Gesundes-Herz-Gesetz Mehr Prävention in der Hausarztpraxis

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

2025 tritt das Gesundes-Herz-Gesetz in Kraft. 2025 tritt das Gesundes-Herz-Gesetz in Kraft. © tonktiti – stock.adobe.com

Wenn das Gesundes-Herz-Gesetz so kommt, wie vom Bundeskabinett vorgesehen, werden die Praxisteams zusätzliche Präventionsaufgaben übernehmen. Die Kassen müssen ihre Versicherten darauf hinweisen. Dass passt gut zu den avisierten Versorgungs- und Vorhaltepauschalen.

Weil die Lebenserwartung hierzulande mit 80,8 Jahren nur knapp über dem EU-Durchschnitt von 80,1 Jahren liegt, will das BMG die Präventionsmaßnahmen in der GKV intensivieren. Der Hebel wird bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesetzt.

Bemerkenswert ist die Entschlossenheit, mit der die erweiterten Leistungen bei den Gesundheitsuntersuchungen (GU) umgesetzt werden sollen. Dies könne laut BMG zwar grundsätzlich in den Richtlinien des G-BA verankert werden. Eine Festlegung dort wäre aber erst mittel- oder langfristig zu erwarten. Deshalb schaffe der Gesetzgeber die Ansprüche für gesetzlich Versicherte direkt.

Aus den im Bundeskabinett beschlossenen Maßnahmen ergeben sich folgende Änderungen bei den in der hausärztlichen Praxis üblichen Vorsorgeleistungen:

§ 26 Absatz 2a SGBV (neu): 
Kinder und Jugendliche

  • zwischen dem 5. und noch nicht vollendeten 15. Lebensjahr haben Anspruch auf eine einmalige Bestimmung des LDL-Cholesterin-Werts sowie eine molekulargenetische Untersuchung, wenn dort ein erhöhter LDL-Cholesterin-Wert festgestellt wird, 
  • zwischen dem 12. und noch nicht vollendeten 15. Lebensjahr sind von ihrer Krankenkasse zu solchen Untersuchungen einzuladen. 

§ 25c SGB V (neu): 
GKV-Versicherte haben einmalig 
… nach der Vollendung des 25. Lebensjahrs ein Anrecht auf

  • das Erfassen von kardiometabolischen Risikofaktoren und Vorerkrankungen, insbesondere Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Adipositas, durch eine standardisierte Befragung zu individuellen, verhaltensbezogenen Risiken und durch eine Untersuchung,
  • das Erfassen einer familiären Häufung von Fettstoffwechselstörungen sowie von Voruntersuchungen auf Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter durch eine standardisierte Befragung und
  • eine Bestimmung des Cholesterin-Profils, sofern dieses nicht bereits aus einer Untersuchung im Kindes- oder Jugendalter bekannt ist.

… nach der Vollendung des 40. Lebensjahrs ein Anrecht auf

  • das Erfassen von verhaltensbezogenen Risiken und Vorerkrankungen, insbesondere Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Adipositas, durch eine standardisierte Befragung zu individuellen, verhaltensbezogenen Risiken und eine Untersuchung,
  • die Quantifizierung des 10-Jahres-Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse mittels etablierter Risikobewertungsmodelle und
  • die Quantifizierung des 10-Jahres-Risikos für eine Diabetes-Erkrankung mithilfe des Deutschen Diabetes-Risiko-Tests.

… nach der Vollendung des 50. Lebensjahrs ein Anrecht auf

  • die Leistungen wie seit dem vollendeten 40. Lebensjahr (s. o.) und
  • das Erfassen von Symptomen, insbesondere hinsichtlich einer koronaren Herzkrankheit oder einer Herzinsuffizienz.

Die Krankenkassen haben dazu schriftlich einzuladen. Der G-BA soll in Richtlinien festlegen, ob derartige erweiterte Leistungen auch für weitere Versicherte angezeigt sind – insbesondere für diejenigen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben. 

Künftiges Spektrum der Früherkennung in hausärztlichen Praxen
EBM-GOPLeistungsbeschreibung
01732Gesundheitsuntersuchung (GU) ab vollendetem 18. Lebensjahr, einmalig
01760Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen bei der Frau ab dem 20. Lebensjahr, jährlich
Erweiterte GU ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, einmalig
01732GU ab vollendetem 35. Lebensjahr, alle drei Jahre
01734Zuschlag zur GOP 01732 für das Screening auf Hepatitis-B- und/oder auf Hepatitis-C-Virusinfektion ab vollendetem 35. Lebensjahr, einmalig
01745Früherkennungsuntersuchung auf Hautkrebs ab vollendetem 35. Lebensjahr, alle zwei Jahre
Erweiterte GU ab vollendetem 40. Lebensjahr, einmalig
01731Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen beim Mann ab dem 45. Lebensjahr, jährlich
01737Ausgabe und Weiterleitung eines Stuhlprobenentnahmesystems, ab dem 45. Lebensjahr, jährlich bzw. alle zwei Jahre
Erweiterte GU ab dem vollendeten 50. Lebensjahr, einmalig
01740Beratung zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms ab dem 50. Lebensjahr, einmalig
01747Beratung zum Ultraschallscreening auf Bauchaortenaneurysmen beim Mann ab dem 65. Lebensjahr, einmalig
Ggf. erweiterte GU ab vollendetem 70. Lebensjahr

Künftig mehr Angebote  zur Tabakentwöhnung

Da im Gesetzestext in den o. g. Punkten ausdrücklich auf „erweiterte Leistungen zur Früherkennung“ abgehoben wird, wird sich offenbar an den bisherigen Präventionsleistungen in den EBM-Abschnitten II 1.7.1 und II 1.7.2 nichts ändern. Das hausärztliche Leistungsspektrum bei Erwachsenen erweitert sich somit wie in der Tabelle dargestellt.

Zur Vorbeugung schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle wird Vertragsärztinnen und Vertragsärzten die Möglichkeit eröffnet, medikamentös auch primärpräventiv zu verordnen. Gedacht ist an den Einsatz von Statinen für Patientinnen und Patienten mit einem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 

Ohne konkrete Nennung von Wirkstoffen oder Methoden, aber von evidenzbasierten Programmen wird die bisher auf eine „schwere Tabakabhängigkeit“ beschränkte Behandlung zur Tabakentwöhnung erweitert. Es soll die Möglichkeit geben, Erkrankten auch außerhalb einer GU einen zwischen den Bundesmantelvertragspartnern vereinbarten Vordruck „Präventionsempfehlung“ bei Nikotinkonsum und bei risikoadaptiertem Ernährungsverhalten auszuhändigen und gesondert abzurechnen. 

Der Bewertungsausschuss (BA) hat eine EBM-Position zu schaffen für eine gemäß der Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie abzugebende Empfehlung zur Tabakentwöhnung, zur Reduktion von Übergewicht durch eine ausgewogene Ernährung sowie zum Vermeiden einer Mangel- und Fehlernährung. Diese Leistung soll aber nur berechnungsfähig sein, wenn in dem laufenden und den drei vorangegangenen Kalenderquartalen für die Tabakentwöhnung und in dem laufenden und den sieben vorangegangenen Kalenderquartalen für das Ernährungsverhalten keine GU stattgefunden hat. 

Die Kassen werden verpflichtet, ihren Versicherten DMP, die vom G-BA beschlossen wurden, anzubieten, damit diese schneller als bisher Verträge mit den Leistungserbringern vereinbaren. Zusätzlich wird dem G-BA zur Auflage gemacht, Anforderungen an ein neues DMP für Behandlungsbedürftige mit einem hohen Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu beschließen.

Das Prinzip der geplanten Maßnahmen passt gut zur Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars gemäß Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). Die Einladungen werden zusätzliche präventive Fälle in die Praxen bringen, die durch die GVSG-Regelungen zu Versorgungs- und Vorhaltepauschalen den notwendigen zeitlichen Rahmen erhalten, sich um diese Menschen zu kümmern. Die Betonung auf die sekundäre Prävention bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, z. B. über ein neues DMP und die Ausweitung des diagnostischen Rahmens, dürfte die Befürchtung zerstreuen, dass chronisch Kranke künftig wegen des im GVSG geschaffenen nur noch zweimal notwendigen Arzt-Patienten-Kontakts im Krankheitsfall bei der Versorgungs- und Vorhaltepauschale schlechter versorgt sein könnten.

Da der BA drei Monate Zeit hat, solche Neuregelungen im EBM umzusetzen, und der G-BA nur noch gestaltend zwischengeschaltet ist, könnten die Präventionsmaßnahmen und die Entbudgetierung zum 1. Januar oder 1. April 2025 in Kraft treten.

Medical-Tribune-Bericht