Hausarztzentrierte Versorgung Mit welchen Argumenten überzeugen Hausärzte und MFA ihre Patienten bei der Einschreibung?
Dr. Frank-Dieter Braun, HzV-Arzt der ersten Stunde aus Biberach, stellt eine einfache Rechnung auf: Bei aktuell 60 bis 65 Euro Fallwert in der KV gegenüber 90 bis 95 Euro in der HzV bringt jeder Schein ein Umsatzplus von 30 Euro: „Macht bei 1.000 Versicherten 30.000 Euro pro Quartal.“
Ein entscheidender Faktor sei die kontaktunabhängige Pauschale „P1“, die etwa bei der AOK mit 80 Euro im Facharztprogramm bzw. 75 Euro ohne Facharztprogramm einmal jährlich zu Buche schlägt. „Das Geld fließt auch, wenn der Patient kein einziges Mal in die Praxis kommt“, betont Dr. Braun.
An welchen Schrauben lässt sich drehen, um den HzV-Umsatz zu steigern? Tatsächlich sei der Aufwand nicht groß, berichtet Dr. Braun. „Bei uns spricht die MFA das Thema an der Rezeption an. Das eigentliche Gespräch findet dann im Arztzimmer statt.“
Mehr als 80 % aller Patienten der Praxis machen mit
In der Regel überzeugt die Patienten die Tatsache, dass der Hausarzt den Überblick über deren gesamte gesundheitliche Situation hat, dass er die Versorgung koordiniert und dass alle Befunde bei ihm zusammenlaufen. Überzeugend ist auch, dass sich die Praxis um eine rasche Terminvergabe beim Facharzt oder in der Klinik kümmert. Bei AOK-Versicherten ist die Zuzahlungsbefreiung ein zusätzliches Argument.Mit dieser Vorgehensweise haben Dr. Braun und sein Praxispartner Dr. Christoph Haas etwa 1.800 eingeschriebene HzV-Patienten erreicht, was mehr als 80 % aller Patienten entspricht. Und Dr. Braun ergänzt: „Coronabedingt sind viele neue Patienten beim Hausarzt. Das ist eine gute Chance, diese anzusprechen.“
Für Dr. Haas war die Planungssicherheit in der HzV ein Grund, vor drei Jahren in die Praxis einzutreten. „Die Praxis hat eine solide finanzielle Grundlage und damit eine Zukunft, sodass ich es mir mit ruhigem Gewissen leisten kann, demnächst ein eigenes Haus zu bauen“, sagt Dr. Haas.
Dr. Wolfgang von Meißner, Allgemeinmediziner in Baiersbronn und Mitgesellschafter des MEDI-MVZ in Klosterreichenbach, betont: „Wir sagen unseren Patienten ganz offen, dass wir nur hausärztlich behandeln – sonst nur in Notfällen – und das setzt eine HzV-Teilnahme voraus!“ Und wenn der Patient dann immer noch zweifelt? „Dann sage ich ganz deutlich: ,Im Hausarztprogramm bekommt die Praxis 30 % mehr Honorar.‘ Das verstehen die Patienten sehr gut, weil sie wissen, dass dies die Praxis stärkt und die Zukunft sichert“, erläutert Dr. von Meißner. Ein wichtiger Vorteil, der für ältere Patienten unmittelbar erkennbar ist, sei auch der Vertrag zur Integrierten Versorgung im Pflegeheim mit der AOK Baden-Württemberg, berichtet der Hausarzt.
Mündliche und schriftliche Informationen: „Ja, ich will ...“
Der Vertrag erlaube Pflegeheimversorgung auf höchstem Niveau, so Dr. von Meißner. „Als große Praxis mit etwa 7.000 HzV-Versicherten und fünf HzV-Ärzten haben wir über 150 Heimpatienten. Wir sind gut organisiert und einmal pro Woche vor Ort und haben keine Notfallbesuche. Außerdem bekommen wir oft betagte Patienten aus geschlossenen Praxen. Wenn wir angesprochen werden, weisen wir auch auf die gute Palliativversorgung im AOK-Vertrag hin.“
In der Coronazeit sei aufgrund niedrigerer Patientenzahlen auch eine Einschreibeaktion bei Jüngeren erfolgt. „Bei denen zieht ganz gut, dass der Vertrag nur ein Jahr läuft – beim Handy zwei – und sie beim Umzug sofort wechseln können.“
Im MVZ Hohenlohe in Forchtenberg sorgt Praxismanagerin Ilona Schneider dafür, dass kein Patient bei der Einschreibung in die HzV übersehen wird. Dazu dienen Patientenmarker in der Software. Diese Patienten werden direkt bei der Anmeldung von geschulten MFA angesprochen. Wer es sich noch überlegen will, erhält die von der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft entwickelte Broschüre „Ja, ich will … mein Hausarztprogramm“ mit allen Infos rund um die HzV.
Außerdem bekommt er einen Vermerk in der Patientenakte und wird dann auch vom Arzt angesprochen. „Das wirkt fast immer“, so Schneider. Wichtige Vorteile sind für sie der erweiterte Check-up 35 und die Hausbesuche von insgesamt fünf VERAH, die die Versorgung optimieren und den Arzt entlasten. Im MVZ arbeitet auch ein Pädiater. Eingeschriebene Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren profitieren im AOK-Vertrag auch davon, dass OTC-Rezepte, etwa bei Allergien, verschrieben werden können.
„Das gesamte Team steht hinter der HzV, und das spürt man auch“, sagt Schneider. Schließlich seien die Leistungen deutlich besser und die Praxen erhielten eine höhere Vergütung.
Medical-Tribune-Bericht