Reisediarrhö: Antibiotika meist nicht indiziert

Kathrin Strobel

Studien zeigen, dass die meisten Touristen im Reiseland die ursprünglichen Bedenken über Bord werfen und auch in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards zugreifen. Studien zeigen, dass die meisten Touristen im Reiseland die ursprünglichen Bedenken über Bord werfen und auch in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards zugreifen. © iStock/Whitepointer

In fast jeder Reiseapotheke finden sich Breitbandantibiotika – obwohl sie in den wenigsten Fällen nötig sind. Patienten mit Reisediarrhö beispielsweise kommen in aller Regel ohne Antibiose aus.

Durchfall ist ein häufiger Urlaubsbegleiter. Das Risiko für eine Reisediarrhö lässt sich zwar durch prophylaktische Maßnahmen minimieren. Allerdings zeigen Studien, dass die meisten Touristen im Reiseland die ursprünglichen Bedenken über Bord werfen und bei Getränken mit Eiswürfeln, Salaten, Milchprodukten etc. auch in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards zugreifen.

Kaum Evidenz für Wirksamkeit von Probiotika oder Heilerde

„Das ist ein wirkliches Problem“, sagte Professor Dr. Thomas Weinke, Innere Medizin I, Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam.

Für die Wirksamkeit von Probiotika, Heilerde oder Homöopathika gibt es kaum Evidenz. Impfungen fehlen, denn es gibt schlichtweg zu viele Erreger. Und Antibiotika? „Das Thema Antibiotikaprophylaxe schwappt immer wieder aus den USA mit einer für mich viel zu starken Dominanz herüber“, betonte der Experte. Häufig werde der Einsatz bei der Reisediarrhö bereits empfohlen, wenn die Beschwerden noch als moderat einzustufen seien. „Ein Antibiotikum hat für mich an diesem Punkt noch nichts zu suchen“, lautete das klare Statement des Referenten. Erst bei schweren Durchfällen kann aus seiner Sicht ein Antibiotikum einen Stellenwert haben.

Doch auch dann gibt es Grenzen der Selbstmedikation. Dauert die Diarrhö länger als drei bis fünf Tage, kommt es zu Fieber und/oder blutigen oder schleimigen Stühlen, zu kolikartigen Schmerzen oder Krämpfen, wird ein Arztbesuch notwendig.

Multiresistente gramnegative Bakterien haben leichtes Spiel

Auch bei Kreislaufschwäche, Apathie oder Bewusstseinsstörungen sollten Patienten professionelle Hilfe suchen. Kinder, ältere Menschen sowie Patienten unter Immunsuppression oder mit schweren Komorbiditäten dürfen die Reisediarrhö ebenfalls nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Die Einnahme von Antibiotika gegen Reisediarrhö erhöht Studien zufolge allerdings das Risiko für eine Kolonisation mit multiresistenten gramnegativen Bakterien (ESBL). So lag in einer Untersuchung mit Reiserückkehrern aus Indien der Anteil derer mit ESBL-Kolonisation

  • ohne Reisediarrhö und ohne Antibiotikaeinnahme bei 23 %,
  • mit Reisediarrhö, aber ohne Antibiotikaeinnahme bei 47 % und
  • mit Reisediarrhö und mit Antibiotikaeinnahme bei 80 %.

Noch größer wird das Risiko durch die zusätzliche Einnahme von Loperamid, wie eine andere Studie ergeben hat.

Sich kritisch fragen, ob Loperamid allein nicht reicht

Darin lag die Wahrscheinlichkeit einer ESBL-Kolonisation ohne Medikation bei 21 %, bei alleiniger Einnahme von Loperamid bei 20 %, unter einem Antibiotikum bei 40 % und unter der Kombination beider Stoffe bei 71 %. Man sollte sich daher kritisch fragen, ob Loperamid alleine nicht reicht, erinnerte Prof. Weinke.

Während Antibiotika im Rahmen einer Selbstmedikation im Reiseland keinen allzu hohen Stellenwert haben, ist ihr Einsatz bei Reiserückkehrern mit Diarrhö neben den symptomatischen Maßnahmen von großer Bedeutung. Chinolone sollten bei Reisediarrhö allerdings nicht mehr verordnet werden. Die Wahl der Behandlung erfolgt möglichst gezielt nach Antibiogramm, die empirische Therapie spielt eine eher untergeordnete Rolle.

Quelle: Kongressbericht 22. Forum Reisen und Gesundheit

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Studien zeigen, dass die meisten Touristen im Reiseland die ursprünglichen Bedenken über Bord werfen und auch in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards zugreifen. Studien zeigen, dass die meisten Touristen im Reiseland die ursprünglichen Bedenken über Bord werfen und auch in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards zugreifen. © iStock/Whitepointer