Leichenschau: Hinweise auf eine Reform der Honorierung
Nächtliches Wegegeld am hellichten Tag, unzulässige Feiertags- und Nachtzuschläge, doppelter Ansatz von Ziffern – mit solchen Tricks sollen Ärzte überall in Deutschland Rechnungen für die Todesfeststellung bis auf eine individuell gefühlt angemessene Höhe geschaukelt haben. Nicht nur im Raum Karlsruhe, sondern auch aus Brandenburg und Nordrhein gibt es Berichte zu einer gestiegenen Zahl falscher Honorarberechnungen und seit Längerem schon soll die Staatsanwaltschaft Duisburg aufgrund ähnlicher Vorwürfe gegen 140 Ärzte ermitteln.
Dabei beliefen sich die Honorarstellungen auf bis zu 200 bis 300 Euro, so die Presseberichte, in denen dann Experten zu Wort kommen mit Aussagen wie: „Alles, was über 77 Euro liegt, ist rechtswidrig.“ 77 Euro, das ist der 3,5-fache Satz der GOÄ-Ziffer 100 plus höchstmögliches Wegegeld. Alles darüber hinaus sei nicht von der GOÄ gedeckt.
Sicher ist dabei vor allem eines: Wird für die Leichenschau tatsächlich die Ziffer 100 angesetzt, dann ist sie wahrlich unzureichend honoriert – kein Schlüsseldienst würde dafür auch nur losfahren, ist ein geflügelter Satz in diesem Zusammenhang. „Die seit 1996 unverändert geltende GOÄ bildet Leistungsinhalt und -umfang der ärztlichen Leichenschau in keiner Weise mehr ab“, kann die Bundesärztekammer (BÄK) dazu auch nur mantramäßig betonen.
Die unzureichenden Berechnungsmöglichkeiten der verschiedenen Konstellationen würden immer wieder zu Abrechnungsstreitigkeiten führen, die zulasten der Ärztinnen und Ärzte gehen. Die Leichenschau stünde dabei exemplarisch für die Unzulänglichkeit der aktuell gültigen und veralteten GOÄ. Klar, würde die GOÄ endlich novelliert, wäre auch das Problem der unterbezahlten Leichenschau vom Tisch. Wurde sie aber bislang nicht.
Ärztetag, Justizminister, Gesundheitsminister – alle würden wollen
Deswegen hat der Deutsche Ärztetag in den vergangenen Jahren immer wieder die Forderung nach einer vorgezogenen Erhöhung der Vergütung der Todesfeststellung an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gestellt, zuletzt im vergangenen Jahr. Auch die Bundesregierung selbst befand 2016 in einer Stellungnahme, dass Änderungsbedarf bestehe, da die Nr. 100 plus Wegegeld die Anforderungen an die Todesfeststellung nicht abbildet.
Und bereits im Jahr 2011 hatte eine im Auftrag der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) eingerichtete Arbeitsgruppe eine Vergütung von 170 Euro für die ärztliche Leichenschau empfohlen. Gegründet worden war diese Arbeitsgruppe, um die 2009 von der Justizministerkonferenz auf den Weg gebrachten „umfangreichen“ Reformvorschläge zu prüfen, die eine Verbesserung von Qualität und Honorierung dieser ärztlichen Leistung mit sich bringen sollten.
2014 hat die Justizministerkonferenz darauf hingewiesen, dass die vor Jahren ausgesprochenen Empfehlungen „noch nicht ausreichend“ umgesetzt worden seien und die GMK doch bitte auf eine Intensivierung der Umsetzung hinwirken solle. Die Erhöhung der Gebühr sei dabei eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Qualität der Leichenschau.
Die Unzulänglichkeiten in Sachen Qualität und Honorierung der ärztlichen Leichenschau bestehen also murmeltiermäßig seit Jahren – aber warum? Ein Sprecher der GMK erklärt auf Anfrage, dass aufgrund der Vielzahl der Zuständigkeiten und Akteure, „Länder, Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenhäuser“, sowie der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgangssituationen in den Bestattungsgesetzen der Länder eine bundesweite Vorgehensweise nicht zu erreichen sei.
Gerade prüfen die Länder die vorgezogene Anpassung des Leichenschau-Honorars
Aber dann sagt er noch: Der GMK liege aktuell ein Vorschlag der BÄK für eine vorgezogene Anpassung der GOÄ vor, mit der Bitte, das Anliegen gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium zu unterstützen. Und dazu fände aktuell eine Abfrage unter den GMK-Mitgliedern statt. Abhängig von den Rückmeldungen würde es dann möglicherweise zu einer erneuten Beschlussfassung der GMK kommen, um eine zeitnahe Novellierung der GOÄ für diesen Bereich anzuregen.
Und das Gesundheitsministerium informierte auf Anfrage, dass es derzeit „intensiv“ prüfe, wie die Leistungen der Todesfeststellung angemessen bewertet werden können. Diese Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.
Länder und Bund scheinen also tatsächlich am Start zu sein. Ob es dabei wieder beim folgenlosen Anlauf bleibt oder ob endlich die Dringlichkeit der angemessenen Bezahlung die notwendige Antriebskraft liefert, um ein Ziel zu erreichen im Sinne der Ärzte, die täglich im Land unterwegs sind, um sich Todesursachen anzugucken – das wird sich dann zeigen.
Medical-Tribune-Recherche