DGIM 2022 Die elektronische Patientenakte: Ein Datenspeicher verpflichtet
Auf die Datennutzung zu Forschungszwecken konzentrierte sich Rechtsanwalt und Arzt Prof. Dr. Dr. Christian Dierks im Rahmen des DGIM-Symposiums „Die elektronische Patientenakte in der Hausarztpraxis – grenzüberschreitende Informationsquelle?“. Die Datenfreigabe zu Forschungszwecken, die Einbindung von DiGA-Data und die digitale Identität seien die wesentlichen Funktionalitäten, die die ePA erst interessant machen würden, betont er.
Zuvor hatte Prof. Dierks, Fachanwalt für Sozial- und Medizinrecht und Managing Partner eines Beratungsunternehmen für die Förderung von Innovationen im Gesundheitswesen, betont, dass er Interessen vertrete, deswegen habe er auch keine Konflikte zu vermelden. Zu den Zielen seines Unternehmens gehöre es, den Forschungsstandort Deutschland zu stärken und die Transformation des Gesundheitswesens zu beschleunigen, indem man zum Beispiel Forschungsdatenplattformen begleite. Dazu gehöre auch, sich dafür einzusetzen, dass die Gesetzgebung forschungsfreundlicher wird. Sein Beratungsunternehmen habe z.B. den § 287 a SGB V entworfen. Der Paragraf regelt, dass Krankenkassen und KVen Datenbestände für Forschungsvorhaben mit bestimmten Zielsetzungen auswerten können. Aufgrund solcher Tätigkeiten stünde er mit seinem Unternehmen im Lobbyregister.
Zum besseren Verständnis der ePA als zentraler Speicherort für personenbezogene Gesundheitsdaten betont Prof. Dierks, dass die ePa aktuell erst zu 50 % in Funktion sei. Die wesentlichen Funktionalitäten stünden noch aus. „Die entscheidende Wendung kommt mit der Öffnung für die Forschung“, sagte Prof. Dierks. Die ePa sei das Bindeglied zur Forschung. „Die Qualität der Versorgung wird sich verbessern, wenn es uns gelingt, alle Daten zur Versorgung bereitzustellen.“
Der Koalitionsvertrag enthalte eine Forderung des Sachverständigenrates, ein Datennutzungsgesetz zu schaffen. Darunter verstehe er eine Verpflichtung der Leistungserbringer, Daten bereitzustellen, zu pseudonymisieren und für die Forschung bereitzustellen. Ziel sei, dass jeder, der einen „vernünftigen“ Forschungsantrag stellt, unter bestimmten Rahmenbedingungen mit diesen Daten forschen kann. Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ermögliche den Mitgliedsaaten Regelungen zu Forschungszwecken. Sie biete eine Rechtsgrundlage für die Anbindung an das Forschungsdatenzentrum und auch die erweiterte Rechtsgrundlage für die Freigabe der Daten durch den Patienten für Forschungszwecke. „Die Verschmelzung von Versorgung und Forschung ist die entscheidende Transformation in eine neue Qualität“, so Prof. Dierks.
Hausärzte in der Pflicht?
Für den einzelnen Vertragsarzt sieht Prof. Dierks sogar eine juristische Pflicht, über die ePa zu informieren, aber auch ihre Nutzung anzuraten, sowie Daten dort einzustellen. Begründen würde sich das über die Verpflichtung zur Einhaltung des allgemein anerkannten Stands der medizinischen Wissenschaft. „Nach meiner Auffassung ist der Einsatz eines zentralen Gesundheitsdatenspeichers der gegenwärtige Stand der Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft“, so Prof. Dierks. „Wenn Sie einem Patienten nicht dazu raten, die ePa zu nutzen, und er erleidet aufgrund unvollständiger Informationen im Rahmen des Behandlungsgeschehens einen Schaden, dann ist das etwas, auf das Sie ursächlich Einfluss genommen haben und für das Sie auch haftbar gemacht werden können“, begründete Prof. Dierks seine These.
Auch den Patienten sieht Prof. Dierks in der Verantwortung stehen. Er habe dann eine neue Funktion: Er müsse die Daten bei den Leistungserbringern sammeln, sie strukturieren, den Leistungserbringern wieder bereitstellen und auf Forschungsdaten Bezug nehmen. Richtig sei, dass die meisten Patienten dazu aktuell noch nicht in der Lage sind. „Es wird einen Personal Health Data Manager geben, die für einen festen Betrag im Monat anbieten, Gesundheitsdaten zu managen“, so Prof. Dierks. An der Charité - Universitätsmedizin Berlin sei man gerade dabei, einen ePA-Coach zu entwickeln.
Das Leitthema des diesjährigen Internistenkongresses lautete „Die Grenzen der Inneren Medizin“. Denn die Innere Medizin sei nicht nur mit medizinischen Grenzen und den Grenzen ihres Fachgebietes konfrontiert. Auch ethische Grenzen, Grenzen am Lebensende, Kostengrenzen, Grenzen des technisch Möglichen und Sinnvollen spielen in der täglichen Routine eine Rolle. Dabei ginge es mit Blick auf eine voranschreitende Digitalisierung auch um die Frage, wie weit das Recht auf Leben und Gesundheit dem Datenschutz geopfert werden soll und umgekehrt.
Kongressbericht: 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin