Beim Sprechstundenbedarf auf regionale Besonderheiten achten

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Beim Sprechstundenbedarf kocht jede KV ein eigenes Süppchen. Beim Sprechstundenbedarf kocht jede KV ein eigenes Süppchen. © iStock.com/Wicki58

Seit es keine Arzneimittelregresse mehr ohne „Beratung vor Regress“ gibt, stellen die Kassen vermehrt Einzelregressanträge. Besonders in Bezug auf den Sprechstundenbedarf bedeutet das ein Risiko, da hier hohe Rückforderungen entstehen können. Bis in die Feinheiten durchsteigen, kann sich lohnen.

Als Sprechstundenbedarf (SSB) gilt, was für die Anwendung an mehr als einem Patienten oder in Notfällen in der Praxis vorgehalten werden muss. Leider ist es aber nicht möglich, die notwendigen Arznei- oder Verbandmittel einfach über ein Kassenrezept zu ordern, man muss für die Ausgaben zunächst selbst gerade stehen. Über die Kasse ersetzt bekommt man dann nur das, was man aus dem Bestand verwendet hat.

Ein Problem liegt dabei in der Regionalität: Jede der 17 Kassenärzt­lichen Vereinigungen (KV) hat hierzu nämlich andere Regelungen getroffen. Allgemeinverbindliche Grundlage für diese Regelungen sind die EBM-Kapitel in den Allgemeinen Bestimmungen I.7.1 und I.7.2, die definieren, welche Kosten in den Gebührenordnungspositionen (GOP) bereits enthalten sind und welche nicht berechungsfähig sind.

Nur nichts aus der falschen Liste verordnen!

Nach I.7.1 enthalten die einzelnen EBM-Leistungen die Kosten für Einmalspritzen, Einmalkanülen, Einmaltrachealtuben, Einmalabsaugkatheter, Einmalhandschuhe, Einmalrasierer, Einmalharnblasenkatheter, Einmalskalpelle, Einmalproktoskope, Einmaldarmrohre, Einmalspekula, Einmalküretten, Einmalabdecksets, Kosten für Reagenzien, Substanzen und Materialien für Laboratoriumsuntersuchungen. Verordnet man etwas aus dieser Liste als SSB, können die Kassen bei der jeweiligen Prüfstelle der KV einen Prüfantrag wegen unzulässiger Verordnung stellen. Vergleichbares gilt für die nicht berechnungsfähigen Kosten aus dem Absatz 7.2. Der Regress ist damit also quasi sicher.

Im Abschnitt I.7.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM sind dann die Kosten aufgeführt, die nicht in den Gebührenordnungspositionen enthalten sind, wie solche für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur weiteren Verwendung behält, Kosten für Einmalinfusionsbestecke, Einmalinfusionskatheter, Einmalinfusionsnadeln und Einmalbiopsienadeln. Hinzu kommen in der Regel auch Desinfektions- und Hautreinigungsmittel zur Anwendung am Patienten. Alles Weitere ist dann allerdings kompliziert. Einmal aufgrund der regional unterschiedlichen Regelungen, aufgrund derer ein Blick auf die Homepage der eigenen KV unbedingt angeraten ist.

Ein anderer Grund kann allerdings auch die regional unterschiedliche Auslegung der Regelungen sein. Zum Beispiel haben im Bereich der KV Nordrhein die Kassen massenweise Regressanträge wegen der Verordnung von Verbandstoffen gestellt: Rund 1300 Prüfanträge wegen der Verordnung moderner Wundversorgungsmaterialien über den Sprechstundenbedarf waren es allein im 4. Quartal 2016. Im 1. Quartal 2017 sind weitere rund 3000 Prüfanträge hinzugekommen, wobei sich die Regressforderungen im Einzelfall auf über 20.000 Euro beliefen. Und das, obgleich Verbandstoffe eindeutig nach den oben genannten EBM-Bestimmungen zum SSB gehören.

Warum diese Anträge dann gestellt wurden? Die bei einzelnen Patienten notwendigen Verbände wurden über den Sprechstundenbedarf statt per Rezept auf den Namen des Patienten bezogen. Das ist im Grunde genommen sogar preisgünstiger, wird von den Kassen im Rahmen des Wettbewerbs untereinander aber nicht akzeptiert, da der SSB im Umlageverfahren anteilig von allen Kassen getragen werden muss und ein Verbrauch durch einzelne Versicherte einer Kasse so zu einer finanziellen „Schieflage“ führt.

Für die Feinheiten müssen dann oft die Sozialgerichte ran

Es gilt deshalb, genau darauf zu achten, dass SSB-Artikel nicht für einzelne Patienten verwendet werden. Doch an diesem Punkt wird es doppelt schwierig. So sind z.B. Anaphylaxiebestecke, obgleich es sich um Notfallarzneimittel handelt, nach einem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen nicht über SSB beziehbar, sondern müssen vorgehalten und bei Verbrauch an einem Patienten per Rezept auf dessen Namen ersetzt werden (L11 KA 32/02 vom 26.02.2003). Was die Feinheiten betrifft, sind es dann also die Sozialgerichte, die entscheiden.

Der Sprechstundenbedarf in der GOÄ

In der GOÄ regelt der § 10, welche Materialien dem Patienten in Rechnung gestellt werden können. Schwierig ist dies aber auch, denn die Berechnung von Pauschalen ist nicht zulässig und Teilbeträge zu ermitteln mit bürokratischen Aufwand verbunden. Berechnungsfähig sind in der GOÄ Materialien, die der Patient zur weiteren Anwendung behält oder die mit einer einmaligen Anwendung verbraucht sind (§ 10 Abs. 1 Ziffer 1). Hierunter können auch Instrumententeile verstanden werden, die tatsächlich mit der einmaligen Anwendung verbraucht sind und als Einmalartikel nicht ausgeschlossen sind. Im § 10 Abs. 2 GOÄ sind abschließend alle Materialien aufgezählt, die nicht berechnungsfähig sind (Kleinmaterialien, Reagenzien u. Oberflächenanästhetika, Desinfektions- u. Reinigungsmittel, Augen-, Ohren-, Nasentropfen, Puder, Salben, geringwertige Arzneimittel sowie Einmalartikel). Strittig ist dabei die Berechnung von Einmalartikeln. Auch die Aufzählung in § 10 Abs. 2 Ziffer 5 ist als abschließend anzusehen und alle dort nicht genannten Materialien (die nicht durch andere Regelungen ausgeschlossen sind) können in Rechnung gestellt werden. Hierbei wird aber die Art nicht unterschieden, sodass die preiswerten Vinyl-Einmalhandschuhe genauso wenig berechnungsfähig sind wie die teuren sterilen Latex-Einmalhandschuhe. Hilfreich kann hier der sogenannte BG-Nebenkostentarif der UV-GOÄ sein. Dort werden die berechnungsfähigen Kosten den einzelnen GOP als Pauschalen zugeordnet. Die meisten Privatkassen akzeptieren vernünftigerweise diese Pauschalen trotz des o.g. Pauschalen-Verbotes in der GOÄ aus verwaltungstechnischen Gründen.