Terminvermittlung Honorar auch bei HzV-Patienten
In einer E-Mail vom 22. Februar 2023 schreibt das BMG-Referat „Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen“ an die KBV: „Nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit ist die GOP 03008 EBM grundsätzlich für an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmende Vertragsärzte abrechnungsfähig.“ Das Gesundheitsministerium stimmt der KBV zu, dass Leistungen über den EBM abgerechnet werden können, solang diese nicht im HzV-Ziffernkranz enthalten sind.
§ 73b Absatz 2 SGB V gebe vor, dass mit der HzV Anforderungen erfüllt sein müssen, die über die der hausärztlichen Versorgung nach § 73 hinausgehen. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die hausärztliche Versorgung nach § 73 nicht zwingend Bestandteil der HzV sei. Demnach könnten entsprechende GOP abgerechnet werden.
Zwar sei die 03008 als Zuschlag zur Versichertenpauschale (03000) ausgestaltet. Die Intention des Gesetzgebers sei es aber, dass die gesamte hausärztliche Versorgung von dem Vergütungsanreiz fürs erfolgreiche Vermitteln eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins in die fachärztliche Versorgung profitiere. „Es wäre widersinnig, wenn gerade die Hausärzte, die den Zugang zu der fachärztlichen Versorgung steuern und koordinieren sollen, nicht von einer entsprechenden Zuschlagsregelung profitieren würden“, schreibt das BMG der KBV. Verbunden wird damit die Bitte an die Körperschaft, „die Abrechenbarkeit der GOP 03008 entweder im EBM sicherzustellen oder auf die Kassenärztlichen Vereinigungen dahingehend einzuwirken, dass ... Pseudo-GOP für die Versichertenpauschale eingeführt werden“. Und: „Sollte es diesbezüglich weitere Hindernisse geben, bitte ich um entsprechende Rückmeldung, damit wir eine entsprechende gesetzliche Klarstellung vornehmen können.“
Den ersten Satz des Schreibens kann man in Verbindung mit dem letzten als Drohung ansehen. Sorgt die KBV nicht dafür, dass ein Ansatz der 03008 grundsätzlich immer und damit auch in der HzV möglich ist, will das Ministerium das durch einen gesetzlichen Nachtrag verdeutlichen.
Formal ist es im Moment tatsächlich so, dass ein Ansatz der 03008 bei Patienten, die in einen HzV-Vertrag eingeschrieben sind, nicht möglich ist. Die Legende lautet: „Zuschlag zu der Versichertenpauschale nach der GOP 03000 für die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V“.
Da die Versichertenpauschalen grundsätzlich Teil des Ziffernkranzes in der HzV sind, würde ein Ansatz auf „KV-Schein“ dazu führen, dass die Leistung gestrichen wird. Dagegen kann man zwar Widerspruch einlegen. Es liegt aber im Ermessen der KV, ob sie dem Rechnung trägt. Damit es hier zu einer einheitlichen Regelung kommt, schlägt das BMG eine Pseudo-GOP vor. Diese könnte z.B. den Legendentext „Versichertenpauschale nach GOP 03000 im Rahmen der HzV“ haben, mit 0 Punkten bewertet sein und damit den Ansatz der 03008 ermöglichen.
Wie geht es nun weiter? Formal können KVen, die bisher den Ansatz der 03008 im Rahmen der HzV ablehnen, weiter so verfahren. Das KBV-Regelwerk lässt einen isolierten Ansatz dieser GOP bei der KV-Abrechnung nicht zu. Die KBV müsste deshalb möglichst bald der Aufforderung des BMG folgen und passende Vorgaben beschließen. Dazu ist bis zum 31. März 2023 noch genügend Zeit. Es ist also für Ärzte ratsam, bei HzV-Patienten im ersten Quartal 2023 die Leistung im Überweisungsfall stets anzusetzen.
Die KBV hat angekündigt, das Thema im zuständigen Arbeitskreis zu diskutieren. Da das BMG mit einer Art Ersatzvornahme droht, sollte die Entscheidung nicht im Sinne der Stellungnahme erfolgen, dürfte das nur eine Formsache sein.
Will das BMG ein Primärarztsystem durch die Hintertür?
Die Stellungnahme des BMG tangiert noch eine andere Facette, die in den KVen unterschiedlich ausgelegt wird. Die Neuregelung schließt nämlich eine Lücke in der Kausalkette, die aus der Freiwilligkeit der Teilnahme an HzV-Verträgen resultiert.
- In § 76 Abs. 3 SGB V heißt es: „Der Versicherte wählt einen Hausarzt.“ Der Gesetzgeber hat die Kassen verpflichtet, ihren Versicherten eine hausarztzentrierte Versorgung anzubieten. Die Teilnehmer müssen sich dabei schriftlich gegenüber ihrer Kasse verpflichten, nur einen von ihnen gewählten Hausarzt sowie ambulante fachärztliche Behandlung nur auf dessen Überweisung hin in Anspruch zu nehmen (ausgenommen sind Leistungen von Augenärzten und Frauenärzten).
- Der neue § 87a Abs. 2b SGB V sieht für eine Überweisung durch einen Hausarzt vor, dass der Facharzt Zuschläge auf die jeweilige Grundpauschale und eine extrabudgetäre Vergütung erhält. Der Zeitraum, innerhalb dem der Patient einen solchen Termin erhalten soll, ist von vier auf bis zu 35 Tage erweitert worden, wenn es dem Patienten z.B. nicht gelungen ist, die Warteschleife der Terminservicestelle zu überwinden, um dort eine Vermittlung zu erhalten. Lediglich ab dem 24. Tag ist eine medizinische Begründung erforderlich, was bereits mit der Indikationsstellung erledigt wird.
- § 12 Abs. 1 schreibt vor, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Kassen nicht bewilligen. Da ein Patient mangels medizinischer Kenntnisse i.d.R. nicht entscheiden kann, mit welchen Beschwerden er zu welchem Facharzt gehen muss, wäre in den meisten Fällen eine fachärztliche Inanspruchnahme ohne vorherige Indikationsstellung durch einen Hausarzt ein Verstoß gegen dieses Wirtschaftlichkeitsgebot – Notfälle ausgenommen.
Fazit: Nur ein Patient, der sich in einen HzV-Vertrag eingeschrieben hat, muss bei der Inanspruchnahme eines Facharztes dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung tragen, da er diese nicht ohne Indikationsstellung und Überweisung seines Hausarztes tun kann. Die neue gesetzliche Regelung weitet diese Vorgehensweise auf Patienten aus, die sich bisher geweigert haben, dieses „Primärarztmodell“ zu akzeptieren. Wenn Fachärzte deshalb nur noch Patienten annehmen, bei denen – wie in der HzV – zuvor der Hausarzt die Indikation und Dringlichkeit festgestellt hat, kann die Fehlinanspruchnahme fachärztlicher Leistungen auf ein Mindestmaß reduziert werden. Der Beschluss des 20. Deutschen Hausärztetages von 1997 zur Einführung eines Primärarztsystems würde damit doch noch realisiert und sogar zu einer Entbudgetierung derart in Anspruch genommener fachärztlicher Leistungen führen.
Medical-Tribune-Bericht