Der Gesetzgeber soll garantieren, dass den GKV-Kunden keine Vorteile für Fernbehandlungen gewährt werden, die den Hausarztverträgen zuwiderlaufen. Groß erscheint die Gefahr, dass Krankenkassen ihren Versicherten aufgeben, sich vor einem direkten Arzt-Kontakt einer Fernbehandlung zu unterziehen.
Die Angebote müssen für Patienten und Ärzte freiwillig bleiben und dürfen „nicht als Kostensparprogramm für Krankenkassen missverstanden werden“, betont Ulrich Weigeldt. Der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes fordert Klarheit, „in welchen Fällen eine Fernbehandlung sinnvoll und möglich ist“. In der Hausarztpraxis werden ausschließliche Fernbehandlungen die Ausnahme bleiben, meint er.
Mit Vertretern von Ärzteorganisationen, der Selbstverwaltung und der Pflege will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn übers Umsetzen der Liberalisierung sprechen.
Bislang war eine reine Fernbehandlung gemäß Muster-Berufsordnung grundsätzlich untersagt. Künftig entscheidet der Arzt „im Einzelfall“ selbst, ob eine Beratung oder Behandlung unter Beachtung der ärztlichen Sorgfaltspflicht ausschließlich per Telefon, Videoschalte, Chat etc. möglich ist. Der Patient ist über die Besonderheiten einer ausschließlichen Fernbehandlung aufzuklären.
Ärztekammern aufgerufen, ihre Berufsordnungen anzupassen
Es wird allerdings noch einige Zeit dauern, bis reine Fernbehandlungen angeboten werden können. Alle 17 Ärztekammern sind aufgerufen, ihre Berufsordnungen entsprechend anzupassen. Das betrifft auch die Kammern Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, die bereits Lockerungen beschlossen haben.
Auch wenn die Fernbehandlung explizit auf „Einzelfälle“ bezogen wird und besonders auf dem Land Bedeutung erlangen könnte, öffnet sie zugleich ein großes Tor für die KVen: Eine Konsultation am Telefon oder per Videochat bei unbekannten Patienten gehört zu den KBV-Plänen für die ambulante (Notfall-)Versorgung. Die KBV will die Patienten in die geeignete Versorgungsebene leiten. Dazu soll die Rufnummer 116117 rund um die Uhr mit der Terminservicestelle der KV sowie den Portalpraxen an Krankenhäusern verbunden sein, kündigte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister bei der Vertreterversammlung in Erfurt an. Dafür seien noch Änderungen im SGB V notwendig, um die Leistungen des Bereitschaftsdienstes auch während der Sprechstundenzeiten der Praxen sowie die Dauer-Freischaltung der 116117 inklusive ärztlicher Beratung zu erlauben.