Bürokratieindex AU braucht elektronisch 50 Sekunden länger als auf Papier
Bundesweit werden in den Praxen inzwischen 90 Millionen elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen pro Jahr ausgestellt. Dafür werden im Einzelfall im Schnitt 125 Sekunden gebraucht. Für das herkömmliche Ausstellen auf Papier Muster 1 sind es 65 Sekunden pro Arzt und zehn Sekunden pro MFA. Besonders zeitaufwändig ist mit 45 Sekunden bei der eAU das elektronische Signieren und Versenden. Hinzu kommen 20 Sekunden für Korrekturen nach Fehlermeldung. Diese Zahlen aus dem BIX nennt Prof. Dr. Volker Wittberg von der FHM, Leiter des Nationalen Zentrums für Bürokratiekostenabbau.
Gematik soll langen Signiervorgang überprüfen
50 Sekunden mehr, das klinge nach wenig bis gar nichts, so der Kommentar von KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel, „aber wenn man das hochrechnet auf diese entsprechende Fallzahl, dann ergibt das immerhin 1,25 Millionen Stunden Bürokratiebelastung in der Praxis pro Jahr und Mehraufwand.“
Die Gematik melde mit gewissem Stolz, dass 90 % der Praxen die eAU nutzten. „Aber die Zahl sagt doch nichts darüber aus, wie und mit welchem Aufwand diese in den Praxen produziert wird“, so Dr. Kriedel. Wenn der elektronische Signiervorgang zu lange dauere, dann müsse die Gematik dieses Problem lösen. Sie müsse den Vorgang spezifizieren und auch überprüfen. „Leider ist es noch nicht passiert, sodass kein Arzt darauf vertrauen kann, dass das, was sein Hersteller ihm liefert auch genau und vernünftig funktioniert.“
Aufwand, den man nicht am Montagmorgen haben möchte
Dr. Bernhard Gibis, Leiter des Dezernats Sicherstellung und Versorgungsstruktur der KBV, berichtet über Fokusgruppeninterviews mit Vertragsärzten per Videokonferenz. Viele hätten sich zugeschaltet und die Probleme verdeutlicht. Der lange Signiervorgang ist insbesondere bei hohem Patientenaufkommen problematisch, z.B. am Montagmorgen mit 30 bis 40 Patienten in der Praxis. Häufig funktioniert der Versand tagsüber nicht oder nur mit erheblichem Zeitaufwand. „Und wenn Sie abends nach Schluss der Praxis das Ganze über Stapelsignatur abschicken und feststellen, ach, bei Fünfen hat es nicht geklappt, dann wird fünfmal das alles ausgedruckt, fünfmal eingetütet und an die Kasse geschickt“, so Dr. Gibis.
Ein Problem ist auch, dass das Weiterleiten der Fehlermeldungen an die IT-Hersteller oft aufwändig und im Praxisalltag nicht leistbar ist. Zuständigkeiten sind nicht eindeutig geregelt und angesichts verschiedener Komponenten im System auch nicht immer erkennbar. Sogar erfahrene Dienstleister vor Ort sind nach der Erfahrung der Kollegen häufig nicht in der Lage, auftretende Probleme zu beheben. Häufig verweisen Hersteller auch auf die Zuständigkeit anderer Anbieter.
Als Hürde wird von den Kollegen bzw. im BIX die Marktmacht der PVS-Anbieter gesehen. Die meisten PVS seien während des Signiervorgangs blockiert. Ein PVS-Wechsel sei aber schwierig. So müsse ein neuer Konnektor von der Praxis auf eigene Kosten angeschafft werden, da der vorhandene nicht mit den anderen Komponenten kompatibel sei. Dr. Kriedel ist überzeugt: „Um tatsächliche Verbesserungen für die ambulante medizinische Versorgung zu erzielen, müssen die weitere Implementierung und auch die Weiterentwicklung der TI von jetzt an nutzerorientiert vonstattengehen.“ Digitale Anwendungen seien vor dem Praxiseinsatz vollumfänglich zu erproben.
Quelle: Pressebericht KBV