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Leitlinie zum Plattenepithelkarzinom in der Mundhöhle erneuert

Treten bösartige Tumoren in der Mundhöhle auf, handelt es sich fast immer um Plattenepithelkarzinome. Um die Prognose der Patienten zu verbessern, aktualisierten Fachgesellschaften unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie nun die S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Mundhöhlenkarzinoms“.
Die Neuerungen betreffen neben wenigen diagnostischen Aspekten vor allem den Umgang mit Halslymphknoten und die Behandlung fortgeschrittener Erkrankungen. Hier gehen die Verfasser jetzt zusätzlich auf neue Substanzen wie Checkpoint-Inhibitoren ein.
Revidiert haben die Autoren auch die Bedeutung von HP-Viren als Risikofaktoren für Mundhöhlenkrebs. Glaubte man bislang, dass der Nachweis von HPV 16 mit einer erhöhten Gefahr für derartige Malignome einhergeht, hat die Virendiagnostik nach neuestem Stand keinen validen Nutzen als prognostischer Faktor. Der routinemäßige HPV-Nachweis sei nicht mehr gerechtfertigt, da geschätzt weniger als 5 % der Mundhöhlenkarzinome darauf zurückgingen und die nachgewiesene DNA wahrscheinlich nicht biologisch aktiv sei.
Wenn man entsprechende Tests machen möchte, raten die Experten dringend zu kombinierten Methoden, wie DNA- plus RNA-Nachweis oder p16-Immunhistochemie. Liegt doch ein HPV- und/oder p16-positiver Krebs vor, erfolgt die Behandlung analog zu alkohol- oder nikotinassoziierten Tumoren.
PET/CT zum Ausschluss von Fernmetastasen
Zur Diagnostik und Abschätzung der lokalen Ausdehnung eines Primärtumors bleiben CT oder MRT die etablierten Verfahren. Die PET/CT hat hierbei keinen Stellenwert. Es besteht offenbar keine Evidenz dafür, dass sich mit der Methode eine Invasion in den Kieferknochen besser beurteilen ließe. Einigkeit herrscht, dass man im lokoregionär fortgeschrittenen Stadium vor funktionseinschränkenden Therapien eine FDG-PET/CT durchführen kann, um Fernmetastasen auszuschließen. Dafür sei die Methode tendenziell sensitiver als die CT.
Auch wenn der Tumor noch nicht gestreut hat, soll man bei cN0-Patienten weiterhin unabhängig von der T-Kategorie eine elektive Neck-Dissection vornehmen. Histologisch finden sich nämlich in 20–40 % der Fälle trotzdem okkulte Metastasen, oft sogar auch extrakapsuläres Wachstum. Wird auf das prophylaktische Ausräumen verzichtet, schränkt das die Prognose deutlich ein: Die Inzidenz späterer Lymphknotenmetastasen stieg Studien zufolge auf das Sechsfache und die krankheitsfreie Überlebenszeit verkürzte sich signifikant.
Plattenepithelkarzinome am Oberkiefer mit einer Invasionstiefe unter 3 mm metastasieren dagegen seltener, weswegen hier die Wait-and-See-Strategie eine Option bieten kann. Trotzdem herrscht starker Konsens, dass die Evidenz nicht ausreiche, um eine generelle Empfehlung gegen die Neck-Dissection von Level I-III abzuleiten.
Die Experten schreiben aber, dass beim cT1 cN0-Tumor am Oberkiefer darauf verzichtet werden kann – sofern er sich auf den Alveolarfortsatz und den harten Gaumen beschränkt, nicht tiefer als 3 mm eindringt, eine engmaschige Nachsorge gewährleistet ist und die T-Kategorie nach histologischer Aufarbeitung bestätigt wurde.
Auch bei unauffälligen Levels ausräumen
Es gibt keine Evidenz zur Frage, ob sich statt der elektiven Ausräumung eine Biopsie der Wächterlymphknoten eignet. Allerdings deute nichts darauf hin, dass die Biopsie hier unterliegt. Ihr Erfolg hängt jedoch von der Expertise des Arztes ab – besonders im Mundbodenbereich, wo sie die Leitlinien-Autoren deshalb eher nicht empfehlen.
Ebenso sollte man der Neck-Dissection den Vorzug geben, wenn operativ ein transzervikaler Zugang nötig wird. Im Fall von positiven Sentinel-Lymphknoten und nicht sicherer Detektion soll eine komplettierende Neck-Dissection erfolgen – hier herrscht starker Konsens.
Ein klinisch auffälliger Nodalbefund erfordert i.d.R eine OP. Da auch in unauffälligen Lymphknotenlevels eine hohe Wahrscheinlichkeit für okkulte Metastasen besteht, ist mindestens eine selektive Neck-Dissection der Level I–IV oder eine modifizierte radikale oder radikale Entfernung vorzunehmen.
Während die selektive Ausräumung schonender und komplikationsärmer ist, bietet das radikalere Vorgehen den Vorteil, auch okkulte Metastasen in tieferen Lymphknotenlevels zu erwischen. Im Fall eines cN+ Befundes ist in 5 % auch das Level IIB betroffen, sodass dieses immer mitausgeräumt werden sollte.
Durch das Entfernen des Primärtumors können Defekte im Kiefer entstehen, die es zu rekonstruieren gilt. An den bisherigen evidenzbasierten Empfehlungen zum Aufwand und zur Gewebetransplantation ändert sich nichts. Die Kollegen ergänzen jedoch die konsensbasierte Empfehlung, dass gerade bei komplexen Mehrsegmentdefekten die Knochenrekonstruktion auch CAD-/CAM-gestützt erfolgen kann. Dabei plant man z.B. Resektion und Rekonstruktion vorab virtuell.
Auch der Stand zur Bestrahlung oder Radiochemotherapie hat sich nicht grundlegend verändert. Als neuer Punkt kommt der Konsens hinzu, dass für pT1/2 pN1 Plattenepithelkarzinome die Indikation zur adjuvanten Radio(chemo)therapie angeboten werden kann.
Für inoperable Rezidive Radiatio innerhalb von Studien
Etwa ein Fünftel der primär behandelten Patienten erleidet ein Rezidiv. Dann stehen kurativ entweder eine erneute Operation und/oder eine Radio- bzw. Radiochemotherapie zur Verfügung. Nach der aktuellen Leitlinie darf man auf eine Salvage-Lymphknotendissektion verzichten, wenn der FDG-PET-Befund nach primärer Radiochemotherapie negativ ausfällt und nicht-nekrotische Lymphknoten vorliegen.
Eine erneute kurative Radiotherapie sollte man auch für Erkrankte mit inoperablem Rezidiv erwägen, deren betroffene Region bereits bestrahlt wurde. Dies sollte dann idealerweise im Rahmen einer klinischen Studie und in einer Spezialklinik erfolgen.
Lässt sich der Mundhöhlenkrebs nicht mehr heilen, sollen Patienten mit gutem Allgemein- und Leistungszustand eine palliative platinbasierte Chemotherapie in Kombination mit Cetuximab erhalten. Im Fall eines verringerten Allgemeinzustands sollte eine Monobehandlung erwogen werden.
In der neuen Leitlinienfassung gehen die Autoren auch näher auf die neueren Substanzen ein. So sollen Personen mit PD1-exprimierenden Tumor- und Immunzellen Pembrolizumab als Erstlinienpräparat erhalten – mono oder in Kombination mit Platin und 5-Fluorouracil (5-FU).
In den anderen Fällen raten die Experten palliativ zu Cetuximab in Kombination mit vorzugsweise Cisplatin und 5-FU gemäß dem EXTREME-Schema. Dies bot in Studien nicht nur einen Überlebensvorteil über mehr als fünf Jahre, es verbesserte auch Lebensqualität und tumorbedingte Beschwerden und war gut verträglich.
Andere EGFR- oder VEGF-Antikörper sind in diesem Setting für das Mundhöhlenkarzinom nicht zugelassen, und auch Tyrosinkinase-Inhibitoren bringen keinen signifikanten Nutzen. Schreitet die Erkrankung unter der gewählten Behandlung nicht voran, sollen die Betroffenen bis zur Progression eine Erhaltung mit Pembrolizumab bzw. Cetuximab bekommen. Den Erfolg gilt es, regelmäßig alle 6–12 Wochen per CT oder anderer Schnittbildgebung zu kontrollieren.
Platin/5-FU plus Cetuximab nach alleinigem CPI
Führt die platinhaltige Erstlinie mit Cetuximab nicht zum Erfolg, soll ein geeigneter Checkpoint-Inhibitor zum Zuge kommen. Nivolumab konnte in Studien gegenüber dem Kontrollarm zumindest das Ein-Jahres-Überleben auf 36 % verdoppeln und auch die Remissionsrate steigern. Unklar bleibt allerdings, wie stark der Effekt gegenüber einer platinbasierten Behandlung ausfällt, da Studien hierzu bislang fehlen. Versagt die Erstlinienkombi mit Pembrolizumab, kann man auf ein Taxan, ggf. mit Cetuximab, wechseln. Wirkt Pembrolizumab als Monotherapie nicht, bietet in der Zweitlinie der Einsatz von Platin/5-FU plus Cetuximab eine Option.
Quelle: S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Mundhöhlenkarzinoms, AWMF-Register-Nr. 007/100OL
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