Wie Crohn und Colitis der Lunge zusetzen

Dr. Andrea Wülker

Assoziation unabhängig von Medikamenten - Suche nach molekularen Prozessen läuft. Assoziation unabhängig von Medikamenten - Suche nach molekularen Prozessen läuft. © fotolia/animaflora

Bei den extraintestinalen Manifestationen des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa hat man vor allem Haut, Augen und Gelenke im Blick. Weniger bekannt ist, dass die Lunge bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden kann.

Eine Assoziation von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) mit pulmonalen Leiden beruht oft auf medikamentös-toxischen Vorgängen. Aber es gibt auch nicht medikamentös bedingte Lungenkomplikationen im Rahmen von CED, schreiben Dr. Philipp Douschan, Pulmonologe von der Universitätsklinik für Innere Medizin in Graz und Kollege.

Möglicher Zusammenhang vor 40 Jahren publiziert

Dass bei diesen Patienten gehäuft Atemwegserkrankungen vorkommen, wurde erstmals vor rund 40 Jahren in einer Fallserie publiziert. Die Autoren vermuteten damals, dass die chronischen Darmentzündungen als Systemerkrankungen möglicherweise auch die Lunge angreifen. Die Zusammenhänge bestätigten sich in den folgenden Jahren, zudem erkannte man, dass umgekehrt auch bei chronischen Atemwegserkrankungen eine erhöhte CED-Inzidenz vorliegt.

Histologisch finden sich in beiden Organsystemen Zylinderepithelien und ein stark ausgeprägtes submukosales lymphatisches System (mucosa associated lymphoid tissue, MALT). Die Epithelien und das MALT erfüllen wichtige Abwehrfunktionen sowie immunologische Aufgaben. Die Epithelbarriere soll z.B. verhindern, dass Pathogene und Antigene in die stark durchblutete Submukosa gelangen. Sowohl bei chronischen Lungenerkrankungen als auch bei CED beobachtet man eine Störung dieses Schutzes, wodurch zahlreiche immunologische und entzündliche Prozesse in Gang gesetzt werden. Trigger der epithelialen Dysfunktion können verschiedene Faktoren sein, beispielsweise führt Zigarettenkonsum zu einem vermehrten Abbau von Tight junctions zwischen den Epithelzellen.

Als Reaktion auf die nun vermehrte Antigenexposition kommt es bei CED und auch z.B. bei der COPD zu einer überschießenden immunologischen Antwort. NOD 2, ein Rezeptor, der bakterielle Proteoglykane aufspürt, weist bei COPD und Colitis ulcerosa Defekte auf. Als Folge kommt es zur vermehrten Zytokinexpression.

Pulmonale Komplikationen vorwiegend bei Colitis ulcerosa

Pulmonale Komplikationen treten vorwiegend bei Colitis ulcerosa auf, seltener bei Morbus Crohn. Als assoziierte Atemwegserkrankungen sind beschrieben:
  • Akute und chronische Bronchitis
  • Asthma bronchiale
  • Bronchiolitis
  • Bronchiektasen
  • Trachealstenosen
  • Entzündungen der Epiglottis

Rauchen und Luftverschmutzung stellen gut etablierte Risikofaktoren für chronische Atemwegserkrankungen dar. Der Morbus Crohn scheint ebenfalls vermehrt bei Rauchern aufzutreten, die Colitis ulcerosa dagegen eher bei Nichtrauchern. Die Datenlage zum Passivrauchen als Risikofaktor für CED ist uneinheitlich. Was die Pathophysiologie anbelangt, konnten bei Nikotinabhängigen eine gestörte Peristaltik und Veränderungen der Schleimhautdurchblutung gezeigt werden. Zigarettenrauch scheint zudem das Mikrobiom im Atem- und im Verdauungstrakt zu verändern: grampositive Keime werden unterdrückt, gramnegative Mikroorganismen überwiegen. Und die bronchiale Schleimhaut von COPD-Patienten mit schweren Exazerbationen weist vermehrt gramnegative gastrointestinale Keime auf.

Feinstaub und Stickoxide wirken sich ebenfalls negativ auf intes­tinale Permeabilität und Flora aus und scheinen akute und chronische Entzündungen der Darmschleimhaut zu fördern. Auch wenn epidemiologische Daten auf eine Assoziation zwischen chronischen Lungenkrankheiten und CED hinweisen, so konnte bisher kein einzelner Mechanismus identifiziert werden, der den Zusammenhang erklärt.

Ungesundes Getuschel in der Organ-Nachbarschaft

Verschiedene Autoren gehen von einem „Lung Gut Cross Talk“ aus, was ausdrücken soll, dass ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren für das vermehrte Auftreten von COPD bei CED und umgekehrt verantwortlich sein könnte:
  • Matrix-Metalloproteinasen liegen bei allen drei Erkrankungen vermehrt vor. Eine erhöhte systemische Wirkung dieser Proteasen könnte zur Zerstörung epithelialer Strukturen in anderen Organen führen.
  • Ein Mangel an Alpha-1-Antitrypsin (A1AT) schädigt die Alveolarstrukturen. Bei der Colitis ulcerosa – insbesondere bei schweren Verlaufsformen – wurden Allele beobachtet, die mit erniedrigten A1AT-Spiegeln assoziiert sind.
  • Die Migration von aktiven Immunzellen aus dem MALT eines entzündeten Epithels in das lymphatische Gewebe eines anderen Organs könnte eine weitere Erklärung für die Koinzidenz von chronischen Darmentzündungen und Atemwegserkrankungen bieten.
Wenn bei Patienten mit CED pulmonale Auffälligkeiten gefunden werden, sollte man aber nie die Möglichkeit medikamentöser Nebenwirkungen vergessen, betonen die Autoren. So gibt es mehrere Berichte über interstitielle Lungenerkrankungen, eosinophile Pneumonie und eosinophile Pleuritis unter Sulfasalazin und Mesalazin. Auch Methotrexat führt gelegentlich zu einer interstitiellen Lungenerkrankung, insbesondere in den basalen Lungenabschnitten. 

Quelle: Douschan P, Olschewski H. Clinicum Pneumo 2017; 2: 18-23

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