Fachkräftemangel „Die meisten Praxen suchen falsch!“
Qualifiziertes Fachpersonal ist auch auf dem Medizinmarkt derzeit kaum frei verfügbar. Wie erleben Sie die aktuelle Situation?
Chris Fengler: Angespannt. Es gibt zu wenige qualifizierte Fachkräfte. Jeder Praxisinhaber weiß: Es ist heute viel mehr zu tun – allein durch die Digitalisierung. Die Arzthelferin, wie man sie früher kannte, ist deshalb im Know-how nicht mehr vergleichbar mit der Medizinischen Fachangestellten von heute. Für die Arztpraxis und deren künftige Mitarbeiter sind die Herausforderungen groß: Was wird gefordert, was wird bezahlt und was kann wiederum bezahlt werden? Sucht eine Praxis qualifiziertes Fachpersonal, muss zudem mit vielen anderen Praxen um nur wenige Bewerber konkurriert werden und die wirklich guten Mitarbeiter sind schon in festen Händen.
Was empfehlen Sie bei der Personalauswahl?
Chris Fengler: Solides fachliches Know-how ist unverzichtbar, was aber nicht heißt, dass diese Person vom ersten Tag an gleich alles können muss. Die neue Kollegin oder der Kollege sollte aber bereit und fähig sein, stets dazuzulernen und bislang gelernte Arbeitsweisen zu ändern, wenn dies in der neuen Praxis erforderlich ist. Es muss also eine gesunde Balance aus fachlichem Wissen, einer zur Teamkultur passenden Persönlichkeit und der kognitiven Fähigkeit sein, dazuzulernen und den neuen Abläufen positiv gegenüber zu stehen. Nur auf Fachwissen oder nur auf Flexibilität zu achten, würde den Kreis der infrage kommenden Bewerber zu sehr verkleinern und dazu führen, dass die Person wohl der Praxis nicht lange treu bleibt.
Auf der Suche nach MFA
Chris Fengler ist Geschäftsführer der Fengler Consulting GmbH, einer Berliner Agentur, die darauf spezialisiert ist, Fachkräfte für Arzt-, Facharzt- und Zahnarztpraxen zu gewinnen (aerzte.chrisfengler.de). Mit einem 15-köpfigen Team sorgt er dafür, dass die Praxen fachlich und menschlich passende Mitarbeiter gewinnen. Derzeit betreut seine Agentur rund 200 Arztpraxen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Welche Rolle spielt das Gehalt bei der Personalsuche?
Chris Fengler: Natürlich ist es ein Vorteil, wenn eine Praxis ein überdurchschnittliches Gehalt bezahlen kann. Aber dieses Gehalt muss in die gesamte Gehaltsstruktur der Praxis passen. Wenn ich unterdurchschnittlich oder durchschnittlich bezahle, kann es sein, dass ich nicht an die Mitarbeiter komme, die besonders gut sind. Doch wenn sich eine Praxis keine Gehälter über dem Durchschnitt leisten kann, können vielleicht andere positive Punkte herausgestellt werden: Das können in Großstädten der Mitarbeiterparkplatz, das ÖPNV-Ticket oder bezahlte Fortbildungsmaßnahmen sein. Vor allem jüngere Kollegen legen nicht nur Wert auf ein vernünftiges Gehalt, sondern auf einen respektvollen Umgang, auf Flexibilität und die Möglichkeiten, dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln.
Wie kann eine Praxis auf gute Bewerber noch attraktiv wirken?
Chris Fengler: Das Fundament für die Personalsuche eines Arztes, Zahn- oder Facharztes ist für uns die Reputation seiner Praxis in der Region als Arbeitgeber, die positiv oder zumindest solide sein muss. Vor allem im ländlichen Raum ist ein schlechter Ruf fatal, dort spricht sich so etwas rum. Und negative Patienten-Kommentare im Internet werden überall gelesen, auch in den großen Städten und von all denen, die sich für eine Stelle in der Praxis interessieren könnten. Also muss die Reputation der Praxis im besten Fall positiv oder zumindest neutral sein, sonst ist es selbst für uns unmöglich, die Praxis bei der Mitarbeitersuche erfolgreich zu unterstützen.
Was ist noch wichtig, um die Chancen einer Praxis als gefragter Arbeitgeber zu erhöhen?
Chris Fengler: Gut finden wir es, wenn die Praxis selbst ausbildet. Dies ist ja ein Beleg dafür, dass man generell neue Kollegen qualifiziert in den Praxisalltag einarbeiten kann, also auch solche, die schon Berufserfahrung haben. Wenn es seitens des Praxisinhabers dagegen heißt: „Bleiben Sie uns bloß weg mit der Generation Z!“, ist es schwieriger, einen gemeinsamen Weg zu finden. Dies erleben wir aber sehr selten, denn Nachwuchskräfte werden ja dringend gebraucht.
Was sollten die MFA für den Job mitbringen und wo in der digitalen Welt findet man sie am besten?
Chris Fengler: Die MFA sollten möglichst gerade in diesem Beruf arbeiten. Aber auch nach längerer Abwesenheit sind Wiedereinsteiger willkommen, wenn sie ansonsten den Anforderungen entsprechen. Bei unserer Suche richten wir uns nicht nur an die MFA, die bereits aktiv auf der Suche nach einer neuen Praxis sind. Insbesondere sind auch die Personen interessant, bei denen wir erst das Interesse an einem möglichen Arbeitgeberwechsel auslösen. Dabei nutzen wir alle qualifizierten Wege, um mit potenziellen oder aktuellen Wechselwilligen ins Gespräch zu kommen: Eine wichtige Säule ist Social Media. Aber auch Google ist ein wichtiger Kanal, um in Kombination mit sozialen Medien eine regionale Omnipräsenz als Arbeitgeber in der Zielgruppe auszulösen. Generell ist man bei dieser Suche nicht alleine, sondern in Konkurrenz mit Hunderten anderer Praxen, die auch suchen.
5 Tipps für die Mitarbeitersuche
So können Sie Fehler bei der Mitarbeitersuche vermeiden:
- Suchen Sie nicht nach der „eierlegenden Wollmilchsau“. Achten Sie auf die Persönlichkeit der Fachkraft und die Fähigkeit, das Know-how ständig zu erweitern.
- Auf großen Jobbörsen konkurrieren Sie mit vielen anderen Anbietern. Die Ansprache potenzieller Kandidaten sollte über alle digitalen Wege erfolgen: soziale Medien, Suchmaschinen, Jobportale.
- Schaffen Sie sich Ihre eigene Arbeitgebermarke. Ein guter Ruf in Ihrer Region ist das A und O.
- Wenn Ihre Gehaltsstruktur es zulässt: Bieten Sie überdurchschnittliche Löhne an, um gute Mitarbeiter zu bekommen.
- Suchen Sie perspektivisch. Die Fluktuation in Unternehmen beträgt 10 %: Bei 10 Mitarbeitern fällt also jährlich eine(r) weg.
Aussagen wie: Dein neuer Traumjob als MFA! – das glaubt heute doch wohl niemand mehr, angesichts der Arbeitsverdichtung und zusätzlicher anstrengender Abläufe durch die Pandemie.
Chris Fengler: Potenzielle Mitarbeiter und Kandidaten sind heute in aller Regel bestens informiert. Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich über eine einzelne Praxis oder besondere Anforderungen eines Facharztes zu informieren. Zudem arbeitet die gesuchte Person meistens bereits in diesem medizinischen Bereich, sei es bei einem Zahnarzt, Facharzt oder Allgemeinmediziner. Es muss also alles der Realität entsprechen und es darf nichts beschönigt werden. Wir legen deshalb besonderen Wert darauf, die Arbeitgebervorteile subtil, nicht marktschreierisch zu kommunizieren. Stichwort: „Showing, not telling.“
Interview: Angela Monecke