Digitaler Impfpass: Praxen sollen Impfzertifikat auch rückwirkend ausstellen
Seit dem 1. Juni ist das technische Herzstück des EU-Systems für den Impfpass bereits online. Über das innerhalb von zwei Monaten errichtete EU-Gateway können die im QR-Code der Zertifikate enthaltenen Sicherheitsschlüssel geprüft werden – die Grundvoraussetzung für einen EU-weiten Einsatz des Impfzertifikates.
Die dazugehörende europäische Verordnung gilt zwar erst ab dem 1. Juli. Deutschland will sich aber wie sechs andere Mitgliedsstaaten auch – darunter Bulgarien, Dänemark, Griechenland, Kroatien, Polen und Tschechien – umgehend an das Gateway anschließen und beginnen, EU-Zertifikate auszugeben. Ab Anfang Juni soll dann in den Impfzentren der digitale Nachweis bereits regulär auf Wunsch zu erhalten sein.
Ein Problem dabei: Aktuell sind bereits 17 Millionen Bundesbürger zweimal geimpft, ohne einen elektronischen Nachweis darüber erhalten zu haben. Und mit jedem Tag, an dem die Nachweise noch nicht regulär ausgestellt werden, wächst diese Zahl wieder ein bisschen weiter.
Für jene Impfungen, die in den Impfzentren erfolgt sind, sollen die digitalen Nachweise den Impflingen per analoger Post frei Haus zugestellt werden – also der Ausdruck eines QR-Codes, der dann eingescannt werden kann. Alle anderen bereits erfolgten bzw. in der nahen Zukunft noch erfolgenden Impfungen werden dann aber nachzutragen sein, nach der Vorlage des gelben Impfausweises oder einer anderen Impfbestätigung.
Nachtragen dürfen alle, auch wer nicht selbst impft
Das sollen in Zukunft die Apotheker und die Niedergelassenen übernehmen, und zwar auch solche, die nicht selbst gegen SARS-CoV-2 impfen. So sieht es das gerade vom Bundestag durchgewunkene Zweite Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vor. Voraussetzung für das Zertifikatsmodul ist die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI).
Auf die Arztpraxen kommt also bald einerseits das Ausstellen des digitalen Impfpasses nach erfolgter Impfung zu, andererseits aber auch das Nachtragen bereits erfolgter Impfungen – wobei zu letzterem niemand verpflichtet sein soll.
Wie attraktiv der neue Job ist, ist Ansichtssache: 6 Euro soll es geben für das Ausstellen eines digitalen Zertifikates einer COVID-19-Impfung bei einem eigenen Patienten (in der Regel also 2 x 6 Euro), unabhängig davon ob direkt nach der Impfung oder nachträglich ausgestellt wird. Erfolgt das aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS) heraus, reduziert sich der Betrag auf 2 Euro.
Wurde die Impfung dagegen in einem Impfzentrum oder durch eine Betriebsärztin durchgeführt, gibt es für das nachträgliche Ausstellen – mit Blick auf den erhöhten Aufwand der Prüfung der Impfdokumente – 18 Euro, plus 6 Euro für die Zweitimpfung, wenn diese zeitgleich ausgestellt wird. Wie diese Prüfung auf Echtheit aussehen soll, dazu finden sich aktuell keinerlei Informationen.
Die KV Hessen empfiehlt deswegen den Praxen, nur eigenen Patienten Zertifikate auszustellen. Keines der externen Unterlagen ließe sich wirklich auf Echtheit überprüfen. „Insbesondere die Ersatzbescheinigungen der Impfzentren lassen sich mit jedem noch so einfachen Scanner und geringem Zeitaufwand nach Belieben anpassen“, so ein Sprecher der KV.
Unter den Kolleginnen und Kollegen wächst die Sorge, der Mehraufwand könne die Praxen weiter an den Rand des Leistbaren drücken. Das Bundesgesundheitsministerium versucht deswegen das Nachtragen für die Ärzte so attraktiv wie möglich zu gestalten. Dazu gehört auch der Plan, dass das notwendige Impfzertifikat-Modul für das PVS für die Niedergelassenen kostenlos sein soll. Die PVS-Hersteller sind aufgefordert, die entsprechende Funktion bis 12. Juli in ihre Programme eingebunden zu haben.
Ist das PVS noch nicht so weit, muss alles eingetippt werden
Ein Lockangebot soll die Entwicklung beschleunigen: Für jede Praxis, der ein Angebot einer Schnittstelle gemacht wird (die Praxis muss es nicht angenommen haben), winken dem Hersteller 105 Euro. Rein rechnerisch lohnt sich das, müssen doch für jede Impfung, die aus dem System heraus erfolgt, nur 2 Euro statt 6 Euro vergütet werden.
Mittlerweile ist die „schnellstmögliche Entwicklung und Implementierung der digitalen Schnittstellen“ zwischen den 140 am Markt vorhandenen PVS und dem System des COVID-19-Zertifikates von IBM ausgeschrieben. Mit dem Stichtag 14. Juni. Bis Juli ist es dann nicht mehr weit.
Viele Hersteller haben sich beklagt, dass die Spezifikation zum Erstellen der Schnittstellen viel zu spät vorgelegen habe. Und die Spahnsche Flut an neuer Gesetzgebung, Regelungen und Vorgaben würde die Hersteller durch die daraus erwachsenden immer wieder neuen Anforderungen bis aufs Äußerste auslasten.
Was ist also, wenn das eigene PVS noch kein entsprechendes Modul aufweisen kann? Dafür soll es Zwischenlösungen geben. So stellt z.B. das Robert Koch-Institut eine Webanwendung bereit. Dort muss aber getippt werden: Name, Geburtsdatum, Impfstoff, Impfdosis und Impfdatum werden manuell in ein Online-Formular eingegeben, um den QR-Code zu erstellen.
Was sagen die Patienten und die Apotheker dazu?
- Erstellen des Zertifikates: Bei der Impfung löst die impfende Stelle über eine App (Certificate Generation App) eine Zertifikatserstellung beim Zertifikatsserver aus. Das Zertifikat besteht aus einem QR-Code und einer individuellen Kennung des passenden Sicherheitsschlüssels (Public Key). Die relevanten Daten – Name, Geburtsdatum, Datum der Ausstellung, Datum der Impfung, verwendeter Impfstoff – liegen nicht auf dem Server, sondern im Zertifikat.
- Speicherung im Handy: Das Zertifikat wird dann in einer der passenden Apps auf dem Smartphone gespeichert bzw. es wird ausgedruckt, um es zu einem späteren Zeitpunkt einzuscannen. Ein Schutz, um mehrmaliges Einscannen auf verschiedenen Smartphones zu verhindern, ist nicht vorgesehen.
- Prüfung: Der Geimpfte zeigt das Impfzertifikat gegenüber der prüfenden Stelle vor. Diese muss anhand des Ausweises prüfen, ob das Impfzertifikat zu dieser Person gehört. Mit einer Verifier-App wird dann der QR-Code vom Smartphone gescannt, so dass über das europäische Gateway die Echtheit des Public Keys abgeglichen werden kann.
Medical-Tribune-Bericht