Neue MFBO Bravourstück oder Bärendienst?

Praxismanagement , Team Autor: Angela Monecke

128. Deutscher Ärztetag: Die Mehrheit der Abstimmungskarten ist oben? Dann ist ein Antrag angenommen. So lief es auch bei der MFBO. 128. Deutscher Ärztetag: Die Mehrheit der Abstimmungskarten ist oben? Dann ist ein Antrag angenommen. So lief es auch bei der MFBO. © Zerbor – stock.adobe.com

Mehr ärztliche Unabhängigkeit und Transparenz bei Fortbildungen. Darauf zielt die Neufassung der (Muster-)Fortbildungsordnung, die der Deutsche Ärztetag beschlossen hat. Die Landesärztekammern sollten sich aber vor deren Umsetzung über die Problemfälle und die Tragweite für die Kollegenschaft klar werden, rät ein Jurist.

Vor 20 Jahren wurde die MFBO eingeführt, vor fast zehn Jahren letztmals aktualisiert. Dass sich die Bedingungen für Anerkennung und Durchführung von Fortbildungen seither verändert haben, liegt nahe. Zu kurz greife etwa die bisherige Formulierung, wonach die Fortbildungsinhalte „frei von wirtschaftlichen Interessen“ sein müssen, und weshalb vor Gericht die Kammern mit ihren Beanstandungen schon mehrfach auf die Nase fielen. Das soll sich mit der Novellierung nun ändern, erklärte Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer und Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer (BÄK), beim Ärztetag.

In der MFBO heißt es nun: „Die Fortbildungsmaßnahme muss die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen wahren und diese darf nicht zugunsten wirtschaftlicher Interessen beeinflusst werden. Dies setzt insbesondere voraus, dass die Fortbildungsmaßnahme weder direkt noch indirekt darauf abzielt oder in Kauf nimmt, medizinische Entscheidungen der Teilnehmenden aufgrund wirtschaftlicher Interessen der Anbietenden, Mitwirkenden oder Dritter zu beeinflussen.“ Zudem ist es erforderlich, dass in Fortbildungen die vorhandene Evidenz, vor allem die Nutzenbewertung durch unabhängige Institute (wie das IQWiG) und durch Leitlinien (z.B. der AWMF) darzustellen ist. 

Außerdem muss der Anbieter wirtschaftlich unabhängig vom Sponsor sein. Weiter heißt es, dass Sponsoren die Inhalte von Fortbildungen weder vorgeben noch beeinflussen dürfen, etwa durch das Hervorheben von Präparaten, Wirkstoffen bzw. Wirkstoffgruppen, Medizin- oder Produktgruppen, die von Interesse für den Sponsor sind. Ein gänzliches Verbot von Sponsoring käme jedoch nur in Betracht, wenn die Einflussnahme durch andere Maßnahmen nicht verhindert werden kann, steht in der Begründung zum Regelungstext.

Inhalte und Marketingaktivitäten müssen deutlich voneinander getrennt sein. Der Anbieter muss Ärzte als Wissenschaftliche Leiter einsetzen, die sicherstellen, dass das Programm der Fortbildungsmaßnahme inhaltlich und didaktisch ausgestaltet wird. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Zweck neutraler, interessenunabhängiger ärztlicher Fortbildung erfüllt wird. 

Ein Geschäftsmodell außerhalb der Kammerwelt

Bei der Neufassung der MFBO  wollte man auch einen neuen Rechtsrahmen schaffen, denn Fortbildungsveranstaltungen seien „zu einem Geschäftsmodell geworden für viele, die außerhalb der Kammerwelt unterwegs sind“, erklärt Dr. Günther Matheis, Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz und Vorstandsmitglied der BÄK, gegenüber Medical Tribune. Die überarbeitete MFBO könne nun eine „gerichtsfeste Wirkung“ entfalten. Die früheren Empfehlungen seien jetzt Richtlinien. 

Bei ärztlichen Fortbildungen müsse man „wegkommen von Werbeveranstaltungen oder monopolistischen Darstellungen“, sagt Dr. Matheis. Dass in einer Veranstaltung etwa nur ein bestimmtes Medikament genannt werde, sei zu begründen, ansonsten müsse man auch Alternativen anführen. Die meisten Kollegen hätten sich an diese Vorgaben aber schon gehalten, fügt er an. 

Und was bedeutet die Neufassung für die künftige Ausrichtung von Kongressen? Zwar erklärt der Kammerchef, dass hier „große Fachgesellschaften ohne Sponsoring nicht zurecht“ kommen würden, es daher auch „notwendig und sinnvoll“ sei, Ärztekongresse mit einer großen Industrieausstellung zu unterstützen. Es dürfe aber nicht sein, „dass man, bevor man in den Hörsaal geht, durch die gesamte Industrieausstellung geleitet wird“ – was die meisten Kongressanbieter allerdings bereits berücksichtigten.

Durch die neue MFBO sei es nun leichter, „Fortbildungen, die nicht die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen wahren, von der Anerkennung auszuschließen“, so Dr. Matheis. „Hierzu haben die Kammern sich der Unterstützung der zuständigen Länderbehörden versichert, die die Rechtsgrundlagen dazu in den Heilberufe- und Kammergesetzen schaffen werden.“

Nachbesserungsbedarf sieht der Wiesbadener Fachanwalt für Medizinrecht Maximilian G. Broglie. Mit der Novellierung der MFBO hätten sich die Kammern „einen Bärendienst erwiesen“, so der frühere Geschäftsführer der Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). „Mir ist dieser Rundumschlag nicht klar. Vor allem der Begriff ,Sponsoring‘ hätte genauer definiert werden müssen.“

Fachgesellschaften wie die DGIM veranstalteten schon seit vielen Jahren Kongresse „auf höchstem wissenschaftlichen Niveau“, mit denen Fortbildungen verbunden seien. „Die Pharmaunternehmen mieten Standflächen, nehmen aber keinen Einfluss auf das wissenschaftliche Programm oder die Programmgestaltung. Das ist vertraglich so geregelt“, erklärt Broglie. Da die neue MFBO mit dem Begriff „Sponsoring“ aber eine schwammige Formulierung gewählt habe, könnte dies auch bedeuten, dass Referenten, die kein Honorar verlangen, darunter fallen, erklärt der Rechtsanwalt. Oder auch ein Krankenhaus, wenn es die Räume für eine Fortbildung kostenlos zur Verfügung stellt. 

Bei Kongressen sollen überdies nur die reinen Kosten für die Organisation zulässig sein. „Mit welcher Berechtigung?“, fragt der Jurist. Über ihre Kongresse erwirtschafte die DGIM beispielsweise jährlich einen Überschuss, den man gemeinnützigen Zwecken zuführe. „Das sind 800.000 bis eine Million Euro pro Jahr an gemeinnützigen Leistungen, die zum Teil auch aus Überschüssen aus dem Kongress erwirtschaftet und u.a. für Stipendien oder Forschungsprojekte  verwendet werden.“ 

Diese Möglichkeiten auszuschließen, sei fatal. „Für Fortbildungsanbieter ist das dann kein interessantes Geschäft mehr.“ Und für Ärzte werden die Kongresse teurer. Eine weitere mögliche Konsequenz: Fachgesellschaften könnten künftig „auf CME-Punkte verzichten und ihre Kongresse wie bisher veranstalten“. Ähnlich sehe es bei (Online-)Fortbildungen aus. Es könnte auch passieren, dass Fachgesellschaften juristisch gegen die neue Fortbildungsordnung vorgehen. 

Verbindlich wird es mit den Beschlüssen der Kammern

Die Entscheidung des Ärztetages hält Broglie für „wenig reflektiert“. Die Delegierten seien sich „der Tragweite nicht bewusst“ gewesen, dass die Neufassung die ärztliche Fortbildung fortan teurer machen werde, meint er. Vor allem beim Sponsoring hätte man „einzelne Beispielsfälle und Fortbildungsformate definieren müssen“. Diese Problemfälle gelte es nun auf Landesärztekammerebene zu diskutieren, um dort ggf. MFBO-Inhalte zu modifizieren. 

Die früheste Möglichkeit, die überarbeitete MFBO in Rheinland-Pfalz umzusetzen, sieht Dr. Matheis bei der Herbstversammlung seiner Kammer. Erst mit Beschluss einer geänderten Fortbildungsordnung werden die neuen Regeln verbindliches Recht.