Mit der ePA kommen neue Haftungsrisiken und Dokumentationspflichten

e-Health , Telemedizin Autor: Anouschka Wasner

Die elektronische Patientenakte wird sich in der Arzt-Patienten-Beziehung haftungsrechtlich etablieren. Die elektronische Patientenakte wird sich in der Arzt-Patienten-Beziehung haftungsrechtlich etablieren. © Andrii Symonenko – stock.adobe.com

Auch wenn es sich nicht so anfühlt: Die elektronische Patientenakte ist eigentlich schon da. Und geht es nach Jens Spahn und der gematik, wird ihre Funktion und damit ihre Verbreitung in nächster Zeit deutlich Schwung aufnehmen. Damit entstehen in den Praxen beim Befüllen und bei der Einsichtnahme neue Pflichten.

Gibt es eigentlich eine Pflicht für Arzt oder Ärztin, die ePA eines Patienten einzusehen? Wie intensiv müssen die Einträge der ePA in einem konkreten Fall durchsucht werden? Und wie sollen die Suchergebnisse aus ärztlicher Sicht bewertet werden? Rechtsanwalt Dr. Ole Ziegler der Kanzlei Plagemann, Frankfurt, geht davon aus, dass sich die ePA haftungsrechtlich in der Beziehung zwischen Arzt und Patient etablieren wird.

Voraussetzung dafür ist, dass die Akte – wie gesetzlich definiert – als eine zusätzliche Informationsquelle dient und die ärztliche Beurteilung ausschlaggebend bleibt bei der Einschätzung solcher Fragen, wie sie sich jetzt aus ärztlicher Sicht aufdrängen. Sicher ist: Mit der Einführung der ePA entstehen Ärztinnen und Ärzten haftungsrechtliche Pflichten, so Dr. Ziegler auf einer Informationsveranstaltung der gematik.

Solange die ePA freiwillig ist, kann ein Arzt zunächst nicht wissen, ob der Patient, der vor ihm steht, über eine ePA verfügt. Zu seinen Pflichten gehört es an diesem Punkt, sich dazu Kenntnis zu verschaffen.

Ab jetzt muss gefragt werden: „Haben Sie eine ePA?“

Allerdings nur, schränkt der Anwalt ein, sofern es Anlass dafür gibt wie etwa, dass „der Patient von anderen Arztbesuchen erzählt“. Und da es hier um Haftungsrechte geht, gilt wie immer: Frage und Antwort sollten dokumentiert werden!

Verneint der Patient die Anfrage, hat er also keine ePA, endet die Aufgabe des Arztes damit. Es gehört auf jeden Fall nicht zu seinem Job, jemanden von der Sinnhaftigkeit der ePA zu überzeugen. „Das ist Sache der Kassen“, so der Anwalt.

Hat der Patient dagegen eine ePA, muss er an dieser Stelle entscheiden, ob der Arzt oder die Ärztin Einsicht nehmen darf. Entscheidet sich der Patient dagegen, entsteht dem Arzt dagegen sehr wohl eine Pflicht daraus: Er muss nämlich jetzt den Patienten darauf hinweisen, dass sich in der ePA Informationen befinden könnten, die für die weitere Versorgung sinnvoll sein könnten. Auch diesen Hinweis sollte der Arzt gleichermaßen dokumentieren! Wird der Hinweis nicht gegeben, könnte das die ärztlichen Informationspflichten berühren.

Aber muss denn wirklich bei jeder Gelegenheit Einsicht in die ePA genommen werden? Nein. Auftrag der ePA ist die gezielte Unterstützung von Anamnese und Befunderhebung.

Es muss also weder immer Einsicht genommen werden noch ggf. alles gelesen werden. Interessant ist also nur, was notwendig ist für eine adäquate Versorgung, und zwar im aktuellen Behandlungskontext unter Beachtung des Facharztstandards.

Bei banalen Dingen wie Schnupfen ist Einsichtnahme also sicherlich nicht notwendig, genauso wenig wie bei Einsichtnahme das Studium aller Dokumente unabhängig vom Behandlungskontext. „Die ePA muss so intensiv durchsucht werden, wie es die individuelle Konstitution des Patienten notwendig macht“, so Dr. Ziegler. Wie vorgegangen wird, hängt also ab davon, wie komplex das Krankheitsbild nach ärztlicher Einschätzung ist bzw. welches Risiko sich daraus ergeben könnte, wenn eventuell relevante Informationen nicht gefunden werden.

Was versorgungsrelevant ist, bleibt ärztliche Entscheidung

Genauso rein ärztlich sei zu bewerten, wie im konkreten Zusammenhang relevante Suchergebnisse bei den eigenen ärztlichen Entscheidungen einbezogen werden sollen. Die Dokumente und Informationen in der ePA können also auch als irrelevant eingeschätzt werden.

Die Befüllung der ePA sei allerdings „kein Wunschkonzert des Patienten“, so Dr. Ziegler. Zwar liegt die Entscheidung beim Patienten, was von den möglichen zu speichernden Dokumenten tatsächlich für die Akte von ihm freigegeben wird. Vorgesehen ist die Befüllung aber ausschließlich im aktuellen Behandlungskontext und mit den versorgungsrelevanten Daten der aktuellen Behandlung. Dabei entscheidet alleine der Arzt, welche Daten versorgungsrelevant sind.

Medical-Tribune-Bericht