Verlängerte Sprechzeiten entlasten in Stoßzeiten
Der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ hat vorgeschlagen, dass Hausärzte durch längere Sprechzeiten am Abend und am Wochenende den Bereitschaftsdienst entlasten könnten. Als Vorbild könnte z.B. der „Kinderärztliche Bereitschaftsdienst“ in Hessen dienen. Das ist zwar kein „Notdienst“ im eigentlichen Sinne, eher eine Art ausgelagerte Sprechstunde. Die beteiligten Kinderärzte sind nur mittwochs von 16 bis 20 Uhr, freitags von 18 bis 22 Uhr und an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen von 9 bis 20 Uhr erreichbar. Aber genau das entlastet den allgemeinen Bereitschaftsdienst wesentlich, da damit die üblichen Spitzenzeiten abgedeckt werden.
Am EBM liegt‘s nicht: Der hat die nötigen Ziffern
Ähnlich könnte man sich das auf freiwilliger Basis im hausärztlichen Bereich vorstellen. Was fehlt, ist das Instrumentarium. Dabei bietet der EBM für einen solchen Ergänzungsdienst bereits die notwendigen Abrechnungspositionen: Wer seine eigenen Patienten an Werktagen zwischen 19 und 22 Uhr oder an Samstagen, Sonn- und Feiertagen zwischen 7 und 19 Uhr betreut, kann dafür die Ziffer 01100 berechnen. Und wer seine Patienten an Samstagen zwischen 7 und 14 Uhr in einer offiziellen Sprechstunde zusätzlich versorgt oder Heimbesuche nach Ziffer 01413 macht, kann hierfür die Ziffer 01102 berechnen.
Beide Leistungen sind sogar bei einem rein telefonischen Kontakt ansatzfähig und werden mit 20,64 Euro bzw. 10,64 Euro angemessen vergütet. Sie beinhalten auch keine Zeitvorgaben, sodass man durch eine solche zusätzliche Sprechstunde auch nicht Gefahr läuft, in eine Plausibilitätsprüfung nach Zeitvorgaben zu geraten.
Ein Mangel ist jedoch die fehlende extrabudgetäre Vergütung dieser Zusatzleistungen, denn die Nrn. 01100 und 01102 sind üblicherweise Bestandteil des Regelleistungsvolumens (RLV), was zu einer budgetierten Vergütung führt – ohne Bezug zum Aufwand.
Und es gibt noch ein unschönes Hindernis: In Hessen hat eine hausärztliche Landpraxis 2008 diesen Weg beschritten und ist damit prompt vor der Prüfungsstelle der KV gelandet. Dort wurde den beiden Kollegen das so erwirtschaftete Zusatzhonorar wieder abgenommen. Eine Klage scheiterte (LSG Hessen Az.: L 4 KA 27/14, Urteil vom 18.10.2013).
Dabei kann man den Richtern keinen Vorwurf machen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich auf die gültige Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise nach § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit der hessischen Prüfvereinbarung zu beziehen. Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Durchschnittswerten beurteilt und mit denjenigen der Fachgruppe bzw. einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten Gruppe verglichen.
Hier droht der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit!
Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht – was sich auch nicht mehr mit Unterschieden in der Praxisstruktur oder den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt –, dann hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (Bundessozialgericht, Urteil vom 16.7.2003, Az.:B 6 KA 45/02 R).
Hier wäre also die Selbstverwaltung gefordert, Abhilfe zu schaffen. Ähnlich wie bei den Bereitschaftsdienstleistungen müssten solche freiwilligen Bereitschaftsdienste nach den Nrn. 01100 bis 01102 aus einem eigenen Honorarbudget, z.B. als freie Leistung, vergütet und von der Vergleichsbetrachtung bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen werden.
Damit würden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der eigentliche vertragsärztliche Bereitschaftsdienst wäre – wie beim Kinderärztlichen Bereitschaftsdienst – zu Spitzenzeiten entlastet und die viel beklagte direkte Inanspruchnahme von Krankenhausambulanzen verhindert. Vermutlich wäre eine solche Maßnahme auch nicht mit wesentlichen Mehrkosten verbunden. Sie könnte vielleicht sogar Einsparungen bewirken. Die KVen müssten sich nur aufraffen, einen solchen innovativen Weg zumindest einmal zu erproben.