Hausärztliche Hilfe am Lebensende Abrechnung der palliativmedizinischen Versorgung nach EBM
Die GOP 03370/04370 bis 03373/04373 können für die Behandlung von Patientinnen und Patienten jeden Alters berechnet werden, die laut Präambel des Abschnitts IIIa 3.2.5 EBM „an einer nicht heilbaren, fortschreitenden und so weit fortgeschrittenen Erkrankung leiden, dass dadurch nach fachlicher Einschätzung des behandelnden Arztes die Lebenserwartung auf Tage, Wochen oder Monate gesunken ist“.
Realität ist allerdings, dass es Patientinnen und Patienten mit einer tödlich verlaufenden Krankheit gibt, die dank der Fortschritte in der Medizin deutlich länger leben, aber Symptome und Beschwerden haben, die nur palliativ behandelt werden können. So gesehen genügt es, mit der Diagnose die Notwendigkeit der Behandlung zu begründen, wenn diese den in der Präambel geforderten medizinischen Inhalten entspricht.
Als Hausärztin/-arzt muss man in solchen Fällen individuell entscheiden, ob eine angemessene Versorgung in der Häuslichkeit oder in einer Pflege- bzw. Hospizeinrichtung möglich ist, die eine hausärztlich-palliativmedizinische Behandlung erforderlich macht. Die Berechnung der palliativmedizinischen Leistungen im EBM-Hausarztkapitel ist weder an eine besondere Qualifikation noch an eine KV-Genehmigung gebunden.
Die Eingangsleistung
Die GOP 03370 (341 Punkte bzw. 40,69 Euro, einmal im Krankheitsfall) steht für die palliativmedizinische Ersterhebung des Patientenstatus inklusive Behandlungsplan. Es gibt keine Vorschrift, wie ein solcher Plan aussehen muss. Es reicht, wenn in den Krankenunterlagen Hinweise zum Legendentext dokumentiert werden.
Obgleich die körperliche und psychische Untersuchung auch Bestandteil der Versichertenpauschale ist, kann sie in einer Sitzung neben der GOP 03370 zum Ansatz kommen. Wegen inhaltlicher Überschneidungen ausgeschlossen ist hingegen der Ansatz der GOP 03230, der Chronikerpauschale GOP 03220 und der geriatrischen Leistungen der GOP 03360/03362. Da sich das aber nur auf dieselbe Sitzung bezieht, ist ein Ansatz an anderen Tagen möglich.
Die Versorgungsleistungen
Da Patientinnen und Patienten mit tödlich endenden Erkrankungen zunächst noch in der Lage sein können, die Praxis aufzusuchen, gibt es die GOP 03371. Sie ist einmal im Behandlungsfall als Zuschlag zur Versichertenpauschale berechnungsfähig und beinhaltet neben dem obligatorischen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt eine palliativmedizinische Betreuung. Fakultativ ist die Koordinierung der palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung mit anderen spezialisierten Leistungserbringern (Vertragsärzte, Psychotherapeuten, Hospize, Pflege- und psychosoziale Betreuungsdienste etc.) sowie das Anleiten und Beraten der Betreuungs- und Bezugspersonen. Bemerkenswert ist, dass die GOP 03230 hier nicht ausgeschlossen ist und zusätzlich für ein Gespräch je 10 Minuten angesetzt werden kann. In diesem Fall darf sich der Gesprächsinhalt aber nicht ausschließlich auf die palliativmedizinische Behandlung beziehen.
Für die palliativmedizinische Betreuung in der Häuslichkeit sind die GOP 03372 (Zuschlag zu den GOP 01410 oder 01413, je 15 Minuten) und 03373 (Zuschlag zu den GOP 01411, 01412 oder 01415, je Besuch) verfügbar. Beide sind jeweils mit 124 Punkten bzw. 14,80 Euro bewertet.
Während die GOP 03372 eine Zeitvorgabe für die Plausi-Prüfung von 15 Minuten hat, ist das bei der GOP 03373 – ebenso wie bei den zugrunde liegenden Besuchen – nicht der Fall. Die palliativmedizinische Versorgung eines Patienten im Pflegeheim würde deshalb beim Ansatz der GOP 01415 und 03373 zu keiner Belastung des „Zeitkontos“ der Hausärztin/des Hausarztes führen.
Mögliche Abrechnung von Leistungen im Fallbeispiel | ||
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EBM | Leistungsbeschreibung | Punkte/Euro |
1. Kontakt im Quartal | ||
03005 | Versichertenpauschale ab Beginn des 76. Lj. | 200/23,87 |
03220 | Zuschlag zur Versichertenpauschale für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung | 130/15,51 |
01410 | Besuch eines Kranken, wegen der Erkrankung ausgeführt | 212/25,30 |
03360 | Hausärztlich-geriatrisches Basisassessment | 113/13,49 |
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist | 128/15,28 |
2. Kontakt im Quartal | ||
01410 | Besuch eines Kranken, wegen der Erkrankung ausgeführt | 212/25,30 |
03370 | Palliativmedizinische Ersterhebung des Patientenstatus inkl. Behandlungsplan | 341/40,69 |
03221 | Zuschlag zur GOP 03220 für die intensive Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung | 40/4,77 |
03372 | Zuschlag zu der GOP 01410 für die palliativmedizinische Betreuung in der Häuslichkeit | 124/14,80 |
01442 | Videofallkonferenz mit der/den an der Versorgung des Patienten beteiligten Pflege(fach)kraft/-kräften | 86/10,26 |
3. Kontakt im Quartal | ||
01415 | Dringender Besuch eines Patienten in beschützenden Wohnheimen bzw. Einrichtungen bzw. Pflege- oder Altenheimen mit Pflegepersonal wegen der Erkrankung, noch am Tag der Bestellung ausgeführt | 546/65,16 |
03362 | Hausärztlich-geriatrischer Betreuungskomplex | 174/20,76 |
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch | 128/15,28 |
Ein Fallbeispiel
Der 81-jährige Klaus W. leidet an Hypertonus und Typ-2-Diabetes. Es wurde auch ein metastasierendes Pankreaskarzinom diagnostiziert. Bei einem Versorgungsbesuch stellt sich heraus, dass mit Blick auf das Alter des Patienten die vorhandenen Behandlungsoptionen nicht in Betracht kommen und deshalb nur noch eine palliativmedizinische Versorgung möglich ist. Die weitere Vorgehensweise wird mit dem Patienten in Anwesenheit des Personals des Pflegeheimes in einem 15-minütigen Gespräch erörtert (Tab., 1. Kontakt).
Im Rahmen der weiteren Versorgung werden Besuche im Abstand von etwa vier Wochen vereinbart, ggf. ergänzt durch vom Pflegeheim angeforderte Besuche bei akuten Ereignissen. Beim ersten Versorgungsbesuch (2. Kontakt im Quartal) werden die notwendigen palliativmedizinischen Eingangsleistungen erbracht. Um den Ablauf im Heim nicht zu beeinträchtigen, wird mit dem Pflegepersonal eine Videokonferenz zur Erörterung der Versorgungsleistungen vereinbart und am selben Tag durchgeführt.
Zu beachten ist:
- Neben der GOP 03370 ist zwar die GOP 03220 ausgeschlossen, nicht aber die GOP 03221.
- Die GOP 03372 (und ggf. 03373) kann in gleicher Sitzung neben der 03370 berechnet werden.
Im weiteren Verlauf wird vom Pflegeheim ein Hausbesuch angefordert und am gleichen Tag ausgeführt, da der Patient über starke Übelkeit und Brechreiz klagt (3. Kontakt im Quartal). Nach Abklärung der Ursachen der Beschwerden und einer symptomatischen Behandlung erfolgt ein 12-minütiges Gespräch mit einer Pflegekraft über die weitere Vorgehensweise. Ein Kontrollbesuch wird in zwei Tagen vereinbart.
Bitte beachten:
- Neben der GOP 01415 kann zur palliativmedizinischen Versorgung die GOP 03373 berechnet werden. Stehen Untersuchung und Behandlung der Akuterkrankung auch im Zusammenhang mit dem geriatrischen Zustand des Patienten, ist alternativ der Ansatz der GOP 03362 (174 Punkte) möglich, die besser vergütet ist als die GOP 03373 (124 Punkte).
- Darüber hinaus ist neben der GOP 03362 der Ansatz der GOP 03230 möglich, der neben der GOP 03373 ausgeschlossen ist.
Im weiteren Verlauf der Behandlung können jeweils noch die Zuschläge nach den GOP 03372/03373 neben den Hausbesuchsleistungen berechnet werden. So gesehen ist es möglich und korrekt, alle zur Verfügung stehenden Komplex- und Einzelleistungen zum Ansatz zu bringen.
Weitere denkbare Leistungen wären die GOP 01425/01426 (Erst-/Folgeverordnung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung), wenn ein Palliativteam eingeschaltet wird. Erfolgt die Verordnung als Teilversorgung, können die GOP 03371 bis 03373 weiter von der Praxis erbracht und berechnet werden.
Medical-Tribune-Bericht