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Wundversorgung: Das Gleichgewicht zwischen zu nasser und zu trockener Wunde halten

Klassische Kompressen haben als Wundauflagen ausgedient. Sie nehmen zwar viel Exsudat auf, die Läsion aber trocknet aus. Es bildet sich Schorf bis hin zur Nekrose. In diesem Milieu kann eine für die Heilung notwendige Zellwanderung bzw. Epithelisierung von lateral nicht stattfinden, erklärte Dr. Andrea Schindlbeck vom Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg. Ihr Kollege Dr. Bernd Weinmann fand drastischere Worte: „Wenn Sie eine Wunde trocken lassen, dann ist das letztendlich immer eine Art Palliativsituation!“
Den Rand konsequent vor Mazeration bewahren
Ein optimaler Verband erhält ein leicht feuchtes Milieu aufrecht. Allerdings gilt es, überschüssiges Exsudat zu entfernen – also ein Gleichgewicht zwischen zu nass und zu trocken zu finden. Genau das gelingt mithilfe moderner Auflagen. Im besten Fall gewährleisten diese weiter den Gasaustausch, lassen keine Mikroorganismen durch und ermöglichen atraumatische Verbandswechsel. Zusätzlich müssen Sie den Wundrand konsequent vor einer Mazeration bewahren. Mit Cremes, Sprays oder Applikatoren („Lollys“) lässt sich ein Film, z.B. aus Acrylat-Terpolymer, auftragen. Dieser trocknet bereits binnen 30 Sekunden und schützt den Übergang zum gesundem Epithel bis zu 72 Stunden vor Flüssigkeiten bzw. Exsudat.
Lokale Antibiotika schaden mehr als sie nutzen
Die eingesetzte Auflage sollte zum jeweiligen Stadium und zur jeweiligen Situation passen (s. Tabelle). Egal um welche Art der Wunde es sich handelt, die Heilung erfolgt immer in den gleichen Phasen mit variabler Dauer und fließendem Übergang: Exsudationsphase (Synonym: Inflammationsphase), Granulationsphase und Regenerations-/ Epithelisierungsphase. Vor allem während der Granulation sind die Kapillaren äußert empfindlich, betonte Dr. Schindlbeck.
Erst die Lage sondieren, dann stadiengerecht therapieren | |||||
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Wundsituation | Infektion | Nekrose | Fibrin | Granulation | Epithel |
Reinigung | Wundspüllösung (kein Leitungswasser!), ggf. Débridement | ||||
Wundauflage (Beispiele) | Silber, hydrophobe Wechselwirkung, Aktivkohle | Silber, hydrophobe Wechselwirkung, Hydrogel (Cave: Durchblutung?), Antiseptika | Hydrogel, ggf. + Polyurethan | Polyurethan, ggf. + Hydrogel | Polyurethan (dünner), Gaze, Folie |
Wundrandschutz | Wundrandspray, „Wundlollys“ |
Entzündungsphase/Infektion
Lokale Antibiotika sind out. Der Kollegin zufolge führen sie eher zu Resistenzen oder Unverträglichkeiten. Vielmehr eignen sich Wundauflagen mit antimikrobiellen Eigenschaften (z.B. solche mit Silber oder Polyhexanid). Bei Patienten mit Fieber sollten gleich systemische Antibiotika zum Einsatz kommen. Silberhaltige Produkte wirken gegen fast alle Pilze und Bakterien, inkl. MRSA und Pseudomonaden, betonte Dr. Schindlbeck. Jedoch verkleben sie zum Teil mit der Wunde (ggf. zusätzlich Hydrogel) und die Anwendung sollte sich auf 3–7 Tage beschränken. In Kombination mit Aktivkohle wirken die Auflagen geruchsbindend – ein Vorteil bei exulzerierenden Wunden. Zusätzlich NaCl oder ölhaltige Substanzen sind dagegen kontraproduktiv. Alternativ können Sie bei entzündeten Läsionen Auflagen mit hydrophober Wechselwirkung (Sorbact®) verwenden, die unbedingt direkten Kontakt zur Wunde brauchen (vorher reinigen!). Bakterien und Pilze werden in ihrem Maschennetz gebunden und dann mit dem nächsten Verbandswechsel entfernt.Tiefe Wunde
In den Tiefen des Meeres wachsen Algen, also nutzt man für tiefe Wunden Alginat, so die Merkhilfe der Referentin. Diese sogenannten „Auffüller“ ziehen osmotisch Wasser, quellen auf und haben einen komprimierenden blutstillenden Effekt. Außerdem binden sie mit ihrer hohen Saugkraft Zelltrümmer und Mikroorganismen. Da Alginate jedoch in alle Richtungen saugen, müssen Sie die Auflage zuschneiden, um Mazerationen zu vermeiden. Als weitere Möglichkeit nannte die Referentin Hydrofaser (z.B. Aquacel® und Suprasorb® Liquacel). Dabei sollten Sie auf eine lockere Applikation achten und etwas Raum zum Aufquellen lassen. Ohne einen Sekundärverband geht es in beiden Fällen nicht.Geschmacklose „Wundburger“
Nekrose/Beläge
Nekrosen und Beläge verschwinden mit Hydrogelen. Diese bestehen überwiegend aus Wasser und führen zu einem autolytischen Débridement. Doch Vorsicht: Prüfen Sie die Perfusion, bevor Sie Nekrosen auflösen! Bei unzureichender Vaskularisierung besteht die Gefahr, dass sich eine trockene Nekrose in eine feuchte Gangrän umwandelt, warnte Dr. Schindlbeck. Das Hydrogel sollten Sie ausreichend dick auftragen (ca. 3–5 mm) und die Wunde mit einem Sekundärverband (Folie, Polyurethanschaum) abdecken. Es gibt zudem verschiedene Gelvarianten mit Polyhexanid (z.B. Prontosan®-Gel) oder Alginat (z.B. Nu-Gel®).Granulationsphase
Der Polyurethanschaum findet in diesem Stadium als Primärverband Verwendung (z.B. Mepilex®, Allevyn®). Dessen Struktur schließt Sekret ein und der Schaum selbst setzt einen starken Granulationsreiz. Unterschiedliche Absorptionsgrade stehen zur Verfügung. Durch eine Silikonschicht haften die Auflagen nicht am Wundrand, was einen schmerzlosen Wechsel ermöglicht. Ein weiterer Pluspunkt: Sie können bis zu einer Woche auf der Wunde bleiben und so die Pflege erleichtern.Epithelisierungsphase
Gegen Ende der Therapie rücken Gazen und Wunddistanzgitter in den Fokus. Unter ihnen existieren zahlreiche Varianten (z.B. mit Silikon). Die Gitter haben keine eigene Saugkraft, ermöglichen durch ihre Struktur aber einen vertikalen Durchtritt von Exsudat. Aus diesem Grund dürfen sich die einzelnen Gitter nicht überlappen. Bei mehreren Lagen ensteht sonst eine „feuchte Kammer“. Und auch wenn eine Wunde schon gut geheilt ist, müssen Sie auf sie aufpassen, so der abschließende Appell der Referentin – Stichwort Druckentlastung.Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).