Lässt sich die quartalsbezogene Vergütung überwinden?
Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), hat in einem Presseinterview das Ende der quartalsweisen Abrechnung ärztlicher Leistungen gefordert. Die althergebrachte Praxis führe häufig dazu, dass Patienten nicht sofort einen Termin bekämen und erst im neuen Quartal behandelt würden.
Um ihr Honorar zu sichern, müssten Ärzte Quartal für Quartal neue Fälle generieren. Daraus entstünden medizinisch nicht immer nachvollziehbare Arzt-Patienten-Kontakte, volle Wartezimmer und hohe Wartezeiten auf einen notwendigen Termin. „Das ist medizinisch totaler Unsinn, den sollten wir uns nicht mehr leisten“, meint Dr. Baas. Bei der geplanten Überarbeitung des Vergütungssystems für Ärzte solle die „völlig überholte Quartalslogik“ deshalb verschwinden.
Budgetierung und Pauschalen verantwortlich für Fehlanreize
Der stellvertretende Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe hält den Vorstoß des TK-Vorsitzenden für diskussionswürdig. Denn er biete die Chance, die Budgetierung zu beenden und zur Einzelleistungsvergütung zurückzukehren, so Allgmeinarzt Dr. Dryden. Die Vergütungssystematik in der jetzigen Form biete zwar Fehlanreize. Diese seien aber nicht im Quartalsbezug begründet, meint er. Die Probleme resultieren vielmehr aus Budgetierung und Pauschalierung.
Gut 60 % der GKV-Gesamtvergütung würden der Budgetierung unterliegen, wobei der Anteil bei den patientennah versorgenden Fachgruppen mit bis zu 90 % höher ausfalle und der Anteil bei den Spezialisten erheblich geringer.
Einzelleistungsabrechnung entzieht sich der Periodik
Budgets ließen sich aber nur in definierten Zeitfenstern gerecht verteilen. „Für eine Abkehr von der Quartalsperiodik wäre eine spätestens zeitgleiche Abkehr von der Budgetierung zwingend erforderlich. Nicht die gewohnte Rhythmik erzeugt diese Zeitintervalle, sondern die Budgetierung“, schlussfolgert der KV-Vize.
Auch die Pauschalisierung bzw. Komplexbildung der Vergütungselemente im Einheitlichen Bewertungsmaßstab fokussiere sich auf zeitliche Behandlungsintervalle, erläutert Dr. Dryden. Kleinstes Intervall sei der Behandlungsfall, sprich ein Quartal, und größtes Intervall der Krankheitsfall, das heißt die am Patienten zu behandelnde Erkrankung im gesamten Zeitverlauf.
Nach Meinung von Dr. Dryden gibt es nur einen Weg die Periodik zu ändern. „Nur Einzelleistungen könnten diese Problemstelle brechen, sie wären aber mit deutlich mehr Verwaltungsaufwand sowohl für Praxen und Kassenärztliche Vereinigungen als auch für die Krankenkassen verbunden.“
Diese Beispiele würden die Forderung des TK-Chefs konterkarieren. „Damit enthält seine Aussage eigentlich völlig andere Konsequenzen als die reine Abkehr von der Quartalssystematik, wie die 1:1-Vergütung der ärztlichen Honorarrechnungen und die Rückkehr zur Einzelleistungsvergütung“, sagt Dr. Dryden. Er sieht in dieser Diskussion für die Ärzteschaft „eine Chance zum Wandel oder gar zum Aufbruch“.