
Zuerst die Zunge, dann der ganze Körper

Von einem komplizierten Fall berichten Dr. Dr. Karl Mauss von der Sektion für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie sowie weitere Kollegen der Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Asklepios Klinik Altona. Bei ihnen hatte sich ein 65-Jähriger zur Abklärung vorgestellt, der seit längerer Zeit starke Zungenschmerzen hatte. Er befand sich in einem guten Allgemeinzustand, klagte jedoch über eine veränderte Stimme sowie Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme.
Bei der klinischen Untersuchung stellten die Kollegen eine die Mittellinie überschreitende, mehr als drei Zentimeter große, sublinguale, ulzerierende Raumforderung des Mundbodens fest. Die histopathologische Untersuchung einer Gewebeprobe ergab einen teils epitheloid-, teils spindelzelligen Tumor.
Nach Abschluss der Staging-Untersuchungen erfolgte die Tumorresektion in Allgemeinnarkose, unter antibiotischer Abdeckung sowie nach Anlage eines Tracheostomas sowie einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie. Die Tumorgröße machte eine partielle anteriore Glossektomie und Mundbodenresektion beidseits sowie eine bilaterale Neck-Dissection Level I bis V notwendig, erläutern die Kollegen. Die Deckung des Weichteildefekts erfolgte mittels freiem Gewebetransfer (ALT-Lappen) vom rechten Oberschenkel: Die Operateure führten dabei den an die arteriellen und venösen Gefäße angeschlossenen Oberschenkellappen durch die submentale Pharyngotomie in die Mundhöhle ein, nähten ihn am Zungenstumpf an und passten ihn spannungsfrei in die Mundhöhle ein.
So gelang es, den gesamten Mundboden und die Zunge zu rekonstruieren, schreiben die Kollegen. Die Wundheilung verlief regelrecht, Nachresektionen wurden nicht notwendig. Die vollständige postoperative Tumorformel lautete pT3 pN3b (4/94) L0 V0 Pn1 G3 R0 ECE+.
Erweiterte Diagnostik wegen zusätzlichem Lymphom
Bereits bei der ersten Begutachtung der entfernten Lymphknoten fielen histopathologisch Areale mit partiell aufgehobener Lymphknotenarchitektur mit teils blastenartigen Zellinfiltraten und buntem zellulärem Hintergrund auf. Bei der immunhistochemischen Aufarbeitung des Gewebes bestätigten sich dann Infiltrate eines klassischen Hodgkin-Lymphoms vom Mischtyp.
Nun schloss sich eine erweiterte Diagnostik mit PET-CT, Knochenmarkpunktion und BSG-Bestimmung an. Diese ergab jedoch keinen Hinweis auf weitere Manifestationen außerhalb der zervikalen Lymphknoten, sodass das Lymphom als frühes Stadium eingestuft wurde.
Bei der Planung der weiteren adjuvanten Therapieschritte, und zwar einerseits im Hinblick auf die Modalität und andererseits im Hinblick auf die Reihenfolge der lokalen und systemischen Behandlung mussten sowohl das Mundbodenkarzinom als auch das Hodgkin-Lymphom berücksichtigt werden.
Aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums des Mundbodenkarzinoms war eine adjuvante Radiochemotherapie indiziert. Die Chemotherapie wurde dabei dem Hodgkin-Lymphom angepasst, das mit zwei Zyklen nach dem ABVD-Schema behandelt wurde.
Reihenfolge richtet sich nach der Dringlichkeit
Zusätzlich wurde eine Bestrahlung der Lymphommanifestationen vorgesehen. Bei einem fortgeschritteneren Hodgkin-Lymphom wären sechs bis acht Zyklen ABVD und eventuell eine Bestrahlung der PET-positiven Residuen notwendig geworden, erläutern die Hamburger Kollegen. Die Lymphomtherapie und die adjuvante Radiochemotherapie konnten nicht parallel durchgeführt werden. Die Therapiereihenfolge richtete sich daher nach der Dringlichkeit.
Hier gab das Hodgkin-Lymphom den Ausschlag: Als aggressiver Tumor erforderte es eine schnelle Therapie. Die adjuvante Behandlung des Oropharynx-Karzinoms wird nun im Anschluss an die ABVD-Therapie in Form einer reinen Radiatio durchgeführt, erklärt der Autor. Sie wird möglicherweise in eine noch ausstehende konsolidierende Lymphombestrahlung integriert werden.
Quelle Text und Abb.: Mauss KLM et al. Hamburger Ärzteblatt 2021; 75: 34-35; © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg
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