Umstrittene Anbahnung einer Online-Psychotherapie
Für niedergelassene Psychotherapeuten klingt es nach einem verlockenden Angebot: 180 Euro für ein 50-minütiges Gespräch und dessen Vor- und Nachbereitung. Auch Patienten scheint das Konzept entgegenzukommen. Innerhalb von zwei Wochen können sie eine Psychotherapie beginnen, noch dazu vom heimischen Sofa aus. Die Rede ist von „MindDoc“, einem Angebot für Online-Psychotherapien der Klinikgruppe „Schön Klinik“. Doch die Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) äußert fachliche Bedenken gegen das Geschäftsmodell. Die KV Hamburg meint sogar, es sei rechtswidrig.
„MindDoc“ umfasst Verhaltenstherapien bei Depressionen, Angst-, Ess- und Zwangsstörungen. Ob potenzielle Patienten eine solche Therapie benötigen, sollen diese zunächst selbst durch Online-Fragebogen herausfinden. Eine professionelle Einschätzung folgt dann bei einem einmaligen Präsenztermin mit einem Psychotherapeuten in Wohnortnähe. Dabei soll vor allem festgestellt werden, ob jemand für eine Online-Therapie geeignet ist. So spricht eine hohe Impulsivität z.B. gegen „MindDoc“, da der Patient die Sitzung bei steigender Belastung mit einem Klick abbrechen könnte. Ist gegen eine Teilnahme nichts einzuwenden, beginnt der Interessent seine Therapie bei einem Psychotherapeuten der „Schön Klinik“. „MindDoc“ verzeichnet bereits über 1800 Patienten.
KV erinnert an persönliche Leistungserbringung
Der regelhafte Wechsel des Therapeuten nach dem Ersttermin unterläuft nach Ansicht der DPtV das Vertrauensverhältnis, das sich in den ersten Redeminuten zwischen Patient und Psychotherapeut aufbaut. Auch die KV Hamburg lehnt das Angebot ab, allerdings aus formellen Gründen. Sie sieht den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung verletzt. Grund hierfür seien Details der vertraglichen Einbindung der Psychotherapeuten, die die Erstgespräche führen.
Die Musterberufsordnung der Pychotherapeuten lässt für die Ersteinschätzung grundsätzlich keine Videositzungen zu, auch wenn derzeit aufgrund der Coronapandemie Ausnahmeregeln gelten. Um die Erstgespräche bundesweit anbieten zu können, bedarf es niedergelassene ärztlicher und psychologischer Psychotherapeuten, die die Leistung im Namen der Klinikgruppe erbringen. Bislang konnte man hierfür 155 Kooperationspartner gewinnen.
Wegen Corona per Video
Verband: Gewachsenes Vertrauensverhältnis erhalten!
Am Wechsel des Psychotherapeuten nach dem Erstgespräch ändert das nichts. Die DPtV bleibt daher weiterhin skeptisch: „Solange das gewachsene Vertrauensverhältnis regelhaft mit einem Therapeutenwechsel hin zu einem ausschließlichen Online-Angebot frustriert wird, haben wir erhebliche ethische und fachliche Bedenken.“Medical-Tribune-Bericht