetzt werden. Sind die Durchfälle blutig oder von Fieber begleitet, sollen sie gar nicht angewendet werden. Generell raten die Autoren dazu, bei schweren Verläufen der Reise­diarrhö und bei einer Erkrankungsdauer von über zwei Wochen ärztliche Hilfe zu suchen.

Quelle: Manthey C, Malsy J. internistische praxis 2021; 64: 329-340

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Das höchste Risiko, an einer Reisediarrhö zu erkranken, besteht in Mittel­amerika, Südostasien und Afrika. Das höchste Risiko, an einer Reisediarrhö zu erkranken, besteht in Mittel­amerika, Südostasien und Afrika. © iStock/RealPeopleGroup