Zu viel Testosteron, zu viele Erythrozyten

Ein 55-jähriger Patient stellte sich mit postprandialem Erbrechen, Nachtschweiß, Tinnitus und Leistungsminderung im Universitätsspital Basel vor. Die Beschwerden hatte er nach eigenen Angaben seit ein paar Jahren, sie hätten sich aber vor Kurzem verschlechtert. Ein tertiärer Hypogonadismus durch eine Methadonsubstitution wurde seit mehr als zehn Jahren mit einer monatlichen intramuskulären Testosterongabe (250 mg) behandelt. Aufgrund einer geplanten Reise hatte er einen Monat zuvor eine doppelte Dosis erhalten. Zudem bestand eine antihypertensive Therapie mit einem Sartan.
Die körperliche Untersuchung ergab einen erhöhten Blutdruck von 152/84 mgHg, Hautrötungen an Gesicht und Extremitäten (Plethora) sowie eine verminderte Geschlechtsbehaarung und Gynäkomastie, schreiben die Autoren um Dr. Thomas Kofler, Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Basel. In der Laboruntersuchung fielen auf: ein erhöhter Hämoglobinwert (194 g/l), erhöhtes Hämatokrit (0,56 I/l), eine Leukozytose (16,5 x 109 Zellen/l) sowie eine leichtgradige Neutrophilie. Die Gonadotropine waren vollständig supprimiert, die gebundenen und freien Testosteronspiegel deutlich erhöht, während Globulin im Normbereich lag. Die beiden Verdachtsdiagnosen der Ärzte lauteten Polycythaemia vera und sekundäre Polyglobulie im Rahmen einer Übersubstitution Testosteron.
Akutbehandlung mit Clopidogrel und Aderlässen
Eine Abdomensonographie ergab keine Hinweise auf pathologische Lymphknotenansammlungen oder eine Splenomegalie; der Erythropoietinspiegel befand sich im Normbereich. Eine Knochenmarkpunktion zeigte ein normo- bis leicht hyperzelluläres Knochenmark mit trilineärer Durchreifung und leichter Hyperplasie der Erythropoese. Für eine Polycythaemia vera typische genetische Mutationen ließen sich nicht nachweisen.
Stattdessen führten die erhöhten Testosteronspiegel zur abschließenden Diagnose einer sekundären Polyglobulie im Rahmen einer Übersubstitution. Vermutlich hemmt das Androgen die Hepcidinausschüttung und führt zu einer vermehrten Eisenaufnahme und Bereitstellung. Möglicherweise wirkt es auch auf die Erythropoese im Knochenmark.
Die Akutbehandlung – bevor alle Befunde vorlagen – mit Clopidogrel und mehrmaligen Aderlässen führte zu einer wesentlichen Besserung der Beschwerden. Für die Zukunft empfahlen die Autoren wegen des günstigeren Wirkungsprofils eine Umstellung von Testosteronenanthat auf -undecanoat. Aufgrund des erhöhten Prostatakarzinomrisikos sind außerdem regelmäßig klinische und sonographische Untersuchungen indiziert.
Quelle: Kofler T et al. Der Internist 2017; 4: 397-401
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